Rückblick spezial: Gibt es nach dem Fall Relotius eine Selbstbesinnung in den deutschen Medien? Die Art und Weise, wie sie über Ereignisse der letzten Tage schreiben, sagt etwas anderes
Muss Medienexegese sein? Ja, denn solange es Medien gibt, sagen sie etwas über Denksysteme und Sprache. Vier mediale Berichte über Gewalttaten Ende Dezember 2018 und Januar 2019 stehen als Material zur Verfügung. Keine Bange vor dem längeren Text. Später gibt es eine Art Pointe.
Wo bleibt das Positive? Noch interessanter ist die Frage: was kommt? Publico nennt zehn Menschen, prominente und weniger bekannte, von denen wir auch 2019 Ideen, Taten und Anregungen erwarten können.
Am 23. Dezember 1918 wurde Helmut Schmidt geboren, der vorletzte sozialdemokratische Kanzler Deutschlands. Wer sich über die Feiertage sowohl mit Gegenwart als auch Geschichte beschäftigen möchte, der kann den 100. Geburtstag von Helmut Schmidt und das 3. Ausschlussverfahren der SPD gegen Thilo Sarrazin zum Anlass nehmen, beider Aussagen speziell zur Migration zu vergleichen.
Eine abschließende Bewertung Schmidts durch Kevin Kühnert steht noch aus.
Über 50 Geschichten soll ein preisgekrönter SPIEGEL-Journalist teilweise oder komplett erfunden haben. Angeblich täuschte er sehr geschickt. Auch das stimmt nicht: er manipulierte grob – weil er sich sicher sein konnte
Der SPIEGEL-Journalist Claas Relotius war in der Zeit nach 2015 nicht nur der Mann der Stunde, sondern der Jahre. Er lieferte die perfekten Geschichten ab. Über einen syrischen Asylbewerber Mahmoud Abdullah, der in Deutschland auf der Straße ein Sparbuch mit zwei eingelegten 500-Euro-Scheinen findet, aber den Finderlohn ablehnt: „Da, wo er herkomme, sagt er, sei man nicht ehrlich, um eine Belohnung zu bekommen, ‚sondern um ein guter und gerechter Mensch zu sein’. Mahmoud Abdullah hat seine Heimat verloren, seine Freunde, seine Arbeit und sein Haus, aber er sagt, er habe sich nie reicher gefühlt als in diesem Moment.“ („Verlust“, 2. Oktober 2015)
Obwohl deutsche Medien immer wieder darauf hinweisen, dass es sich bei der österreichischen Regierung unter Sebastian Kurz um eine populistische, gefährliche und obendrein dilettantische Administration handelt, genießt die Koalition in Wien ihre soliden Umfragewerte, die sich von den Beliebtheitswerten der Berliner Koalition deutlich unterscheiden, erst recht von der Zustimmung zu Emmanuel Macron in Frankreich.
Wer als Kunde der Deutschen Bahn im Bordrestaurant ein Essen verzehrt, bekommt grundsätzlich die Chance, bei der Nahrungsaufnahme auch etwas Gutes zu tun. In der Speisekarte findet sich jedenfalls der Hinweis: „Mit jedem bestellten Gericht gehen 10 Cent an den Bergwaldprojekt e. V.“.Bei der vorletzten Fahrt des Wochenrückblickschreibers erledigte sich allerdings die Frage, wo denn die begünstigten Bergwälder liegen, denn wegen des populären Bahn-Features _heute reduziertes Speiseangebot _gab es kein einziges 10-Cent-Zuschlagsgericht.
Ist Gewalt womöglich das einzige, was den peripheren Franzosen endlich Aufmerksamkeit verschafft? Archi W. Bechlenberg geht durch das vorweihnachtliche Paris – und erkennt seine Lieblingsstadt kaum wieder
Da ist dieses Bild, eingefangen von einer Livekamera aus ein paar Metern Höhe. Man sieht die weihnachtlich-prachtvoll geschmückten Bäume der Champs-Elysées, ungezählte Lichter blinken in pink und weiß. Und unter den Bäumen bewegen sich Menschen, in gelben Westen, stehen in kleinen Gruppen zusammen oder zu zweit oder einzeln, drehen sich um sich selber, warten, erwarten. Nein, sie sind nicht zum Weihnachtsbummel unterwegs. Ihnen geht es ums Ganze.
In der Berichterstattung über den Brexit-Streit – zumindest in Deutschland – wird meist kaum oder nur sehr verschwommen deutlich, worum es zwischen den Verfechtern eines harten Brexit (no deal) und eines Exit-Vertrags mit der EU geht. Dabei ist dieser Kern gar nicht schwer zu verstehen.
Vor einigen Tagen fuhr ich nach Prag, um dort mit Matthias Matussek und dem CSU-Politiker Martin Kastler am Cevro-Institut über die Zukunft des Konservatismus zu diskutieren. Bei dem Cevro-Institut handelt es sich um eine private Hochschule mit einer recht internationalen Studentenschaft. Zukunft des Konservatismus, das Thema interessierte mich. Es berührt meine Ansichten als Libertärer, ohne sich mit ihnen ganz zu decken.
Kurz vor der Entscheidung in Hamburg fragte die Autorin Jana Hensel in der Maybritt-Illner-Runde klagend, warum sich keiner der Bewerber für den CDU-Vorsitz positiv auf Merkels Erbe beziehe. Nun wäre die naheliegende Antwort: Weil ihr Erbe nicht besonders positiv ist. Ansonsten hätte sie ja als Vorsitzende weitermachen können. Ihr Dogma lautete fast 13 Jahre lang, dass Kanzlerschaft und Parteivorsitz in eine Hand gehören.
Erster Advent, oder, wie es heute heißt: mit einer Kerze 200 Mikrogramm Stickstoffoxid pro Kubikmeter auf relativ kleinem Raum erzeugen. Bekanntlich handelt es sich bei dem Einkerzenkranz nur um des schrecklichen Anfang, aber auch 200 Mikrogramm sind schon das Fünffache des Grenzwertes für den Straßenverkehr, bei dessen geringfügiger Überschreitung in Deutschland ohne Zögern eine halbe Innenstadt oder eine Ruhrgebietsautobahn für ältere Diesel gesperrt wird.
Publico:_ Der von Linkspartei-Kultursenator Klaus Lederer und Kulturstaatsministerin Monika Grütters gefeuerte Direktor der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen Hubertus Knabe hatte sich vergangene Woche auf seinen Posten zurückgeklagt – was Lederer mit der Einsetzung eines neuen Direktors und anderen Maßnahmen zu durchkreuzen sucht. Wie beurteilen Sie diesen Gedenkstätten-Krieg?
_
Vaatz: Mit der Entlassung Knabes soll ein Enthauptungsschlag gegen die Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen geführt werden.
„Ich freue mich, dass ich mich ab Montag wieder meiner Lebensaufgabe widmen kann: der Aufarbeitung des in der DDR begangenen Unrechts.“ Mit dieser Ankündigung kommentiert Hubertus Knabe am Sonntag eine einstweilige Anordnung des Landgerichts Berlin, die den Bund und das Land zwingt, den gefeuerten Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen ab sofort wieder zu beschäftigen. Am Donnerstag vergangener Woche hatte das Gericht die sofortige Weiterbeschäftigung des Historikers verfügt und für den Fall der Zuwiderhandlung eine Geldbuße von 25 000 Euro oder Ersatzhaft angedroht. Bund und Land tragen je zur Hälfte die Stiftung Hohenschönhausen, Berlins Kultursenator Klaus Lederer von der Linkspartei sitzt dem Stiftungsrat vor.
Die „Erklärung der Vielen“ gegen „Rechtspopulismus“ wurde auch von der Dresdner Semperoper unterschrieben. Genaugenommen: nur von ihrem Intendanten. Die Mitarbeiter hatte niemand gefragt
Am 9. November 2018 veröffentlichten 40 Dresdner Kulturinstitutionen die „Dresdner Erklärung der Vielen“, die sich ihrem Text zufolge gegen Rechtspopulismus in Sachsen richten soll. Als gewichtige Institutionen von Weltrang reihte sich auch die Semperoper Dresden mit ihren 500 Mitarbeitern auf der Liste der 40 ein. Zur Semperoper gehört die Staatskapelle Dresden, das Orchester des Hauses, geleitet von Dirigent Christian Thielemann. Als die Erklärung erschien, befand sich die Staatskapelle auf Tournee.
Am 10. November verlasen in Deutschland verschiedenen Kulturschaffende vor verschiedenen Theatern ein Manifest von Ulrike Guérot und Robert Menasse, in dem das progressive Spitzenpaar die Ära der Nationalstaaten für beendet erklärte und die Vereinigten Staaten von Europa ausrief. Es ist also schon passiert, der Kas bissen, der Drops gelutscht, eigentlich nur bemerkt von Ulrike Guérot, Robert Menasse, einer recht schütternen Masse von Anwesenden vor den Theatern und dem politischen Qualitätsfeuilleton.
In Frankreich und Belgien breitet sich die Bewegung der Gilets Jaunes aus – als Massenprotest gegen hohe Spritpreise, vor allem eine Dieselsteuer. Kommt die Wutwelle nach dem Diesel-Fahrverbot im Ruhrgebiet auch in Deutschland an? Von Archi W. Bechlenberg, Belgien
Jacline Mouraud gehört seit einigen Tagen zu den bekanntesten Frauen Frankreichs. Ihre Wutrede – vier Minuten und 38 Sekunden, aufgenommen mit ihrem Mobiltelefon – klickten innerhalb kürzester Zeit sechs Millionen Franzosen an. «Vor zehn Jahren habt Ihr uns dazu gebracht, Diesel zu kaufen, weil sie als umweltfreundlicher galten», schleudert die Bretonin dort Präsident Emmanuel Macron entgegen. Und jetzt wolle der Präsident die Dieselfahrer mit einer saftigen Steuererhöhung abkassieren.
„Der Beitrag bleibt offensichtlich absichtlich vage. Welche «internationalen Gerichte» sollen die Bundesrepublik bitte dazu zwingen, irgendetwas aus dem GCM umzusetzen? Wenn es so leicht ist, Juristen zu finden, die die eigene Meinung bestätigen, warum präsentieren Sie dann hier keinen?“
Vertreter der Hypermoral weiten ihre Kampfzone gerade bis in die Buchläden aus. Ihre Hauptbeschäftigung besteht darin, quer durch das grenzenlose Land antifaschistische Schutzwälle zu errichten
Zu Buchläden fiel mir bisher vieles ein. Nur nicht, dass es sich um Kampfgebiete handeln könnte. Mittlerweile sind nicht nur Buchmessen Schauplätze von Machtdemonstrationen, bei denen es darum geht, bestimmte Verlage mit Protestgruppen zu belagern, Veranstaltungen zu verhindern, einen nach Schwefel riechenden Zeitungsverlag zwar zuzulassen, aber in eine Art Quarantäne am Ende einer Sackgasse zu stecken, und, andersherum, als rechter Verlag der Messeleitung eine Nase zu drehen wie Götz Kubitschek von Antaios.
Es gibt Akte der relativen Verzweiflung. Relativ heißt: täte man nichts, wäre die Lage vielleicht noch schlechter. Der Leipziger Osten um die Eisenbahnstraße gehörte noch nie zu den besseren oder auch nur guten Gegenden der Stadt. Sie beginnt ein paar hundert Meter östlich vom Hauptbahnhof, viele Häuser stammen aus der Zeit, als die Arbeiterpartei SPD noch in fast allen Wahlkreisen Sachsens siegte. Hier wohnten immer die, die weniger gut bezahlt waren. In den neunziger Jahren zogen noch ein paar Sozialhilfeempfänger zu.
Angenommen, jemand hält Ihnen einen Vertrag vor die Nase. Nein, Sie sollen jetzt nicht alle Seiten lesen, derjenige mit dem Vertrag sagt Ihnen schon, was drinsteht. Vor allem sagt er, dass alles unverbindlich ist. Ihre Unterschrift verpflichtet Sie zu nichts. Trotzdem ist es von höchster Wichtigkeit, dass Sie unterschreiben. Zügig. Die Zeit drängt nämlich. Und: hören Sie bloß nicht auf Leute, die den Vertrag genauer gelesen haben und meinen, er sei doch nicht so unverbindlich und werde Folgen haben. Nicht unbedingt gute. Das sind Fake News! Unterschreiben Sie jetzt!