Fall Knabe: Gericht urteilt zugunsten von Stasi-Gedenkstätten-Direktor – Linkspartei setzt auf Eskalation
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Von Alexander Wendt / / politik-gesellschaft / 12 min Lesezeit
„Ich freue mich, dass ich mich ab Montag wieder meiner Lebensaufgabe widmen kann: der Aufarbeitung des in der DDR begangenen Unrechts.“ Mit dieser Ankündigung kommentiert Hubertus Knabe am Sonntag eine einstweilige Anordnung des Landgerichts Berlin, die den Bund und das Land zwingt, den gefeuerten Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen ab sofort wieder zu beschäftigen. Am Donnerstag vergangener Woche hatte das Gericht die sofortige Weiterbeschäftigung des Historikers verfügt und für den Fall der Zuwiderhandlung eine Geldbuße von 25 000 Euro oder Ersatzhaft angedroht. Bund und Land tragen je zur Hälfte die Stiftung Hohenschönhausen, Berlins Kultursenator Klaus Lederer von der Linkspartei sitzt dem Stiftungsrat vor.
Lederer setzt nun auf volle Eskalation – und verkündete noch am Sonntag die sofortige Abberufung Knabes. Bisher war Knabe nur zum 31. März 2019 gekündigt und bis dahin beurlaubt.
Der Historiker Knabe beschäftigte sich in mehreren Büchern mit der DDR-Vergangenheit, etwa dem Einfluss der Staatssicherheit auf die West-Medien („Der diskrete Charme der DDR“) und der Linkspartei („Die Wahrheit über die Linke“). Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin hatte er mehrmals kritisiert.
Der Linkspartei-Politiker Lederer hatte zusammen mit Kulturstaatsministerin und Berliner CDU-Landeschefin Monika Grütters am 25. September die Kündigung Knabes beschlossen. Sie begründeten ihre Entscheidung mit dem Vorwurf, Knabe habe nichts gegen die mutmaßlichen sexuellen Übergriffe seines Stellvertreters Hellmuth Frauendorfer auf Mitarbeiterinnen unternommen. Allerdings hatten die bis heute öffentlich nicht bekannten Mitarbeiterinnen der Stiftung die Vorwürfe nicht gegenüber Knabe geschildert, sondern sich direkt an Kultursenator Lederer gewandt.
«Der Stiftungsrat hat einmütig den Eindruck gewonnen, dass Herr Dr. Knabe über Jahre Missstände in seinem Haus geduldet und durch seinen Führungsstil und eigenes Verhalten sogar befördert hat“, verteidigte Grütters im September den Rauswurf Knabes. Belege für ihre Vorwürfe lieferte sie nicht. Sie unterschlug in ihrer Erklärung außerdem, dass drei Mitglieder des Stiftungsrates aus Protest gegen die Entscheidung zurückgetreten waren: Die Bürgerrechtlerin Heidi Bohley, die frühere DDR-Dissidentin Freya Klier und die Passauer Historikerin Barbara Zehnpfennig. Die Frauen kritisierten Grütters und Lederer dafür, Knabe wegen Vorwürfen entlassen zu haben, die ihn nicht betreffen, und ihm noch nicht einmal Gelegenheit für eine ausführliche Stellungnahme gegeben zu haben. Dem Protest schloss sich auch der stellvertretende Chef der Unions-Bundestagsfraktion Arnold Vaatz an. Mit Knabes Entlassung, so Vaatz, solle ein „Enthauptungsschlag“ gegen die Stiftung geführt werden, die sich mit der Aufarbeitung von DDR-Unrecht befasst.
Kurz darauf veröffentlichte der Berliner „Tagesspiegel“ auch Belästigungsvorwürfe gegen Knabe selbst, die allerdings vage gehalten waren und von bisher öffentlich unbekannten Mitarbeiterinnen stammten (s. Publico vom 8. Oktober).
Nach der Gerichtsentscheidung zugunsten Knabes hoffen die Ex-Stiftungsratsmitglieder auf einen anderen Umgang mit dem Fall. „Die gerichtliche Anordnung eröffnet nun endlich die Möglichkeit, die Ereignisse der letzten Wochen in Ruhe und Sachlichkeit zu sichten und jenseits von Unterstellungen und Rufmord neu zu bewerten“, erklärten Bohley, Zehnpfennig und Klier.
Davon scheinen Lederer und Grütters nichts wissen zu wollen. Nicht nur, dass sie den Kurs gegen Knabe mit der sofortigen Entlassung noch verschärften – auch das Ausschreibungsverfahren für die Neubesetzung des Stiftungsdirektorenpostens soll in Kraft bleiben.
Der „Tagesspiegel“ stellte die Rückkehr Knabes unter Berufung auf anonyme Quellen als Schreckensnachricht dar.
„Aus Kreisen der Gedenkstätte war am Sonntag von mehreren Seiten von einem Horrorszenario die Rede – vor allem für die Frauen. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und aber auch die breite Mehrheit der Mitarbeiter hätten Knabes Entlassung als Neuanfang, teilweise als Befreiung im Arbeitsalltag empfunden, hieß es am Sonntag von Insidern“, schrieb das Blatt.
14 Kommentare
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Wolf Manuel Schröter
26. November, 2018Naja, ein wenig dubios das alles. Herr Knabe war auf seine Art ein «Extremist», was seine Gegnerschaft zu jedweder DDR-Angelegenheit anbelangte; er hat auch nicht zurückgeschreckt, Wahrheiten alternativ zu sehen und seine Ansichten dazu zu verabsolutieren. Wird jedenfalls hier und da behauptet. Nur: Sollte mit diesem #me-too-Ding in Hohenschönhausen gleich ein Aufwasch gemacht worden sein, so ist das nicht korrekt. Das grenzt dann schon an Rufmord, nicht wahr? Wenn man bei diesem Herrn mit «Methodik» einerseits und «Erkenntnissen» andererseits über Kreuz lag, dann hätte man dem Mann wissenschaftlich die Unkorrektheiten und/oder Falsch-Interpretationen oder was immer NACHWEISEN müssen, um dann zu dem Schluss zu kommen: Nein, geht nicht, wir müssen den entlassen. Oder eben auch nicht. Aber «Untätigkeit» vorzuwerfen, weil er (möglicherweise ohne rechte Kenntnis davon zu haben) nicht gegen sexistische Verhaltensweisen seines Stellvertreters vorgegangen ist, das ist Feigheit der Stiftungsverantwortlichen, Feigheit, sich wissenschaftlich und persönlich mit Herrn Knabe auseinander zu setzen. Meinungen wie die von Frau Bohley und/oder Frau Klier (die mE ohnehin recht opportunistisch eingefärbt sind) zählen da gar nicht! Auch Herr Dr. Vaatz sollte sich zurück halten. Von dem hat man lange nichts gehört, nun hat er hier wieder mal eine unverfängliche Gelegenheit, sich in den Vordergrund zu spielen. Der sollte sich lieber um andere Probleme (z.B. seiner Sachsen oder wegen des Migrations-Dings) kümmern, aber da muss man wohl auch wollen und nicht nur «eyn sanfttlebend’ Fleysch zu Berlin» sein.
Albert Schultheis
26. November, 2018Man hat der Hydra STASI den Kopf abgeschlagen und jetzt sind ihr vier neue nachgewachsen: Die Linke, die Grünen, die SPD und die CDU!
Dreggsagg
28. November, 2018SO isset, Albert!
Eine Zensur findet nicht statt, sagt das GG.
Was schert es die linke Blockpartei CDUSPDGrüneLinkeFDP, was im GG steht.
Ist denen entweder sch..ssegal oder sie versuchen es in ihrem Sinne zu fälschen!
Albert Schultheis
26. November, 2018Es ist überhaupt erstaunlich, dass es da noch Landesrichter in Berlin gibt, die es wagen, den hohen, selbstgerechten Regierungsvertretern zu widersprechen. Den Richtern gebührt meine ganze Hochachtung!
Danke, Herr Wendt, dass Sie so engagiert an der Sache dranbleiben, damit wir das wenigstens noch erfahren, wer da hinter den Kulissen gemeuchelt wird. Vielleicht müssen Sie von nun an auch ein Auge auf dem zuständigen Landesrichter behalten, für den Fall, dass auch der klammheimlich «entsorgt» werden soll.
Wanninger
26. November, 2018Linkspartei und CDU machen gemeinsame Sache. Deutschland im Jahr 2018! Danke für die Info, Herr Wendt.
Sophie Lauterbach
26. November, 2018Wer sich da noch Illusionen über einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz macht, der schaue nach Berlin. Dort wird dieser Sozialismus bereits praktiziert – mit dem perfide camouflierten Rausschmiss eines Noch-Andersdenkenden durch einen «Kultur»-Senator, mit dem Stokowskischen Handarbeits-Antifaschismus an AfD-Büros oder -Politikerwohnstätten, mit «Juden-ins-Gas»-Demonstrationen an den hohen Fest- und Feiertagen der friedvollen Multi-Kulti-Macchiato-Kreise. Oh nein, behaupte da hinterher niemand, das habe man nicht gewußt und gewollt.
Dreggsagg
26. November, 2018Hier ist eine GANZ linke Sauerei am Werk, der Stasi-Manier würdig und so recht nach dem Gusto der Kahanes und anderer linker Denunzianten!
Gut, daß das Gericht nicht mitgespielt hat.
Dirk Jungnickel
26. November, 2018Diese Schmierenkomödie zu relativieren, Herr Schröter, zieht mir die Socken aus !
Es zeigt, dass Sie sich wohl besser in die Causa Dr. Knabe hätten ein arbeiten sollen, ehe Sie einem über die Landesgrenzen hinaus bekannten und verdienstvollen Historiker «Extremismus» vorzuwerfen sich erlauben.
Peter Thomas
27. November, 2018Nun, vielleicht ist der Herr Schr. ja nur zu gut eingearbeitet… «Vermischung von Überprüfbarem mit Halbwahrheiten und Verleumdungen, moralische Ambivalenz, um die eigentliche Absicht zu verbergen…»
So oder so ähnlich wird die von der Stasi hochgeschätze Technik der «Zersetzung» beschrieben, feine Sahne Fischgedärm zur persönlichen und sozialen Vernichtung «feindlich-negativer Personen» –
Peter Thomas
26. November, 2018Gedankenexperiment: Ein Mitglied der NSDAP-Nachfolgepartei wird Kulturminister (!) in einem deutschen Bundesland. In dieser Funktion ist er auch Vorsitzender einer Stiftung zur Untersuchung des NS-Terrors. Diese Stiftung finanziert eine Gedenkstätte, die den Opfern des NS-Terrors gewidmet ist. Der Leiter dieser Gedenkstätte nimmt seine Arbeit ernst, er forscht über die NS-Verbrechen und deren Opfer. Er weist auf das kaum gebrochene Fortwirken der NSDAP in die heutige Zeit hin; ja er wagt es, den Kulturminister des Jahres 2018 in die Traditionslinie der NSDAP einzuordnen. Soweit das Gedankenexperiment.
Ein Linken-PDS-SED-Senator kielholt einen Anwalt der SED-Opfer. Eine CDU-Ministerin und GröKaz-Freundin findet das knorke. Die GröKaz knabbert im Klo freudig an ihren Nägeln. Die freie Presse kämpft den Kampf gegen rechts. Alle Menschen sind Brüder. Deutschland 2018.
Stephan
27. November, 2018Auch wenn man es vermeiden will: der Vergleich mit der braunen Diktatur drängt sich auf. Allerdings gibt es keine Nachfolgepartei der NSDAP, wohl aber eine solche der SED. (Als Rechtnachfolgerin der DDR-Staatspartei wird sie ja wissen, wo das Parteivermögen geblieben ist.) Wer mit Parteigängern der Linkspartei über Kommunismus diskutiert, wird folgende Erfahrungen machen: Relativierung im Blick auf 1933-1945, Infragestellung der bloß «subjektiven» Zeugenberichte, Zwänge, die durch den Kalten Krieg oktroyiert wurden – und ähnliche «Argumente», die auf eine «Hänschen klaut auch» – Moral hinauflaufen. Herr Schröter hatte auf mögliche wissenschaftliche Defizite seitens Herrn Knabe hingewiesen. Mir wäre es auch lieber, die Gegner würden in sachlicher Weise versuchen, die als falsch bezeichneten Positionen zu falsifizieren. Aber geben wir uns keiner Illusionen hin: ein Teil der Parteigänger der Linken kann es nicht und braucht es auch nicht. Gläubige bewegen jenseits beweisbarer Argumente. Die «Methode» des Kultursenators wie auch der peinlichen Frau Grütters entspricht mittlerweile dem Standard des von Ihnen als «freie Presse» ironisierten Meinungskartells.
Katharina Pehle
26. November, 2018Die Gerichtsentscheidung gibt immerhin Anlass zur Hoffnung. Ich wünsche Herrn Knabe viel Kraft und Mut für das Kommende. Das wird er brauchen gegen Lederer und Co. Es ist leider die traurige Wahrheit, dass dies für die politischen Akteure folgenlos bleiben wird. Das ist der eigentliche Skandal.
Danke Herr Wendt, dass Sie hier am Ball bleiben.
Jürgen Fuchs
27. November, 2018Es begrüßten am Montag morgen 5 DDR-Opferverbände Dr. Knabe zur Wiederkehr mit Blumen. Konkret der VPVDK mit der Bürgerrechtlerin Barbe, das Forum zur Aufklärung, das KGB-Gefängnis Potsdam, die VOK und 17Juni1953.
Denn am 25.11. hatten 12 Verbände aus der uokg (von 25 anwesenden) ein Minderheitenvotum veröffentlicht, um ihren feuernden CDU-Vorsitzenden zu widersprechen und das 17jährige Wirken von Dr.Knabe zur Diktaturaufklärung zu ehren. Ein Kulturwandel wird der Stasi-Gedenkstätte verordnet – wohin?
Lt. Agenturmeldung protestierten vorher bereits 11 weitere Verbände aus dem Stasiopferdachverband UOKG gegen die offensichtlich fadenscheinigen Gründe, die diese nach ihrem Eindruck «politische Entlassung Knabes » des feuernden Stiftungsrates rechtfertigen sollte. Der UOKG-Vorsitzende Dombrowski widersprach 2 Tage später heute seinen Verbänden: es wäre keine politische Kündigung gewesen, die er mitverantwortet hatte. http://www.dernewsticker.de/news.php?id=364196
Fantomas
27. November, 2018Die Frau Grütters entwickelt sich immer mehr zu einer sehr gefährlichen Politikerin. Als die SZ vor Wochen diese Dame in einem Artikel richtig niedermachte, dachte ich noch, na ja, SZ halt. Heute vermute ich, die SZ-Redaktion verfügt über Infos über diese Frau, die sie – noch – für sich behält. Sonst wäre der Artikel nicht erschienen. Frau Grütters ist eine enge Mitstreiterin von Frau Merkel und verantwortet mit Kulturpolitik den größten Teil des gesamten Kanzler-Etats (siehe letzte Haushaltsdebatte). Ihr ungebremster Ehrgeiz läuft auf das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin zu. Da sieht sie nur eine Chance mit den SED-Nachfolgern, was für eine Ohrfeige für all die SED-Opfer!