Publico wünscht allen Lesern ein friedliches und ruhiges Weihnachtsfest. Danke für vier Millionen Seitenabrufe seit November 2017. Danke für die großartige Unterstützung. Beides ist ein Geschenk.
Wenn Claas Relotius sein Büro im 13. Stock des SPIEGEL-Gebäudes an der noblen Hamburger Ericus-Spitze 3 verlässt, dann summt er meistens ein Lied. Nichts deutsches, denn Deutsch-Sein, das war noch nie sein Ding. Er mag die frühen Stones, aber am heutigen Tag geht ihm ironischerweise „My Way“ von Paul Anka durch den Kopf. Ein Lied, das gerne auch auf Beerdigungen gespielt wird.
Ihren Text «Rausch und Reinheit» habe ich heute auf der Achse des Guten gelesen, und ich verdanke Ihnen die Lösung eines Rätsels. Ich bin Schriftstellerin, Jahrgang 42, DDR-Gewächs und als solches schon vor 1989 unrühmlich aufgefallen. Vor zwei drei Monaten klickte ich in meinem Wikipedia-Eintrag aus Zufall auf «Diskussion» und fand dort den Eintrag, daß ich zu den Unterzeichnern der Erklärung 2018 gehöre. Große Verwunderung, was das soll. Jetzt weiß ich, was das soll und wundere mich auch nicht mehr über die «Zurückhaltung» der Leute im Literaturgeschäft, seien es Verlage oder Buchhandlungen. Was Sie über «rechte Bücher» in Buchhandlungen schreiben, trifft auch auf Bibliotheken zu, so in Potsdam 2017. Dazu schrieb ich einen Leserbrief, den die Potsdamer Neuesten Nachrichten auch veröffentlichten: Leserbrief «Ich habe den Bericht „Umstrittene Bücher in der Bibliothek“ (PNN, 27. 12.) mehrmals gelesen, weil ich nicht glauben wollte, was da stand. Es war wie ein déjà vu – Erlebnis. In welchem Land, in welcher Stadt, in welcher Zeit lebe ich eigentlich, fragte ich mich verwundert. Mein Mann, gelernter Bibliothekar, hat die Verbreitung des Braunbuchs über den Reichstagsbrand 1933 mit vier Jahren Zuchthaus, anschließend KZ und Strafbataillon bezahlt. In der DDR wurde er wegen seines Einsatzes für Meinungsfreiheit mehrmals schwer gemaßregelt und starb schließlich nach seinem letzten Parteiverfahren wegen der Einfuhr von Büchern wie Solshenizyns „Archipel Gulag“ und Rosa Luxemburgs „Die russische Revolution“ an einem Herzinfarkt. Als Studentin der Kulturwissenschaft an der Humboldt-Uni scheiterte ich regelmäßig an dem „Giftschrank“ der Staatsbibliothek, wenn ich Bücher wie Egon Friedells „Kulturgeschichte der Neuzeit“ oder Titel von Arnold Toynbee entleihen wollte. Weder der Nationalsozialismus noch der Sozialismus gewährten die Freiheit der Gedanken, der Rede, der Presse. „Freiheit des Andersdenkenden“ war eine Hauptforderung der Bürgerbewegung in den achtziger Jahren, die wir mit dem Mauerfall endlich, endlich erreicht zu haben glaubten. Und jetzt kommen wieder wie einst sich als Volkserzieher aufspielende Ideologen daher, die uns diesmal im Namen von Toleranz und Demokratie das Denken abgewöhnen und uns vor dem „Bösen“ bewahren wollen. Bücher, die ihrer beschränkten Weltsicht widersprechen, werden einfach als rechtsextrem verteufelt. Von dem italienischen Schriftsteller Ignazio Silone (1900-1978) stammt das Wort: „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‘Ich bin der Faschismus.’ Nein, er wird sagen: ‘Ich bin der Antifaschismus.´» Sigrid Grabner»
Lieber Herr Wendt, ich hätte mir 1990 nicht träumen lassen, wohin die Reise im vereinigten Deutschland geht. Die Demokratie im Würgegriff wahnsinnig gewordener Ideologen. Ich bin inzwischen alt, und wenn ich nicht mehr gedruckt und zu Lesungen eingeladen werde, kann ich damit leben. Die noch verbleibende Spanne ist überschaubar. Sie aber sind noch jung. Bleiben Sie standhaft, machen Sie weiter. Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen Kraft. Ihnen herzlich verbunden Sigrid Grabner
Nach 11 Monaten Deutschunterricht in einem sogenannten Integrationskurs habe ich die Aufgabe, in einem vierwöchigen «Orientierungskurs» auf den Test «Leben in Deutschland» vorzubereiten.
Dass diese Aufgabe schwierig werden würde angesichts der Sprachkenntnisse, ahnte ich.
Zu dem, was Alexander Wendt in seinem «Höhlengleichnis für Fortgeschrittene» anmerkt, paßt ganz wunderbar ein Text aus der Tragödie «Die Schutzflehenden» des Aischylos (ca. 463 vor Christus). Er gibt, aus ferner Vergangenheit zu uns Heutigen sprechend, eine überzeugende, sofort einleuchtende Antwort auf die sehr aktuelle Frage: Wie sollen sich Asylsuchende im fremden Land benehmen?
Danaos, Herrscher von Libyen, hatte 50 Töchter, sein Bruder Aigyptos, Herrscher von Ägypten, 50 Söhne. Aigyptos erstrebte den Sturz seines Bruders und die Herrschaft auch über Libyen. Er wollte deshalb die Heirat seiner 50 Söhne mit ihren 50 Cousinen erzwingen.
Danaos floh nun mit seinen 50 Töchtern, den Danaiden, nach Argos und bat dort den König Pelasgos um Asyl. Er war sozusagen ein politisch Verfolgter, und den Danaiden drohte die Zwangsheirat.
Kurz bevor Pelasgos eintraf, um die Geflüchteten anzuhören, gab Vater Danaos seinen Töchtern den folgenden Rat: Setzt euch auf den Altarhügel der Stadt mit wollumwundenen Zweigen in der linken Hand. (Diese Zweige waren das Zeichen schutzsuchender Flüchtlinge.)
Ab jetzt zitiere ich wörtlich (Verse 194 – 203 / Übersetzung von Oskar Werner):
In züchtger, klagender, dringlicher Rede gebt Den Fremden Antwort, wie’s Schutzflehenden geziemt, Deutlich darlegend eure blutschuldfreie Flucht. In eurer Stimme liege nichts von dreistem Ton, Nichts Eitles zeige sich auf dem mit keuscher Stirn Geschmückten Antlitz und im Auge voller Ruh! Werdet nicht vorlaut noch auch zögernd, schleppend im Gespräch! Weckt solche Art doch Mißgunst nur und Haß. Lernt euch bescheiden! Arm seid, fremd, landflüchtig ihr; Ein keckes Mundwerk ziemt sich für die Schwächern nicht.
Die Töchter (sie bilden den Chor) verstehen und würdigen das (204 – 206):
Verständig, Vater, zu Verständigen redest du. Bewahren will ich im Gedächtnis, was du mir Sorglich geraten …
Das waren eben junge Frauen. So manche junge Männer, die heute als Schutzflehende „zu uns kommen“, würden die Worte des Danaos wohl kaum sonderlich beeindrucken …
Am 15. Mai 2018 wurden im Bayerischen Landtag Neuerungen des sogenannten Polizeiaufgabengesetzes (PAG) beschlossen. Sie sollen die Befugnisse der Polizei ausweiten. Im Vorfeld hatte es massive Kritik an dem Gesetzesentwurf der CSU gegeben. Kritiker sehen durch das neue Gesetz Grundrechte eingeschränkt; sie halten es für verfassungswidrig.
In Berlin demonstrierten am Sonntag AfD-Anhänger und – ja, wie viele so genannte Gegendemonstraten eigentlich? Publico-Reporterin Mascha Memel hat sich umgesehen
Der gestrige Sonntag in Berlin versprach den Aufeinanderprall zweier Spitzenreiter der Medienöffentlichkeit: Die Alternative für Deutschland rief auf zu einer Kundgabe des Selbstbehauptungswillens der Hiergeborenen. Den Anfängen dessen zu wehren, war das Lager der nur etwas später Hiergeborenen angetreten.
Um allen Falschmeldungen vorzubeugen: Die Gemeinsame Erklärung 2018 wurde überreicht, und zwar zusätzlich und extra erklärt. Bald wird sie die gewählten Volksvertreter beschäftigen, es sind noch ein paar Schritte nachzuholen, bevor es zu einer formgerechten Zweitüberreichung kommt.
Im ersten Moment habe ich auch gedacht: Völlig realitätsfern. Aber Obacht. Die Dinge in Europa verändern sich ja. Grillo hat in Italien fast allein mit Hilfe des Internets eine politisch zwar recht diffuse und heterogene, aber machtvolle Verbindung aufgebaut. In Frankreich hat Macron die Sozialisten links liegen lassen und seine eigene Bewegung aufgebaut, Kurz hat in Österreich ähnliches gemacht. Eine neue politische Gruppierung müsste ja nicht auf eine Person zugeschnitten sein, sondern könnte in Teamwork gemacht werden. Natürlich müsste einer den Mumm aufbringen und vorangehen. Politisch müsste es gar kein homogener Block sein, sondern eine breite Sammlungsbewegung, die denjenigen ein Angebot macht, die mit der Art und Weise, wie in Deutschland Politik gemacht wird (inklusive der Medien) unzufrieden sind. Ich denke, das Wählerpotential für eine solche Protestbewegung wäre wesentlich grösser als das allein für die AfD.
Der kleinste gemeinsame Nenner für eine solche Gruppe könnte die Wiederherstellung rechtlich geordneter Verhältnisse, die Wiedereinführung einer sinnvollen Debattenkultur und das Aufbrechen der politischen Korrektheit auch von einer nicht-rechten Position aus umfassen. Sozusagen den frustrierten Nicht-Wählern eine Stimme geben.
Die CDU-Politikerin Annette Widmann-Mauz, bislang parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, soll neue Gesundheitsministerin werden. Widmann-Mauz hat ihr Jurastudium nach acht Jahren ohne Abschluss beendet. Darüber hinaus bringt sie eine wichtige medizinische Qualifikationen mit: 2017 amtierte sie als Schirmherrin des homöopathischen Weltärztekongresses in Leipzig.
Ich arbeite als Amtsvormund für minderjährige Flüchtlinge. Nachdem mir auffiel, dass immer mehr meiner Mündel straffällig wurden, entwickelte ich den Plan, den Jugendlichen Informationen zu geben, welche Normen und Werte hier in Deutschland gelten, welche Konsequenzen es für sie hat, wenn sie sich nicht daran halten. Nicht nur im straf-, sondern auch im asylrechtlichen Sinne. Dies wurde von der Amtsleitung abgelehnt, mit Hinweis darauf, dass die Betreuer der Jugendhilfe dies zu tun hätten, weil sie dafür bezahlt werden. Die Teamleitung, die selbst keine Vormundschaften ausübt, die Jugendlichen i.d.R. nicht kennt, schloss sich widerstandslos der Auffassung der Amtsleitung an, ergänzt um die Aussage, dass ein Vormund keinen erzieherischen Auftrag habe. Anzumerken ist, dass der Vormund ausschließlich die Interessen des Mündel zu beachten hat, und die Fachaufsicht darüber, ob die Vormundschaft im Interesse des Jugendlichen ausgeübt wird, hat das Amtsgericht.
Da ich es sehr wohl im Interesse meiner Mündel sah, dass sie um die hiesigen Werte und Gesetze wissen, plante ich trotzdem für die Themen “Umgang mit Mädchen/ Sexualität,” ” Religion” und “Ehre.” Die Teamleitung war empört, als sie mitbekam, dass ich entgegen der mündlichen Anweisung der Amtsleitung (und natürlich ihrer) handelte, mit der Konsequenz, dass ich nur das erste Thema mit den Mündeln bearbeiten konnte, weil mir gegenüber eine Abmahnung ausgesprochen wurde.
Worauf ich letztlich hinaus will, ist, dass auf allen Ebenen viel gequatscht wird von Integration, aber i.d.R. damit Sprache und eigenes Einkommen gemeint ist, und die Verantwortung für die darüber hinausgehende, eigentlich notwendige Vermittlung von Werten, Normen und Traditionen hin- und hergeschoben wird, und dann eben auch an einer Amts- und Teamleitung (erstmal) scheitert. Die Konsequenzen tragen dann Mädchen und Frauen, und die, die vorher nur von Integration geredet haben, entschuldigen das Verhalten der Muslime dann mit mangelnden Kenntnissen. Sowohl das Verhalten der Muslime, aber auch das Verhalten der “Nur Redenden” ist für mich unentschuldbar!
Kippte das Karlsruhe gerade den Numerus Clausus für das Medizinstudium? Nein, sagt Gastautorin Marisa Kurz. Und das ist auch gut so. Sie hat sich das Urteil genauer angesehen
Das Bundesverfassungsgericht hat an diesem Dienstag verkündet, dass die Studienplatzvergabe für Medizin in Teilen verfassungswidrig ist. Bis Ende 2019 müssen Bund und Länder neue Regelungen schaffen.
Das höchste Gericht hatte sich mit der Frage beschäftigt, ob das Grundrecht auf freie Wahl des Berufs und der Ausbildungsstätte durch die strengen Zulassungsbeschränkungen zum Medizinstudium eingeschränkt wird. Geklagt hatten zwei abgelehnter Bewerber; das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen reichte den Fall nach Karlsruhe weiter.