„Erfahrung lehrt, daß es beim Dichten wie beim Pistolenschießen
immer ein wenig die Hand verreißt. Meist nach unten. Man muß
höher zielen, als man treffen will.“
Unentwegt beschwören politische Reden die Zukunft. Beim zweiten Blick zeigt sich, wie stark die ideologischen Trümmer der Vergangenheit unsere Gegenwart bestimmen – vom Kampf gegen die Atomkraft bis zur Berliner Stadtplanung, durch die immer noch Albert Speer spukt
Wenn die letzten drei deutschen Kernkraftwerke vom Netz gehen, gibt es ausgedehnte Feierlichkeiten bei den Grünen, und selbst bei urbanen SPD-Verbänden, die sich von der grünen Partei heute nur noch dadurch unterscheiden, dass sie in Bayern grob die Hälfte von deren Stimmen einfahren.
Skepsis und Wissenschaft gehören zusammen. Das bohrende Fragen findet sich allerdings auch in der christlichen Überlieferung. Ostern bietet eine gute Gelegenheit, um an diese Dialektik zu erinnern
Von dem Physiker Richard Feynman stammt der Satz: „Religion ist eine Kultur des Glaubens, Wissenschaft ist eine Kultur des Zweifels.“ Das stimmt überwiegend. Aber nicht ganz. Eignet sich Zweifel als Thema für den höchsten Feiertag? Ja, durchaus. Skepsis hält in der Wissenschaft jede Erkenntnis im Stadium des Vorläufigen. Aber auch dort, wo es um das Ewige geht, im Christentum, spielt der Zweifel seine notwendige Rolle.
Es findet gerade eine Neudefinition des Progressiven statt: Auf einmal führen wasserlose Klosetts, Fahrradrikschas und Bürgersowjets direkt in die Zukunft. Vielleicht stimmt das sogar. Von Verbesserung ist schließlich nicht die Rede
Kürzlich gab es wieder einen dieser Termine, wie sie sich nur in Berlin ereignen. Es ging um die Präsentation des Fortschritts in seiner neuesten Edition, also genau um das, wofür diese Hauptstadt und ganz grundsätzlich das progressive Milieu steht.
Robert Habeck gehört zu den Politikern, die außerordentlich häufig im deutschen Fernsehen erscheinen. Harte oder sogar bohrende Nachfragen muss er dort praktisch nie befürchten. Bei seinem Ausflug zu dem dänischen Sender DR TV am 28. März 2023 erlebte der Bundeswirtschaftsminister ausnahmsweise eine hartnäckige Journalistin, die sich mit dem Sinn seiner Klimapolitik befasste.
„Man muss das Wahre immer wiederholen,
weil auch der Irrtum um uns immer wieder
gepredigt wird, und zwar nicht von einzelnen,
sondern von der Masse in Zeitungen und
Enzyklopädien, auf Schulen und in
Universitäten, überall ist der Irrtum obenauf,
und es ist ihm wohl und behaglich im Gefühl
der Majorität, die auf seiner Seite ist.“
Wirtschaftsminister Robert Habeck baut seine Karriere auf ein sehr wirksames Prinzip: Die Arbeit tun die anderen. Er konzentriert sich ganz auf die Sinn- und Heilsebene. Damit lässt sich – wie auch andere berühmte Fälle zeigen – vorübergehend viel erreichen
Aller Wahrscheinlichkeit nach kennt kaum jemand im kalifornischen Santa Clara und in Palo Alto den Namen des deutschen Soziologen Helmut Schelsky. Auch nicht in Colombo auf Sri Lanka. Und ob jemand heute in der Führungsetage des Bundeswirtschaftsministeriums die Bücher des 1984 verstorbenen Wissenschaftlers liest – dafür gibt es keine Anhaltspunkte.
„Oben hat sich eine neue Aristokratie breitgemacht,
die aus staatlich geduldeten, quasimonopolistischen
Halbunternehmern, führenden Managern staatsnaher
Betriebe und höheren Staatsbediensteten besteht.
Unten lebt eine umsorgte Klientel Staatsabhängiger,
die längst von einem leistungslosen Grundeinkommen
profitiert, auch wenn es nicht so genannt wird.
Und dazwischen schuftet eine unternehmerisch
erzogene Mittelklasse, die schwindende Gruppe der
Nettosteuerzahler, die ohne alle Privilegien auskommt
und die ihre Werte, Hoffnungen und Lebensträume
gerade schwinden sieht.“
Peter Sloterdijk
Neue Zürcher Zeitung am 09.02.2021
Ein Zeit-Gespräch mit der langjährigen Verfassungsrichterin Susanne Baer gibt rare Einblicke: Es geht um einen Klimabeschluss, Coronaurteile, das Abendessen im Kanzleramt – und ein autoritäres Rechtsverständnis
Selten kommt es vor, dass Verfassungsrichter über Urteile und Beschlüsse reden, die noch nicht lange zurückliegen. Noch dazu, wenn es sich um hochpolitische Verfahren handelt.
Wundergeschichte in der ARD, bizarre Politiker, große Sprünge nach vorn: Die institutionelle Inkompetenz greift von Medien und Politik allmählich auf den Rest der Gesellschaft über. Findet so etwas wie eine Verschwörung der Trottel statt? Eher nicht. Es vollzieht sich eher eine Evolution auf schiefer Ebene
Als die Jury 1981 John Kennedy Tooles Roman “A Confederacy of Dunces”, Deutsch: „Die Verschwörung der Idioten“ mit dem Pulitzerpreis auszeichnete, fehlte der geehrte Autor. Er nahm sich schon 1969 mit 31 Jahren das Leben, weil Simon & Schuster sein Manuskript nicht drucken wollte. Und dann auch lange Jahre niemand sonst.
„Viele Angehörige der politischen Linken sind so verzückt von der
Schönheit ihrer Vision, dass sie die hässliche Realität nicht erkennen,
die sie in der wirklichen Welt schaffen.“
Auf Gunnar Heinsohn traf ein heute veralteter Begriff ganz und gar zu, der des Gelehrten. Heinsohn, geboren 1943 in Gdingen, gestorben am 16. Februar 2023 in Danzig, gehörte zu den scharfsinnigsten deutschen Soziologen, beschränkte sich aber nie auf dieses ohnehin schon sehr weite Feld.
Nachdem viele Berliner nicht so abstimmten wie von den Wohlmeinenden erwartet, stellt das Fortschrittsmilieu das allgemeine Wahlrecht in Frage. Sein Vorschlag ist konsequent: dessen Wunschwelt und eine bürgerliche Ordnung passen einfach nicht zusammen
„Wenn du eine Mitteilung zu einem wichtigen Punkt zu machen
hast, dann versuche nicht, subtil oder clever zu sein. Benutze eine
Dampframme:. Triff den Punkt einmal. Dann komm zurück, und
schlag noch einmal zu. Und dann schlag zum dritten Mal zu —
mit einem enormen Hieb.“
Der Vorwurf, die Hauptstadt-Progressiven wollten ein Bullerbü, geht in die Irre. Ihr Ideal ist weder Dorf noch Metropole, sondern etwas ganz Neues: ein Protzgebiet des ästhetischen Elends. Und zwar als Modell fürs ganze Land