– Publico –
Politik, Gesellschaft & Übergänge

Willkommen in der Deutschen Deppokratischen Republik

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Wundergeschichte in der ARD, bizarre Politiker, große Sprünge nach vorn: Die institutionelle Inkompetenz greift von Medien und Politik allmählich auf den Rest der Gesellschaft über. Findet so etwas wie eine Verschwörung der Trottel statt? Eher nicht. Es vollzieht sich eher eine Evolution auf schiefer Ebene

Von Alexander Wendt / / politik-gesellschaft / 41 min Lesezeit

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Als die Jury 1981 John Kennedy Tooles Roman “A Confederacy of Dunces”, Deutsch: „Die Verschwörung der Idioten“ mit dem Pulitzerpreis auszeichnete, fehlte der geehrte Autor. Er nahm sich schon 1969 mit 31 Jahren das Leben, weil Simon & Schuster sein Manuskript nicht drucken wollte. Und dann auch lange Jahre niemand sonst.

Erst 1980 erbarmte sich ein kleiner Universitätsverlag, dann folgte der Preis, die Übersetzung in 37 Sprachen und die Aufnahme in eine Liste der besten Romane der vergangenen 25 Jahre, veröffentlicht von der „New York Times“ 2003. Wenn es eine Verschwörung gegeben haben sollte, Toole von jedem Ruhm zu Lebzeiten fernzuhalten, dann verlief sie außerordentlich erfolgreich.

Spätestens mit Tooles einzigem Roman, dessen Held Ignatius J. Reilly gegen eine ihm durchweg feindlich gesinnte Umwelt kämpft, kam die Idee in die Welt, dass Verschwörungen nicht unbedingt von überlegenen Geschöpfen ausgehen müssen. Auch Trottel und Unbegabte können zusammen eine erhebliche Macht an sich reißen. Wörtlich übersetzt lautet Tooles Titel „Eine Konföderation der Idioten“; bei einer Konföderation handelt es sich laut Wörterbuch um einen „vertragliche[n] Zusammenschluss selbstständiger Einheiten, um gemeinsam nach außen aufzutreten“.

Mit Tooles Blick und Tonfall fällt es schon etwas leichter, ein aktuelles deutsches Gesellschaftspanorama mit echtem 360 Grad-Winkel zu schreiben. Ohne diesen kleinen Trick, realexistierende Leute wie Romanpersonal zu behandeln, ginge es wahrscheinlich überhaupt nicht.
Bei dem vertraglichen Zusammenschluss selbständiger Einheiten namens ARD – um mit Toole-Touch in die Gegenwart, nach Deutschland und in die Realität zu springen – handelt es sich um ein Medienimperium mit einem Jahresetat von 6,059 Milliarden Euro und damit um den größten und teuersten Senderverbund des Kontinents. Diese Anstalt wiederum produziert mit der Tagesschau eine Nachrichtensendung, die auf mehr Geld und Korrespondenten zurückgreifen kann als die meisten anderen Medien in Europa. Am 26. Februar 2023 veröffentlichte „Deutschlands Nummer 1 für Nachrichten“ beziehungsweise „Bollwerk gegen Fakenews“ (Tagesschau-Eigenwerbung) einen Online-Bericht ihrer Madrid-Korrespondentin Franka Welz über ein Pumpspeicherwerk am Fluss Tâmega in Portugal. Solche Speicherwerke, so Welz, seien entscheidend für den Erfolg der Energiewende. Die Anlage in Portugal, berichtete die ARD-Mitarbeiterin für die Tagesschau, könne den gesamten Großraum Porto mit Strom versorgen. Das Oberbecken des Werks sei in der Lage, 40 Kubikmeter Wasser zu speichern.

Vierzig Kubikmeter entsprechen allerdings eher der Füllmenge eines Swimmingpools in einer portugiesischen Ferienvilla. Eine ganze Reihe von Lesern der Webseite machte die Redaktion darauf aufmerksam; sie änderte dann gegen Mittag die Zahl in 40 000 Kubikmeter. Allerdings stand dann immer noch gleichzeitig in der Bildunterschrift, durch die Pumpturbinen würden pro Sekunde 40 000 Kubikmeter Wasser strömen. Der Text gleich darunter nannte im gleichen Zusammenhang 40 000 Liter pro Sekunde, ein Unterschied um den Faktor tausend.

Wieder meldeten sich Kichererbsenzähler beim Bollwerk Nummer 1 und wiesen darauf hin, dass, falls sich wirklich 40 000 Kubikmeter Wasser hinter der Staumauer befinden würden (denn das stand dort auch immer noch), das Oberbecken dann laut Fotounterzeile entweder in einer oder dem Text zufolge in tausend Sekunden komplett ausgelaufen wäre. Beides passt nicht recht zur Stromversorgung des städtischen Großraums. Im dritten Bearbeitungsschritt setzte dann jemand gegen Abend eine plausible Zahl in den Tagesschau-Text, nämlich 13,7 Millionen Kubikmeter. Die Zahl 40 kommt in der englischen Beschreibung des Pumpspeicherwerks tatsächlich vor, allerdings in einem völlig anderen Zusammenhang: mit der oben gespeicherten Wassermenge können beim Ablaufen 40 Gigawattstunden elektrischer Energie erzeugt werden.

In drei Überarbeitungsschritten über gut zehn Stunden schaffte es die Tagesschau-Redaktion also, mit Hilfe von sehr vielen Zuschauerhinweisen einen nicht besonders anspruchsvollen Text so hinzubiegen, dass er am Ende ungefähr den Beschreibungen der Tâmega-Anlage ähnelte, die anderswo kostenlos im Netz stehen. Wobei dort Preziosen fehlen, die das Tagesschaustück durchaus bietet, etwa der Hinweis: „Das Pumpspeicherkraftwerk ist komplett an Portugals Stromnetz angebunden.“ Hochwertige Informationen dieser Art kann es nie genug geben. Dafür und für inhaltlich verwandte Leistungen zahlen Bürger in Deutschland 18,36 Euro im Monat.

Hörer von Radio Eins kennen die ARD-Berichterstatterin Franka Welz schon als Kommentatorin auf einem ganz anderen Gebiet, das sie ähnlich souverän beackert: naturwissenschaftliche Grundlagen. Nachdem die Biologie-Doktorandin Marie-Luise Vollbrecht an der Humboldt-Universität zunächst daran gehindert worden war, einen Vortrag über den Unterschied zwischen biologischem Geschlecht und Geschlechterrollen zu halten, in dem sie auch darauf hinweisen wollte, dass die Biologie nur zwei Geschlechter kennt, später aber nach längerem Hin und Her doch an der Uni sprechen durfte, ordnete Welz den Vorgang und vor allem Vollbrecht ein: Die betreibe mit ihrer Behauptung von zwei Geschlechtern „wissenschaftlich verbrämte Menschenfeindlichkeit im Laborkittel“.

In ihrem Vortrag widmete sich Vollbrecht vor allem dem Geschlechtswechsel der Zackenbarsche, was höchstens als fischverachtend gelten kann, und einen Laborkittel – der im Wirkungsbereich von Welz offenbar als Synonym für Wissenschaft schlechthin gilt – trug sie dabei auch nicht. Egal ob Pumpspeicherwerk oder Biologieschulstoff, bei der ARD-Mitarbeiterin wirkt wirklich alles wie aus einem Guss.

Im Bollwerk Tagesschau kommen Beiträge wie der von Welz mittlerweile fast im Wochenrhythmus vor. Ende Februar 2023 beschäftigte sich die Faktencheckerabteilung der ARD-Sendung – also gewissermaßen der panic room innerhalb des Bollwerks – mit den Recherchen des US-Reporters Seymour Hersh zur Sprengung von Nord Stream 2.

Hersh behauptete bekanntlich unter Berufung auf eine anonyme Quelle, die Erdgasleitung sei bei einem amerikanisch-norwegischen Seemanöver durch Kampftaucher mit Sprengstoff präpariert und später gesprengt worden. Die Tagesschau-Faktenchecker bemühten sich, ihn zu widerlegen, aber mehr noch, den amerikanischen Journalisten möglichst unglaubwürdig aussehen zu lassen. Vier Absätze verwendete der Autor eines Textes auf der Webseite der Sendung nur auf die Behauptung, Hersh habe in seinem Text von „Sprengstoff in Pflanzenform“ berichtet, der an die Röhren angebracht worden sein sollte. Ein Experte, den der Faktenchecker eigens bemühte, meinte, das sei „sehr unwahrscheinlich“. War es auch – nur anders, als der ARD-Fachmann meinte. Denn die Übersetzungsperle „pflanzenförmiger Sprengstoff“ stammte aus diesem Originalsatz von Hersh:

„That would be well within the range of the divers, who […] would dive […] and plant shaped C4 charges on the four pipelines with concrete protective covers“.
Zu Deutsch: “Es hätte gut in der Reichweite der Taucher gelegen, die tauchten, um Hohlladungen mit C4-Sprengstoff an den Betonschutzröhren der vier Pipelines anzubringen.“

Den Begriff „shaped charges“ – Hohl- oder Schneidladungen, bei denen der von Metall ummantelte Sprengstoff seine Wirkung auf eine kleine Fläche richtet – kannte der Faktenchecker offenbar nicht, schaute aber auch nicht im Wörterbuch nach. Das Verb „to plant“ – anbringen, befestigen – übersetzten die Faktenprüfer mit dem Substantiv „Pflanzen“. Möglicherweise benutzte er dafür das legendäre Wörterbuch „English for Runaways – Englisch für Fortgeschrittene“.

Ihm kam jedenfalls nichts an seiner Übersetzung komisch vor. Etlichen Zuschauern umso mehr; nach ihren Hinweisen änderte die Tagesschau dann ihren Text. Noch ein bisschen früher wärmte die Tagesschau die alte Mär von den 18500 Toten der Fukushima-Kernkraftwerkskatastrophe auf. Bisher unübertroffen, weil auch gar nicht leicht übertreffbar bleibt bis jetzt die Geschichte der Südafrika-ARD-Korrespondentin aus dem Herbst 2022 über den Wunderfernseher des Erfinders Maxwell Chikumbutso, der Strom aus der Luft fischt, damit andere Elektrogeräte betreibt und überhaupt die gesamte Thermodynamik von hinten aufrollt.

Zum Gesamtbild gehört nicht nur, dass einzelne Journalisten ein Pumpspeicherbecken mit dem Fassungsvermögen eines Pools, Plastiksprengstoff in Pflanzenform und einen stromerzeugenden Fernseher für völlig plausibel halten. Sondern auch, dass in einem Senderverbund mit Milliardenbudget und großer Stammbesatzung die Wundergeschichten erst einmal überhaupt keinem auffallen und deshalb stundenlang unkorrigiert auf den Seiten stehenbleiben. Es handelt sich übrigens um kein spezifisches Problem der Tagesschau.

Auch nicht um ein Phänomen, das nur das Fernsehen betreffen würde. Ein bei der Fraktion der Linkspartei angestellter Ökonom vertritt beispielsweise die Ansicht, Ingenieure sollten weniger Fahrzeuge entwerfen, die sich weltweit verkaufen, sondern stattdessen lieber die heimische Energiewende wuppen.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer meinte vor einiger Zeit, das Geld, das der Staat ausgibt, müsse nicht unbedingt erarbeitet werden; die Regierung könnte sich auch problemlos direkt bei der Zentralbank verschulden, also Geld einfach ohne Risiken und Nebenwirkungen drucken.Denn ein Staat, so die Abgeordnete, könne „in seiner eigenen Währung gar nicht pleitegehen“.

Was unter anderem die Frage aufwirft, in welchen Währungen alle bisherigen Staatspleiten der Geschichte stattgefunden hatten. Eine andere grüne Bundestagsabgeordnete schlägt vor, Deutschland, aber irgendwie auch ganz Europa oder der Norden sollte nicht näher definierte Klimaflüchtlinge mit Booten ab- und zu sich holen, wobei als Klimaflüchtling bei ihr mehr oder weniger jeder gilt, der im_ globalen Süden_ lebt. Bei ihrem kleinen Vortrag auf einem Forum der Zeit gibt sie auch noch mitten in ihrem Monolog eine kleine Gesangseinlage.

Sehr viele Beobachter des einen oder anderen Phänomens – nicht aber immer des gesamten Musters – neigen dazu, sich über die Beispiele zu amüsieren, sie für bizarre Erscheinungen zu halten, die sie für sich genommen zweifellos darstellen, aber auch in Verbindung mit dem Begriff «Borderline», der sich hier aufdrängt, den Schluss zu ziehen, so etwas betreffe nur den äußersten Rand der Gesellschaft. Darin irren sie sich grundsätzlich. Denn es handelt sich eben nicht um zwei oder drei Fälle von Mitarbeitern, die sich anschließend nach einer anderen Arbeit umsehen können. Die oben zitierten Medienschaffenden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks prägen das gesellschaftliche Klima so stark mit, wie es Redakteuren in einer Institution mit acht Milliarden Euro Jahresbudget – so viel erhalten alle Anstalten insgesamt – eben möglich ist. Verfechter der «New Monetary Theory», die beschwören, dass der Staat sich sein Geld ohne Folgen für Wirtschaft, Währung und Sparer unbegrenzt selbst drucken kann, besitzen mittlerweile einen großen Einfluss in Medien und der Politikberatung.

Manche Regierungspolitiker, siehe oben, gehören dieser innerweltlichen Religion schon mit Haut und Haaren an. Die oben erwähnte Jamila Schäfer gehört auch wirklich nicht zum lunatic fringe, zum gesellschaftlichen Rand. Die junge Frau, Jahrgang 1993, verkörpert eher ein modernes Rollenmodell. In ihrer Biografie finden sich ein abgebrochenes Jurastudium und ein nie beendetes Studium der Soziologie und Philosophie; außerdem keinerlei praktische Berufserfahrungen, dafür aber eine bemerkenswerte Abgeordnetenkarriere. Sie gehört dem Haushaltsausschuss des Bundestages an, weiterhin sitzt sie dem Bundesfinanzierungsgremium vor, mit dem das Parlament die Schuldenstruktur Deutschlands überwacht. Politikberater und Abgeordnete beschließen Gesetze, sie bewegen Euromilliarden, die sich in Staatshand befinden, kurzum, sie üben reale Macht aus.

Nirgendwo steht geschrieben, dass jemand eine elementare Bildung, die Fähigkeit zur Überschlagsrechnung und einen dreistelligen IQ braucht, um an den entscheidenden Positionen von Medien und Politik mitzumischen. Zum anderen gilt es als gut gesicherte Erkenntnis der Psychologie, dass ähnliche Phänotypen dazu neigen, einander zu fördern, zu stützen und alle von ihren Kreisen fernzuhalten, die ihre Stellung gefährden könnten.

Größere Änderungen in der Gesellschaft beginnen immer auf dem Feld der Quantität, die an einem bestimmten Punkt in Qualität umschlägt. So sehr unterscheidet sich die schon realexistierende obergrenzenlose Wir-haben-Platz-Migrationspolitik bei gleichzeitigem Rauswurf von Mietern in Lörrach und Senioren in Berlin zugunsten von Neuankömmlingen nicht von den Vorstellungen der oben zitierten Grünenpolitikerin mit Gesangsteil im Vortrag. Und die offizielle Energiepolitik („angebotsorientierte Energieversorgung“, so die grüne Fachpolitikerin Sylvia Kotting-Uhl) spielt sich nicht allzu weit entfernt von der Logik ab, wonach die Energiewende sich wuppen lasse, sofern alle Ingenieure endlich einer gesellschaftlich nützlichen Tätigkeit zugeführt werden.

Nirgends vollzieht sich der Übergang von Theoriepapieren ins Politikexperiment so flott wie in der Musterstadt Berlin. Am 26. März steht dort ein Volksentscheid an, dessen Initiatoren es sich zum Ziel setzen, die Stadt bis 2030 „klimaneutral“ zu machen, was bedeuten würde, dass die CO2-Emissionen um 95 Prozent sinken müssten. Berlins Energieversorgung speist sich derzeit zu 90 Prozent aus fossilen Quellen. Für die Befürworter des Volksentscheids stellt das keine Hürde dar. Brandenburg müsste ein paar mehr Windräder installieren, außerdem sollen innerhalb von sieben Jahren alle Hausdächer der Stadt und auch die Radwege mit Solarmodulen bepflastert sowie sämtliche Häuser inklusive der Altbauten gedämmt werden. Auf den Hinweis, dass es die Handwerker dafür gar nicht gibt, entgegnen die Aktivisten, auch das sei kein Problem, das Hausdämmen ließe sich in zwei Wochen lernen. In der Stadt gebe es sogar eine Firma, die Dämmmaterial aus alten Zeitungen herstelle. Die Frage, ob die in vielen Cafés ausliegenden Tagesspiegelexemplare tatsächlich für alle Fassaden ausreichen, lassen die Klimaneutralmacher offen.

Überhaupt scheint es in ihren Kreisen ein Problem zu geben, Proportionen realistisch abzuschätzen; das wiederum verbindet sie mit der ARD-Korrespondentin aus Madrid. Um die 95-Prozent-Reduktion zu erreichen, müsste natürlich der Autoverkehr auf das Elektroautosegment geschrumpft werden. In dem ganzen Vorhaben steckt ungefähr so viel Realitätssinn wie in Maos Großem Sprung nach vorn, mit dem Unterschied, dass der zwischen 1958 und ’61 stattfand, die Kampagne zur großen Transformation Berlins aber in der Gegenwart. Wahrscheinlich erreicht der Volksentscheid eine Mehrheit. Die grüne Spitzenpolitikerin Bettina Jarasch unterstützt ihn mittlerweile, nachdem sie ihn erst als realitätsfern abgelehnt hatte, und sie befürwortet ihn mit dem Argument, die Politik brauche eben Druck. Durch ihre Rhetorik schimmert immer noch ganz leicht, dass sie dieses Vorhaben als völlig gaga erkennt, aber glaubt, irgendwie politisch profitieren zu können. Auch die Berichterstattungen der wohlgesinnten Medien, hier am Beispiel des ZDF, lassen sich nur schwer vom Werbematerial der Initiatoren unterscheiden. Kommt der Volksentscheid durch, dann gäbe es ein zusätzliches Gebiet, auf dem eifernde Anhänger einer Wirrlehre Berufspolitiker und damit die gesamte Gesellschaft so erfolgreich vor sich hertreiben wie jetzt schon die Sekte „Letzte Generation“. Als Bezeichnung für die Gesellschaftsordnung bietet sich am ehesten Deppokratie an. Also ein Zustand, in dem Leute, die nicht rechnen, nicht systematisch denken, nicht sinnvoll planen und dazu allerlei anderes nicht können, die überwiegend steuer- oder gebührenfinanziert leben und grundsätzlich nie Verantwortung für die Konsequenzen ihrer Forderungen übernehmen, dem gesamten Land den Takt vorgeben.

Es gibt neben „Die Verschwörung der Idioten“ noch einen anderen Roman, der sich als Begleitlektüre für die Gegenwart eignet: Rob Grants „Incompetence“, 2003 erschienen und leider nie ins Deutsche übersetzt. Grant entwirft eine nicht allzu ferne Zukunft in den Vereinigten Staaten von Europa, in denen qua Gesetz keinem der Zugang zu einem Beruf aufgrund von Alter, Rasse, Glaube oder Inkompetenz verweigert werden darf (“where no-one can be prejudiced from employment for reason of age, race, creed or incompetence”). Für den Ermittler Harry Salt, der einen Mordfall aufklären will, ergeben sich daraus Alltagsprobleme, die schon mit dem Reisen beginnen. Denn kaum ein Flugzeug kommt an, wie es soll, Gepäck verschwindet, im Hotel fehlt das Bett, und es gibt niemanden, der auf Beschwerden reagiert. „Der Flug war unspektakulär“, beginnt der Roman, „abgesehen von der Tatsache, dass der Pilot auf dem geringfügig falschen Airport aufsetzte und vergaß, das Fahrwerk auszuklappen, also verließen wir die Maschine über die Notrutsche, und ich verlor meine Schuhe.“ Das stellt ein ernsthaftes Problem dar, denn in Grants Vereinigten Staaten von Europa sind nicht nur Inkompetentendiskriminierung, das Rauchen und unstatthafte sexuelle Annäherung verboten, sondern auch lederne Fußbekleidung. Der Detektiv muss sich fortan mit einem frisch angeschafften veganen Ersatzpaar auf den Weg machen, das, wie es heißt, „aus Karottenleder und Pappe“ besteht.

In unserer Gegenwart funktionieren zwar die meisten Medien und die Berufspolitik schlecht, auch viele Schulen, Mobiltelefon- und Bahnverbindungen. Aber außerhalb der zentralen Stadtbezirke, in denen die Progressivsten der Progressiven eine Berlindämmung mit alten Zeitungen planen und sich über stromerzeugende Fernseher nicht wundern, existiert durchaus noch ein Kompetenzbereich. Klempner kommen und beseitigen oft in kundiger Weise eine Toilettenverstopfung, Bäcker backen Brot, Energiewerker sorgen dafür, dass die Kraftwerke laufen. Die Frage lautet also: Was passiert, wenn sich die Zustände im Zentrum ölfleckartig über die gesamte Gesellschaft ausdehnen wie in Grants Roman? Diese Entwicklung zeichnet sich zumindest ab. Laut IQB-Bildungstrend verfehlen in Bremen 31 und in Berlin 35 Prozent der Viertklässler die Mindeststandards im Lesen. Die Versagerquote beim Rechnen fällt sehr ähnlich aus. Und die Mindeststandards liegen, wie der Begriff schon andeutet, ohnehin schon sehr tief. Wer sie nicht erreicht, kann faktisch weder richtig lesen noch addieren und subtrahieren. Die Chance, dass diese Schüler später lernen, was sie in den ersten vier Jahren nicht schafften, steht leider nicht gut.

In der internationalen Vergleichsuntersuchung TIMSS für mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenz belegte Deutschland 2007 Rang 12. Im Jahr 2019 reichte es noch für Platz 28. Unter den deutschen Wohlgesinnten gelten Amerikaner außerhalb der Universitäten als dicke dumpfe Stiernacken, also als Figuren wie aus einer Claas-Relotius-Reportage. Im letzten TIMSS-Ranking landete Deutschland hinter den USA. Übrigens auch hinter Russland und der Türkei –und nur noch knapp über dem EU-Durchschnitt. Die ersten Ränge besetzen seit Jahren uneinholbar ostasiatische Länder. Ein Freund, der aus Ostasien stammt, erzählte dem Autor kürzlich, dass in der IT-Abteilung des Münchner Unternehmens, für das er arbeitet, viele Mitarbeiter sitzen, die aus Fernost kommen, in der Mathematikabteilung (es geht um Versicherungen) sogar überwiegend. Es dringt nicht viel davon nach draußen. Aber in anderen Unternehmen sieht es ähnlich aus. Ohne importierte Kompetenz würden die Deutschen ihren Alltag schon heute sehr viel anders erleben, nämlich „spannender, auch herausfordernder“ (Sylvia Kotting-Uhl). Der Freund wollte es auch kaum glauben, dass kürzlich ein Bagger, der eine Leitung kappte, den gesamten Frankfurter Flughafen lahmlegen konnte. Seine Frage lautete: „Gibt‘s da keine Redundanz?“ Offenbar nicht. Die kritische Infrastruktur der Bundesrepublik lässt sich wahrscheinlich schon heute durch ein paar entschlossene Saboteure viel leichter aus den Latschen kippen, als man beim FSB meint. In den Medien, besonders in den öffentlich-rechtlichen spielen diese Entwicklungen kaum eine Rolle. In der professionellen Politik bestenfalls punktuell. Das verwundert auch nicht. Wer sich selbst auf abschüssigem Gelände bewegt, dem fällt kaum auf, dass rechts und links von ihm noch vieles andere abwärts rollt.

Der in Ostasien geborene Freund erzählte auch noch von einer aus China stammenden Arbeitskollegin, die von einer der stark ostasiatisch bestimmten Abteilungen wieder in einen Bereich mit überwiegend einheimischen Sachbearbeitern wechselte. Sie kommentierte das mit dem Satz: „Jetzt arbeite ich wieder bei den Dummen.“ Mit der chinesischen Höflichkeit ist es manchmal gar nicht so weit her. Ihren anderen Kollegen würde sie das natürlich nie so sagen.
Das ist betrüblich. Fast alles, was gut funktioniert, brauchte eine lange Zeit, um sich herauszubilden. Es lässt sich aber im Handumdrehen ruinieren. Und eigentlich braucht es gar nicht so viele Abrissarbeiten. Es genügt schon, wenn sich irgendwann nur noch sehr wenige um den Erhalt komplexer Systeme kümmern. Die heraufdämmernde Deutsche Deppokratische Republik erfüllt diese Voraussetzungen wahrscheinlich tadellos.
In der Büchse der Pandora lag die Hoffnung bekanntlich ganz unten. Auf der letzten Seite der „Verschwörung der Idioten“ heißt es über den Helden, der viele Wirren durchstehen musste: „Der neue Zyklus würde ganz anders sein als alles, was er bisher erlebt hatte.“

29 Kommentare
  • Majestyk
    4. März, 2023

    Wenn man Deutschland mit Japan vergleicht, beides Industrienationen, beide Weltkriegsverlierer, beide nur bedingt souverän und in diese korrupte regelbasierte internationale Ordnung eingebunden, dann wird deutlich, die Verdummung hat ein Geschlecht.

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    • Rudolf Wedekind
      5. März, 2023

      Ja, so wie ’33 die Verdummung auch ein Leitgeschlecht hatte, aber ein großer Teil des anderen Geschlecht sich anpasste, ist es auch heute. Das haben schon die Merkelianer gezeigt.

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    • Gerald Gründler
      5. März, 2023

      Niveauverluste sind möglicherweise nicht der Zweck von Quoten. Aber unweigerlich das Resultat, weil Geschlecht, Hautfarbe oder Herkunft eben keine Leistung markieren.

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      • Majestyk
        6. März, 2023

        @ Gerald Gründler:

        Der Zweck der Quoten könnte auch das Ergebnis von Opportunismus sein. Die Ursache ist aber eindeutig und die liegt im Feminismus, jene Ideiologie, die jetzt schon ganze Generationen indoktriniert hat, Familien entwurtzelt und breite Schichten vaterlos hat werden lassen. Nahezu jeder ignoriert das lieber, aber der Schaden den der Feminismus in Deutschland angerichtet hat übertrifft die Kriegsfolgen. Neben dem Zustrom von Fremden hat nichts Deutschland mehr verändert. Die einen nennen dies Gestaltung, ich sage, das sind gesellschaftliche Waffen und das Ergebnis ist eindeutig, die Häuser stehen zwar noch, aber Deutschland ist eine Trümmerwüste.

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  • Dr. Bernd Ramm
    4. März, 2023

    Bereits Cicero hatte den Übergang von der Demokratie zur Ochlokratie, also der Pöbelherrschaft, beschrieben. Dessen Pöbelherrschaft liegt nah bei der Deppokratie

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  • Horst-Dieter Schulz
    4. März, 2023

    Eine Außenministerin, die das Stromnetz für speicherfähig hält, Kobolde in Batterien vermutet und Putin zu einer 360-Grad-Wende auffordert, passt schon mal hervorragend in die Deppokratie.

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  • Werner Bläser
    4. März, 2023

    Schliesst sich wunderbar an an «Fake Nuss Spezial – von 18500 Fukushima-Toten…», Rubrik ‘Medien und Kritik’, wobei ich hier (ich will gar nicht erst Bescheidenheit vortäuschen) vielleicht auch auf meinen Kommentar dazu verweisen darf. Gehört irgendwie zusammen.
    – Die Vertrottelung war zu erwarten, wenn man in der Schulpolitik etwas zurückblickt. Die meisten werden zu jung sein, um sich daran zu erinnern, aber es gab in den 80iger Jahren die Diskussionen, was ist im deutschen Bildungswesen wichtiger, Fachwissen oder «soziale Kompetenzen»?
    Und die Diskussion damals erinnert wirklich an den Zustand, wie er in einem der oben erwähnten Romane beschrieben wird: das Überbetonen von «Fachidiotie» (einer der Lieblingsausdrücke von Ignoranten) versperre manchen Kindern den Zugang zum höheren Bildungswesen, sei damit asozial und undemokratisch. Mit anderen Worten: Inkompetenz dürfe nicht karrierehindernd sein.
    Abgesehen davon, dass man damit pauschal Arbeiterkindern unterstellte, sie könnten sich unter normalen Umständen im Bildungswesen schwer zurechtfinden – die Dreistigkeit, mit der so die Bedeutung von Kompetenz kleingeredet wurde, war erschreckend.
    Es müssten, so die linken Pädagogik-Erneuerer, die Barrieren für die höheren Bildungseinrichtungen gesenkt werden.
    – Das geschah auch. Mein damaliger Chef an der Uni. meinte, man könne den Bildungsniedergang in dramatischer Form mitverfolgen: «Von Semester zu Semester wird das ‘Material’ (damit meinte er Studenten) schlechter.»
    Bis die meisten nicht mehr in der Lage waren, Seminararbeiten in einigermaßen korrektem Deutsch abzuliefern. Die Studenten begannen, über angebliche Arbeitsüberlastung zu klagen, obwohl ich ihnen in Seminaren nur etwa die Hälfte der Literatur zu lesen aufgab, die bei unserer Studentengeneration vorher als normal gegolten hatte.
    Dafür wurden sie bei den Noten anspruchsvoller. Eine «3» wurde höchstens noch zähneknirschend akzeptiert, eher wurde sich beschwert. Ein Kollege riet mir «gib den Trotteln doch eine gute Note, dann sind die zufrieden, und Du hast Deine Ruhe; aus denen wird doch sowieso nichts.»
    In letzterem Punkt irrte er sich.
    Er übersah, dass «Haltung» – damals nannte man es noch nicht so – an die Stelle von Kompetenz und Fleiß trat. Mit jedem Jahr etwas mehr. Ideologie ersetzte Wissen. Und wenn einmal inkompetente Ideologen an den Schaltstellen sitzen, dann ziehen sie andere inkompetente Ideologen nach oben.
    Fachleute stören da nur (Northcote C. Parkinson: Jeder Angestellte wünscht, die Zahl seiner Untergebenen, nicht jedoch die Zahl seiner Rivalen zu vergrössern.)
    Das Endergebnis dieser langen Entwicklung sehen wir jetzt.

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    • Dr. habil. Wolf Manuel Schröter
      5. März, 2023

      Sie sprechen mir aus Herz und Seele; seit langem (und nicht erst in der Bundesrepublik, auch gegen Ende der DDR) ist ein schleichender Prozess der Inkompetenz-Zunahme im Gange. Dieser Prozess hat in den letzten Jahren an Geschwindigkeit gewonnen, wie man an vielen Äußerungen und Taten (sofern die betreffenden Personen die Möglichkeit haben bzw. hatten, tätig zu werden) insbesondere der «nachwachsenden Generationen» erkennen muss (wenn man das will bzw. kann).
      Es gibt keinen Ausweg, ich bin auf Grund meiner Erfahrungen und Beobachtungen zutiefst pessimistisch. Das Schlimme ist, dass diejenigen, die Kompetenz nachweisen können, in vielen Fällen von den (bitte um Entschuldigung) Blitzdoofen vor sich her getrieben werden und das auch zulassen.

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      • Werner Bläser
        5. März, 2023

        Ich war sehr pessimistisch, mittlerweile bin ich es weniger. Schauen Sie, ein Land zu führen oder zu organisieren, ist wie Autofahren: Wenn man es nicht kann und trotzdem tut, fährt man es früher oder später gegen die Wand. Wenn ich sehe, was die Grünen gerade industriepolitisch veranstalten, bin ich zuversichtlich, dass es eher früher sein wird. Sehr viel früher sogar. Habecks und Scholz’ Politik hat ja fast schon venezolanische Züge angenommen.
        Was ist gut daran? Ganz einfach: Jeder – fast bis zum letzten naiven Gläubigen – sieht dann an seinem eigenen Geldbeutel, wie unfähig der Fahrer ist und wählt ihn ab.
        Der Nachfolger muss dann die Trümmer wegräumen, aber wir waren 1945 schon viel schlimmer dran.
        Sollte ich mich irren: Deutschland ist nicht das einzige schöne Land in Europa. In Italien und in Spanien ist es wärmer und das Essen ist sowieso besser. Und auch in der Schweiz, wo ich lebe, ist es alles andere als unerträglich.

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        • Majestyk
          6. März, 2023

          @ Werner Bläser:

          Nach 1945 waren die Häuser kaputt, jetzt sind es die Menschen. Was soll man aufräumen und mit wem?

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        • Thomas
          8. März, 2023

          Mit Verlaub

          «In Italien und in Spanien ist es wärmer und das Essen ist sowieso besser. »

          Aber nein.
          Für ein Schäufele oder Roulladen lasse ich jede Paella und jede Pizza stehen. Wenns sein muss, dann ziehe ich mich eben warm an. Das bin ich längst gewöhnt. Bin ja schließlich hier zu Hause.

          Mit freundlichen Grüßen
          Thomas

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  • Eddie Spaghetti
    4. März, 2023

    Sehr guter Text. Ich wünschte, ich könnte über die Entwicklung lachen.

    (BTW: Für den – zugegebenermaßen nicht hochwahrscheinlichen – Fall, dass Sie von Frau Welz’ Radio1-Schaffen durch meinen Twitterhinweis erfuhren, wäre dort ein Zeichen der freundlichen Kenntnisnahme nett gewesen.)

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  • A. Iehsenhain
    4. März, 2023

    Angenommen, die «Deutsche Deppokratie» basiert schon zu einem großen Teil auf KI und im hiesigen Fall würde KI «Künstliche Idiotie» bedeuten, dann bestünde ja vielleicht noch Hoffnung. Sollte sich allerdings herauskristallisieren, dass die «KI» für «Künstliche Intelligenz» gar nicht die Fähigkeit besitzt, sich zu verselbständigen, sondern das Pendant gleichen Kürzels, sähe es freilich trüber aus…

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    • Materonow
      7. März, 2023

      @ A. Iehsenhain:
      Die «Deutsche Deppokratie» basiert hauptsächlich auf der natürlichen Idiotie junger, bunter Frauen aus dem Grün-Sektor… leider, leider äffen das schon fast alle im Bt mit unterschiedlicher Intensität nach! Einmal im Gang verbreitet sich das wie ein Lauffeuer und irgendwann hält jeder die «deutsche Deppokratie» für normal.

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  • Dr. Wolfgang Hintze
    4. März, 2023

    Großartig ! Vielen Dank, Herr Wendt. Aber verflucht traurig …

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  • Gerhard Lenz
    5. März, 2023

    Der politisch gewollte Weg in die Tatsachen- und Problemblindheit wurde erstmals in einem von der ARD gefeierten 60-Minuten-Soloauftritt Angela Merkel bei Anne Will am 7. Oktober 2015 deutlich: Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise lehnte die damalige Bundeskanzlerin einen Aufnahmestopp kategorisch ab. Die Überwachung von 3000 Kilometer Staatsgrenze «etwa durch einen Zaun» sei nicht möglich. Bei der Frage nach Zahlen zur Zuwanderung verwies sie auf unterschiedliche Zählweisen. Sie selbst wolle sich an der Diskussionen über Statistiken nicht beteiligen. Es seien «sehr, sehr viele , aber das ist auch egal». Es gehe um das Ansehen Deutschlands in der Welt.

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  • Michael Faust
    5. März, 2023

    Sehr bedenklich das Ganze, und es wird uns und unser Land in eine schlimme Zeit führen. Wenn man sich die letzten Jahrzehnte anschaut und feststellt, dass die Bildung lange schon zunehmend vernachlässigt, Forschung und Wissenschaft nicht gefördert, sondern vergrämt, der Mittelstand immer weiter behindert wurde, kann man doch gar nicht anders, als zu konstatieren, dass das Ganze nicht schicksalshaft zufällig über uns hereinbricht, sondern systematisch planvoll.

    Nehmen zum wir Beispiel den immer größeren Blödsinn, der in der ehemals einigermassen verläßlich berichtenden ARD dem Publikum zugemutet wird:

    Einer Gesellschaft, die nichts mehr weiß, weil sie nichts mehr gelernt hat, kann man auf diese Weise jede noch so problematische Entwicklung schönreden. So, dass man mit der medialen Dominanz der Einheitsmedien ungehindert das zerstörerische Werk fortführen kann, ohne großflächig auf Widerstand zu stossen. Die ständigen Unsinnsmeldungen, die dann im Nachhinein korrigiert werden müssen, tragen gezielt zur weiteren Volksverdummung bei. Die ursprüngliche Meldung erreicht viele, die Korrektur wird von den meisten aber nicht mehr wahrgenommen, weil für diese das Thema abgehakt ist.

    Eine Lösung, wie man dieser Übermacht entgegentreten könnte, um die Katastrophe, auf die wir sehenden Auges zusteuern, abzuwenden, habe ich nicht. Einen kleinen gutgemeinten Rat vielleicht: Zieht euch warm an, es kommen schwere Zeiten!

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  • Albert Schultheis
    5. März, 2023

    Das Dilemma mit der Deppokratie, werter Herr Wendt, ist m.E. noch viel größer, als von Ihnen sehr trefflich und erschütternd beschrieben: denn sie entwickelt sich regelmäßig in eine Deppokratur! In die skrupellose Übernahme der Macht durch die von ihrer eigenen moralischen und geistigen Überlegenheit überzeugten dümmlichen Schein-Elite. Denn es ist die schiere Dummheit die diese Schein-Eliten dazu legitimiert, andere Menschen abzukanzeln, die ihnen sowohl in naturwissenschaftlich- technischen als auch in philosophisch-ethischen Wissensgebieten haushoch überlegen sind. Wir haben das während des Corona-Regimes erlebt, als bezahlte, großmäulige «Faktenchecker» anerkannte Naturwissenschaftler herunterputzten, als wären sie Lehrlinge. Schlimmer noch: diese in aller Regel «einfach gestrickten», aber durch ein überdimensioniertes Ego aufgeblasenen Angeber schrecken selten davor zurück, ihre fachlich und ethisch überragenden Mitmenschen zu demütigen, sie bloßzustellen, zu misshandeln und ihnen physische Gewalt anzutun, gerade weil deren berühmte «Gedankens Blässe» sich sehr häufig mit einem ausgeprägten Selbst-Zweifel paart, der die unabdingbare Voraussetzung für ernsthafte Natur- und Geisteswissenschaft darstellt. Dieser äußert sich in Bescheidenheit und Anstand – zwei Ingredienzien, die den geistig Überragenden gegenüber dem narzisstischen Rüpel wehrlos erscheinen lassen – zumal in den Augen der umherstehenden Speichellecker und dümmlichen Opportunisten. Wehe den Weißen Elefanten, wenn sie vor den Narzissten keine starken und klugen Hüter haben!

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  • Tino Kluge
    6. März, 2023

    Interessanter Artikel, welchem ich in vielen Punkten aus eigener Beobachtung zustimmen kann.
    Allerdings sollte auch der Autor sich nur zu Fachgebieten äußern, wo er genug recherchiert oder fachliche Kompetenz erlangt hat. So ist die retorische Frage in welcher Währung ein Staat Pleite gehen kann, nicht von der Eigenwahrung, sondern von der Verschuldung in Fremdwährung abhängig. Die MMT versucht die Zusammenhänge von Geld und Wirtschaft empirisch erklären und stellt in meinen Augen einen Fortschritt zu anderen bisherigen Betrachtungen dieser Problematik dar. Dabei wird dem Dogma der Staatsverschuldung genauso auf dem Grund gegangen, wie Knappheit von Finanzmitteln und daraus abgeleiteten Schuldenbremsen.
    Geld ist das Schmiermittel der Wirtschaft, kapp können in unserem Kreditgeldsystem nur die Produktionsfaktoren z.B. menschliche Arbeitskraft (physisch und psychisch) und natürliche Ressourcen werden.

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    • Werner Bläser
      6. März, 2023

      Leider ist das erkennbar unrealistisch. Jedes Gut, dass im Überfluss vorhanden ist, verliert sukzessive seinen relativen Wert als Zahlungsmittel. Das mussten schon die alten Römer mit ihrer Münz-Entwertung feststellen. Und daran kommt auch die Modern Monetary Theory nicht vorbei. Wieso bekam Deutschland denn Probleme bei der Gelddruckerei um 1923 herum, wenn das Gelddrucken so unproblematisch ist?
      Wirtschaften per Gelddrucker funktioniert höchstens bei sehr selten vorhandenen eng umgrenzten Bedingungen, die für die meisten Länder nicht gegeben sind. –
      Richtig ist, dass der Grad der Aussenverschuldung wichtig für die Bonität eines Landes ist und damit für seine Fähigkeit, Bonds zu günstigen Bedingungen zu begeben. Deshalb hat Japan eine noch einigermassen hohe Bonität (A+ bei Standard and Poor’s), obwohl es bis über sämtliche Ohren verschuldet ist (fast 240% des BIP) – allerdings bei den eigenen Bürgern. Hier böte sich im Notfall ‘financial repression’ immer noch als Ausweg an.
      In dieser Lage sind aber nicht viele Staaten.

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      • Tino Kluge
        8. März, 2023

        Weil ich denke, dass dies hier nicht der richtige Ort ist sich ausgiebig über die MMT auszutauschen, möchte ich auf einen Beitrag von Deutschlandfunkkultur mit dem deutschen Wirtschaftswissenschaftler Dirk Ehnts verweisen.
        Eine Kernaussage darin ist: „Deswegen ist es so wichtig, dass man das versteht, dass der Staat keine schwäbische Hausfrau ist.“
        «Die schwäbische Hausfrau muss ihr Geld nämlich erst einmal verdienen oder sparen, bevor sie sich etwas kaufen kann. Sie kann – so heißt es – nur das ausgeben, was sie hat. Anders als der Staat. Er schöpft das Geld und kann es ausgeben, ohne vorher zu sparen oder Geld zum Beispiel von Steuerzahlern einzunehmen. Das müsse Deutschland, das müsse die Euro-Zone schnellstens verstehen, warnt Ehnts.»

        https://www.deutschlandfunkkultur.de/modern-monetary-theory-schulden-100.html

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        • Werner Bläser
          11. März, 2023

          Ich kenne solche Aussagen. Die Anzahl an Staaten, die genau an so etwas geglaubt (oder entsprechend gehandelt) haben und pleite gegangen sind, ist ein beredtes Beispiel dafür, dass dies schlichtweg Blödsinn ist. Ich möchte jetzt nicht aufzählen. Wenn das wahr wäre, was der «Wissenschaftler» Ehnts verzapft, könnten wir beruhigt alle zu arbeiten aufhören, und der Staat, der ja nicht bankrott gehen kann, zahlt uns ein gutes Leben. Steuern müssten wir dann auch nicht mehr blechen. Der Staat hat ja die Geldpresse…

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  • pantau
    6. März, 2023

    Ich lese diesen Text vor allem als Anregung, sich nicht unterkriegen zu lassen wie es jenem Autor passiert ist, den man für die in Romanform überbrachten schlechten Nachrichten abstrafte. Ich nehme an mir ebenfalls diese Perspektivendrift wahr, alles romanförmig wahrzunehmen, und es ist ein Segen, man behält die Fassung. Ohne die Kunst (also dieses Unbestimmbare aus Humor, Weisheit und Form) wäre ich schon längst weg. Danke auch für die Literaturtips, Herr Wendt.

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  • Materonow
    7. März, 2023

    Bei solch quietschdämlicher Schwatzhaftigkeit junger, bunter Frauen bleibt einem nur noch die Spucke weg!!!

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  • Majestyk
    8. März, 2023

    Im Grunde rächen sich gerade alle Lebenslügen. Vom ersten Weltkrieg angefangen über den Kommunismus und seine Funktion, dessen angeblichen Untergang, die regelbasierte internationale Ordnung, das kreditbasierte Finanzsystem, den angeblichen Rassismus der Weißen und der angeblichen Benachteligung von Frauen, die es so niemals gab. Bis hin zu den Legenden von Demokratie, Marktwirtschaft und Rechtsstaat.

    Da man aber nun wirklich jeden halbwegs rational denkenden Menschen als rechts gebrandmarkt hat und nur noch die Irren und Realitätsverweigerer in Führungsfunktionen wählte und beförderte, darf sich aber auch keiner wundern, wenn man in einem Irrenhaus lebt, seitdem die Irren die Leitung übernommen haben.

    Aus meiner Sicht sind wirklich alle linken Ideen und Theorien das Resultat einer verzerrten Wahrnehmung der Welt und einer wie auch immer gearteten psychischen Störung. Sonst kommt man nicht auf die Idee, Rasse oder Geschlecht sei eine Konstruktion, Sozialismus würde funktionieren oder eine femistische Gesellschaft sei human.

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  • Thomas
    8. März, 2023

    Kichererbsenzähler

    Herzlichen Dank für diesen herausragenden Text.

    Die institutionelle Inkompetenz greift von Medien und Politik allmählich auf den Rest der Gesellschaft über.

    Ja.
    Wer den Eurorettung kritisiert, ist Antieuropäer, wer die Grünen-Bewegung ablehnt, ist Verfassungsfeind, wen das Kopftuch stört, der ist Islamfeind, wer Greta kritisiert, der ist Klimaleugner und wer den „Piks“ verweigert, der ist Coronaleugner. So einfach kann eine Welt sein. Bullerbü.

    Die Lage unter der Herrschaft von „Kinder an der Macht“ ist für Erwachsene manchmal etwas schwierig. Da kann schon ein ungeliebtes „Like“ zum Problem werden. Weil heute nicht mehr die Worte eines Menschen zählen („Lippenbekenntnis“),
    https://zeitung.faz.net/faz/medien/2023-02-23/6c8478e18197ea6f82fc917c30cd5881/?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
    sondern das Lager. Stichwort: Kontaktschuld.

    Heute treiben mehr als 30 sogenannte Faktenchecker-Organisationen in der Europäischen Union ihr Unwesen. In Deutschland tun insbesondere die „Faktenfinder“ der öffentlich-rechtlichen Medien, der Deutschen Presse-Agentur und des angeblich gemeinnützigen Recherche-Netzwerkes Correctiv so, als seien sie an Fakten interessiert. Finanziert wird das entweder durch die Rundfunk-Zwangsabgabe, den Steuerzahler oder – wie im Falle von Correctiv – durch Spenden. Wobei da Geldgebern wie der Bundeszentrale für politische Bildung, die Open Society Foundations des US-Multimilliardärs George Soros, Google sowie der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen auf den Plan treten.
    https://paz.de/artikel/immer-schoen-bei-der-wahrheit-bleiben-a8449.html

    Das Verschweigen von Mißständen, das Ausblenden von Ungeheuerlichkeiten oder deren Relativierung (wenn es gar nicht mehr anders geht) gehört heute zum Geschäft eines gut bezahlten Journalisten der hellen Sorte.
    https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2023/die-gekaufte-vierte-gewalt/
    Das Prinzip lautet: „Wenn wir das bringen, spielen wir den Falschen in die Hände. Finger weg!“

    Also: Angst vor Kontaktschuld.
    Das Ergebnis: Ein Fakt macht als politisches Instrument Karriere, oder eben nicht.

    Jetzt geht das Spielchen gerade wieder in Berlin los. Da soll einer Kontakte nach „rechts“ haben. Auweia! Frau Lengsfeld hat ein deftiges Wort für ein solches Denunziantentum gefunden.
    https://vera-lengsfeld.de/2023/03/05/denunziationsjournalismus-a-la-taz/
    Sie kennt das ja noch, aus der DDR.

    Die Bezeichnung „rechts“, als schwachsinnige Bezeichnung für politische Menschenfresser, muß in Frage gestellt werden. Aber die Leute, die heute in Bezug auf die AfD von eine „Radikalisierung“ faseln, die sind in Bezug auf „rechts“ ja völlig von Sinnen. Die aktivistische Wahrnehmung aus diesem Dunstkreis hat ja bereits vor bald zehn Jahren Bernd Lucke auf offener Bühne angegriffen.
    https://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-08/lucke-afd-wahlkampf-angriff?mode=recommendation&page=50&utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
    Der Mann konnte eine Zeitlang keinen Vortrag mehr ungestört halten. So was nennt man Einschüchterung. Aber irgendwelche Knallköpfe haben auf Büchermessen angeblich Angst vor „den Rechten“. Und ihren Kontakt-Verlagen. Und dann müssen Maßnahmen ergriffen werden. Daß ich nicht lache. Ha.

    Wenn dieses Denunziantentum Kontakte mit Verfassungsfeinden aus dem links- oder grünextremen Lager pflegt, dann ist das dem modernen Anstand anscheinen völlig wurscht. Ich bin dafür, derlei Denunziantentum mit allen friedlichen Mitteln zu bekämpfen. Und das gilt natürlich auch für die anständige Seilschaft in der Politik. Und das bedeutet: Wählen gehen. Tja.

    In der Büchse der Pandora lag die Hoffnung bekanntlich ganz unten.

    Ach, das alte Zeug. Ich mag es ja auch, aber man gebe heute mal das Suchwort „Pandora“ bei Tante Google ein. Die Neue Zeit hat das alte Wissen längst verdrängt, Übrigens war die Büchse ein Geschenk von Zeus an Pandora. Und das Motiv war Rache.

    Der Titel des Romans leitet sich von einem Diktum Jonathan Swifts her: „Wenn ein wahres Genie auf dieser Erde erscheint, wirst du es daran erkennen, daß sich die Idioten gegen es verschwören.“

    So ist es.

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  • Jürgen Mai
    9. März, 2023

    Ja, Figuren wie Fester und Schäfer geben tatsächlich mit Hilfe ähnlich verblendeter Funktionär*Innen im ÖR den Ton an. Erbarmungswürdig, wobei mein Mitgefühl schwindet. Gefährlicher aber finde ich den faktenfinder: Wenn in solch brisanten und international verfänglichen Fragen wie der NS2-Sprengung Scheinexperten wie Siggelkow ein Millionenpublikum in die Irre führen und zugleich als „Faktenchecker“ das letzte Wort beanspruchen: Wie soll dann noch ein tragfähiger öffentlicher Diskurs gelingen?

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    • Thomas
      10. März, 2023

      Von der Tragödie zur Farce

      Er gelingt nicht mehr, der tragfähige öffentliche Diskurs. Und die Bewegung macht also weiter, bis es kein Zurück mehr gibt. Das ist nach meinem Dafürhalten der Sinn dieses Possenspiels. Es ist eine Farce. Ziemlich teuer und mit voller Absicht.

      MfG

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  • Katja Kirsche
    23. März, 2023

    Ayn Rand beschrieb in ALTAS SHRUGGED, 1957 schon, wohin politische Eingriffe in unternehmerisches Handeln, Missgunst getarnt als Umverteilung und aufgeblähte Bürokratie führen: in eine gesellschaftliche Dystopie, in der am Ende nur noch Verlierer existieren.
    Erschreckend zeitgemäß.
    Willkommen im besten Deutschland, das wir je hatten.

    Und trotzdem, oder vielleicht gerade darum: Leseempfehlung!

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Original: Willkommen in der Deutschen Deppokratischen Republik

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