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Politik, Gesellschaft & Übergänge

Warum Publico auch den Weihnachtshassern ein frohes Fest wünscht (und allen anderen natürlich erst recht)

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Von Alexander Wendt / / politik-gesellschaft / 7 min Lesezeit

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Es gibt viele Arten, Weihnachten wahrzunehmen. Der eine nimmt den theologisch-philosophischen Weg mit dem ersten Satz des Johannesevangeliums: ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ Λόγος καὶ ὁ Λόγος ἦν πρὸς τὸν Θεὸν καὶ Θεὸς ἦν ὁ Λόγος, den die Züricher Bibel bessert trifft als die Einheitsübersetzung, da näher am Sinn des Originals: „Im Anfang war das Wort, der Logos, und der Logos war bei Gott, und von Gottes Wesen war der Logos“.

Das Wort, der Logos, ist also nicht identisch mit Gott. Es kommt von Gott und verweist seinerseits immer auf Gott. In diesem Gedanken liegt eine bemerkenswerte Abstraktion. Das Verhältnis von Gott und Logos lässt sich denken als etwas, das sich von einem im Anfang gemeinsamen Urpunkt löst, um sich in Spiralbewegungen von diesem Anfang wegzubewegen, ihn aber auch immer zu umkreisen und dadurch nie zu verlieren. Diese Bewegung hinaus in diese Welt erfährt in der Geschichte von Jesus buchstäblich ihre Verkörperung: Jesus, ganz Gott und gleichzeitig ganz Mensch, ist nicht identisch mit dem Vater, aber immer mit ihm verbunden, von seinem Wesen und von ihm ausgesandt. Er ist der lebendige Logos.

Genauso gut kann sich jemand ganz auf die Friedensbotschaft beziehen. Oder auf den Satz: Fürchtet euch nicht. Es lässt sich auch der ganz allgemeine Gedanke des neuen Lebens in der Weihnachtsgeschichte finden. Dafür muss niemand Christ sein.
Weihnachten ist kein exklusives Fest. Es steht auch Agnostikern und Atheisten offen. Und es verbindet sehr unterschiedliche Weltgegenden. Zu allen Zeiten lebte die Mehrheit der Christen außerhalb Europas. Bei dieser Gelegenheit können wir uns ins Gedächtnis rufen, dass Äthiopien zu den ältesten christlichen Ländern der Welt zählt. Und dass, ganz nebenbei, Bethlehem früher eine zu über 80 Prozent christliche Bevölkerung hatte. Das Weihnachtsfest gehört wegen seiner Zugänglichkeit zu den fast universellen Schätzen.

Weihnachtsbeleuchtung gibt es auch in etlichen ostasiatischen Städten, in denen nur wenige Christen leben. Zu den üblichen Reaktionen auf die inhaltliche Verdünnung des Weihnachtsfests gehört der spöttische Blick auf Weihnachtsbeleuchtung in chinesischen Einkaufszentren oder den roten Coca-Cola-Truck. Das lässt sich allerdings auch andersherum sehen: Selbst in der Verweltlichung, im größten Kitsch und in der geschäftstüchtigsten Ausbeutung steckt noch ein Rest der ursprünglichen Botschaft. Oder zumindest ihr Nachhall, als vages Gefühl, dass es sich bei dem Bezugspunkt um etwas Positives handelt.
Es muss an dieser Zugänglichkeit, der weltweiten Verbreitung, der echten Diversität liegen, dass sich in Westeuropa und besonders Deutschland so viele Wohlgesinnte vor allem in den Medien seit Jahren damit abmühen, Weihnachten negativ aufzuladen. Die Artikel über die engherzige Familie, den falschdenkenden Onkel (es ist fast immer der Onkel), über das unnachhaltige Essen und den schädlichen Weihnachtsbaum kommen jedes Jahr so reichlich und zuverlässig wie „Last Christmas“.

Die Pointe lautet allerdings: Diese Weihnachtsallergie gehört dazu. Sie weist gewissermaßen per Gegenreaktion die Wirkung der Feier und ihrer Botschaft nach.
Egal, welchen Weg zum Weihnachtsfest jemand für sich wählt, den gläubigen, den agnostischen, den der allgemeinen Zugewandtheit: Er entspricht in jedem Fall dem genauen Gegenteil dessen, was die Jahresendquälgeister verkörpern. Im Vergleich zu ihnen wirkt Ebenezer Scrooge selbst vor seiner Wandlung fast ein bisschen sympathisch. Trotzdem schließen wir sie aus den oben genannten Gründen in die guten Wünsche ein.
Und auch aus diesem zusätzlichen Grund: Noch nie ist es einer Macht gelungen, das Weihnachtsfest negativ einzufärben. So wird es auch bleiben.
Ist das nicht ein Wunder?
Publico wünscht allen Lesern ein frohes, friedliches Fest und dankt bei dieser Gelegenheit allen großartigen und großzügigen Unterstützern herzlich.

7 Kommentare
  • ToNo
    24. Dezember, 2023

    Ihnen und der ganzen Redaktion friedvolle und besinnliche Weihnachten!

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  • Christoph Nielen
    24. Dezember, 2023

    Lieber Herr Wendt,

    Ich danke recht herzlichen für die Weihnachtsgrüße und
    wünsche vom Niederrhein ein gesegnetes Weihnachtsfest

    C.N.

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  • Werner Bläser
    24. Dezember, 2023

    Zu allen Weihnachtsmiesmachern ein Zitat von Leonardo da Vinci:
    «Demetrius pflegte zu sagen, dass es keinen Unterschied gibt zwischen den Worten und Stimmen ungebildeter Menschen und den Lauten eines Magens voll überschüssiger Luft.
    Und er sagte dies nicht ohne Grund, denn er urteilte, dass es gleichgültig sei, ob die Äusserung eines solchen Menschen aus seinem Mund oder aber aus seinem Körper käme…»
    (Maurice Baring, Thoughts on Art and Life by Leonardo da Vinci. 2015).

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  • Barbara
    24. Dezember, 2023

    Noch nie habe ich so prächtige Weihnachtsdekorationen gesehen wie 2016, als ich in Doha arbeitete! Dagegen ist unsere spärliche und teilweise fehlende Festbeleuchtung in Berlin dieses Jahr ein Ausdruck von Ärmlichkeit und Gleichgültigkeit unserem höchsten Fest gegenüber. Ich schäme mich!

    Allen hier Mitlesenden gesegnete Weihnachten und ein spannendes neues Jahr!

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  • Albert Schultheis
    25. Dezember, 2023

    Danke, lieber Herr Wendt, für die illustre Sammlung der weihnachtlichen Maßregelungen im Umgang mit faschistischen Opas, Onkels und Patres familias! Was haben wir unterm Weihnachtsbaum darüber gelacht!
    Die beste Satire kommt unfreiwillig von Philistern und Pharisäern, den Grundguten und tiefgläubigen Atheisten.
    Aber, liebe Barbara, sorgen Sie sich nicht, deutsche Kultur, Musik und Traditionen werden nicht untergehen, sie werden weiterleben in Doha, Afrika, Japan, China und Korea. Halt nur nicht in Deutschland – aber das ist nicht mehr so wichtig.
    Ihnen allen fröhliche Weihnachten!

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    • Maru
      26. Dezember, 2023

      Danke für diese optimistische Botschaft – passend zur Weihnachtszeit.
      Mit ihrer strunzdummen und engherzigen Auslegung des Weihnachtsfestes demaskieren sich die Warner vor dem rassistischen Onkel als das, was sie sind:
      Provinzielle Spießer, die auf «weltgewandt» machen (das, was sie sich darunter vorstellen) und keinen blassen Schimmer von der weltweiten Ausstrahlungskraft von Weihnachten haben.

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  • Matthias Reiter
    28. Dezember, 2023

    Herr Wendt, herzlichen Dank für diese schöne Analyse der Strahlkraft von Weihnachten! Uns ist ein Kind geboren ist die Botschaft, für die, die die Botschaft hören und auch für die, die die Botschaft belächeln oder nicht wahr haben. Selbst der ungehobelteste Mensch kann sich dem seltsamen Zauber des Weihnachtsfestes nicht ganz entziehen.

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Original: Warum Publico auch den Weihnachtshassern ein frohes Fest wünscht (und allen anderen natürlich erst recht)

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