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Politik, Gesellschaft & Übergänge

Die verlorene Würde der Bärbel B.

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Der Verfassungsschutz entdeckt eine neue Demokratiebedrohung: die „Verächtlichmachung“ von Politikern. Damit holt der Geheimdienst einen alten DDR-Strafrechtsbegriff aus dem Keller. Politiker sollen vor Kritik geschützt, die Bürger delegitimiert werden

Von Alexander Wendt / / politik-gesellschaft / 36 min Lesezeit

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In dem neuesten Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz findet sich eine bisher noch viel zu wenig beachtete Passage, die sich aus zweierlei Gründen von früheren Texten des Inlandsgeheimdienstes unterscheidet. Erstens wegen des Inhalts; es geht darin ausdrücklich weder um extremistische Bestrebungen oder Spionageabwehr, also das, was das Amt früher normalerweise beobachtet und bekämpft hatte. Zweitens wegen der Sprache. Die wiederum stammt aus noch älteren Zeiten. Außerdem noch aus einem anderen deutschen Staat.

In dem Abschnitt aus dem Bericht geht es um die so genannte Delegitimierung des Staates: „Diese Form der Delegitimierung“, so der Verfassungsschutz, „erfolgt meist nicht durch eine unmittelbare Infragestellung der Demokratie als solche, sondern über eine ständige Agitation gegen und Verächtlichmachung von demokratisch legitimierten Repräsentantinnen und Repräsentanten sowie Institutionen des Staates und ihrer Entscheidungen. Hierdurch kann das Vertrauen in das staatliche System insgesamt erschüttert und dessen Funktionsfähigkeit beeinträchtigt werden.

Abgesehen davon, dass die ständige Agitation gegen Staatsvertreter einmal das Anliegen eines breiten Bündnisses von linken Parteien, Organisationen, Künstlern und sonstigen Aufrufunterzeichnern von Albers bis Zwerenz war, solange die Repräsentanten noch Strauß und Kohl hießen – mit einer solchen Agitation oder Unzufriedenheitsäußerung müssen die meisten Regierungen seit Ende des Absolutismus auskommen. Bis vor kurzem galt auch der Grundsatz, dass das Amt dem Amtsträger Würde verleiht, nicht umgekehrt. Gibt jemand Anlass zu Kritik, auch wenn sie fundamental, ätzend und ungerecht ausfällt, dann erschüttert das demnach noch lange nicht die Institutionen. Selbst dann nicht, wenn sich ein Politiker öffentlich als würdeloser Hanswurst und Abgreifer aufführt wie der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann, leidet noch nicht dauerhaft das Amt.

Die Person, die ihm nachfolgt, kann sich möglicherweise wieder so betragen, dass sich die Frankfurter nicht schämen müssen. Kurzum, Repräsentanten und Repräsentantinnen des Staates in den Grenzen der Gesetze mit Ablehnung, Hohn, Spott und Verachtung zu begegnen und geradezu zu überkübeln ist das gute Recht jedes Bürgers, zumindest in der Demokratie als solcher, um einmal die Verfassungsschutzformulierung zu verwenden. In früheren Zeiten benutzten die Unzufriedenen mitunter noch Verachtungsverstärker wie faule Eier und matschige Tomaten. Die Repräsentanten allerlei Geschlechter sollten froh darüber sein, dass viel Unmut heute in digitale Kanäle fließt, statt ausgerechnet diesen Umstand zu beklagen.

Es gibt kein Grundrecht eines Politikers auf Achtung. Legitimieren muss sich jeder Mandatsträger im Amt von Tag zu Tag. Fällt die Zustimmung des Publikums nicht so aus, wie er sich das wünscht, liegt das nicht immer, aber ziemlich oft an seiner Amtsführung. Jedenfalls existierten diese Grundsätze einmal, und das sogar in Monarchien. Falls sich der Verfassungsschutzpräsident noch nicht zu sehr erschüttert und beeinträchtigt fühlt, kann er gern nachlesen, mit wieviel Hohn und Spott Kaiser Wilhelm II. überzogen wurde, durch ständige Agitation insbesondere der Socialdemokratie, in Witzen, Karikaturen, unschmeichelhaften Berichten vom Hof und in einer verächtlichmachenden und gleichzeitig damals außerordentlich populären Streitschrift, übrigens, ohne dass Höflinge – also die Zivilgesellschaft von damals – einen Boykott gegen den Autor organisiert hätten. Auch der Geheimdienst entdeckte darin keine Erschütterung des Staates. Bis gerade eben gehörte also das Risiko des Ingrundundbodenkritisiertwerdens zum Politiker – wie der Buhruf zum Künstlerleben.

In einem anderen deutschen Staat vor gut drei Jahrzehnten hielten das die Repräsentanten genau umgekehrt, und damit ähnlich wie Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang heute. Damals betrachteten Amtsträger ganz selbstverständlich jede Kritik an sich als Erschütterung des Systems insgesamt, das sie unentwegt und noch nicht einmal zu Unrecht in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt sahen. Auch damals gehörte Anetta Kahane übrigens zu den Abwehrkräften, allerdings ohne Stiftung im Rücken, weshalb sie ihre Berichte noch selbst schreiben musste.

Das führt uns zur Sprache des Verfassungsschutzberichtes. Dort kommt nämlich ein Begriff vor, den ältere Ostdeutsche nicht erst im Verfassungsschutzbericht von 2021 nachlesen müssen, nämlich Verächtlichmachung.
In Paragraph 220 des DDR-Strafgesetzbuchs hieß es:

„§ 220 Staatsverleumdung. (1) Wer in der Öffentlichkeit
1. die staatliche Ordnung oder staatliche Organe, Einrichtungen oder gesellschaftliche Organisationen oder deren Tätigkeit oder Maßnahmen;
2. einen Bürger wegen seiner staatlichen oder gesellschaftlichen Tätigkeit, wegen seiner Zugehörigkeit zu einem staatlichen oder gesellschaftlichen Organ oder einer gesellschaftlichen Organisation
verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung, Haftstrafe, Geldstrafe oder mit öffentlichem Tadel bestraft.“

In seiner verschärften Fassung vom 28. Juni 1979 kamen noch Schriften, Gegenstände und Symbole dazu, mit denen jemand die öffentliche Ordnung hätte stören können. Unter Strafe standen auch „Äußerungen faschistischen, rassistischen, militaristischen oder revanchistischen Charakters“, wobei die Begriffe sehr, sehr weit nach Gutdünken der Repräsentanten ausgelegt wurden:

„(1) Wer in der Öffentlichkeit die staatliche Ordnung oder staatliche Organe, Einrichtungen oder gesellschaftliche Organisationen oder deren Tätigkeit oder Maßnahmen herabwürdigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung, Haftstrafe, Geldstrafe oder mit öffentlichem Tadel bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer Schriften, Gegenstände oder Symbole, die geeignet sind, die staatliche oder öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen, das sozialistische Zusammenleben zu stören oder die staatliche oder gesellschaftliche Ordnung verächtlich zu machen, verbreitet oder in sonstiger Weise anderen zugänglich macht.
(3) Ebenso wird bestraft; wer in der Öffentlichkeit Äußerungen faschistischen, rassistischen, militaristischen oder revanchistischen Charakters kundtut, oder Symbole dieses Charakters verwendet, verbreitet oder anbringt.
(4) Wer als Bürger der Deutschen Demokratischen Republik die Tat nach Absatz 1 oder 3 im Ausland begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, Verurteilung auf Bewährung oder mit Geldstrafe bestraft.“

Es handelte sich also um lupenreines Gesinnungsstrafrecht, das sogar bei nichtöffentlichen Äußerungen angewendet wurde. Das zeigt ein schönes Zeitdokument von 1988 – der Haftbefehl gegen eine Frau aus Rostock nach Paragraph 220, die damals sechs anonyme Briefe an Repräsentanten und Repräsentantinnen verschickte, in denen sie die hetzerische Behauptung aufstelte, „daß nicht die Möglichkeit besteht, die Meinung frei zu äußern“.

Ein DDR-Funktionär hätte damals einem Westjournalisten gesagt, jeder könnte in der DDR seine Meinung frei heraussagen, er müsse eben nur mit den Folgen zurechtkommen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz verwendet in seinem Bericht eben nicht nur den DDR-Strafrechtsbegriff der Verächtlichmachung, sondern auch den Geist, der darin steckt: Der Bürger schuldet dem Mandatsträger Achtung, nicht umgekehrt. Er darf ihn nicht verächtlich machen, auch wenn er sich noch so verachtenswert verhält, und jede abfällige Bemerkung über einen Funktionär trifft immer das System als Ganzes. Die herrschende Kaste witterte in der DDR auch deshalb an allen Ecken Delegitimierung, weil sie wusste, dass es mit ihrer Legitimation ziemlich schlecht stand.

Wo beginnt die Verächtlichmachung von Repräsentanten- und tantinnen eigentlich: bei einem Witz, einer Satire, einer sachlich zutreffenden Bezeichnung wie Hanswurst, Versager, Trottel oder, jetzt wird es wirklich grob, Berliner Senatsmitglied? Verächtlichmachung stellt zwar noch nicht wieder einen Straftatbestand dar, aber neuerdings einen Verfassungsschutzfall. Nachdem sich Politiker mehr und mehr der Aufgabe widmen, Bürger zu erziehen, und auch Qualitätsmedien Kritik am Bürger als ihr Hauptbetätigungsfeld betrachten, zieht der Geheimdienst konsequent nach, indem er sich mit dem Bürger beschäftigt. Und zwar mit dem Bürger als solchen.

Er soll also erstens nicht verachten. Zweitens – und der Punkt zählt fast noch mehr – liegt es an ihm, wenn das Vertrauen in die staatlichen Institutionen schwindet, und nicht etwa an denjenigen, die diese Institutionen leiten.
Unwürdige Politiker gab es schon immer, genauso wie liederliche Pfaffen und geistesschwache Könige. Aber, um erst einmal den Punkt der Verächtlichkeit abzuarbeiten, in keiner anderen Epoche gaben sich derart viele Repräsentanten wirklich jede erdenkliche Mühe, auch noch die letzten Reste von Amtswürde abzustreifen oder gar nicht erst anzunehmen. Die sozialen Medien wirken dabei als extremer Verstärker, mit ihrer Hilfe können sich öffentliche Figuren heute so schnell selbst verächtlich machen wie in keiner Generation vorher. Frankfurts Oberbürgermeister Feldmann, der selbst nach einer Korruptionsanklage im Amt bleibt und sich darin so kasperhaft aufführt, dass selbst seine Partei ihn mittlerweile am liebsten per Falltür verschwinden lassen möchte, ist eine vergleichsweise kleine Funzel in der Klasse der Würdelosen.

Warum sollte jemand eine Abgeordnete wie Emilia Fester nicht verachten, die in ihrer ersten Rede vor dem Bundestag gleich zwei Lügen unterbrachte und es außerdem als ihre Aufgabe sieht, in und vor dem Parlament Tänze aufzuführen, das Ergebnis ins Netz zu stellen, wobei sie auf nichtgefällige Kommentare lauert, die es ihr wiederum erlauben, sich als Opfer mit 10012,89 Euro monatlicher Entschädigung darzustellen?

Bei Claudia Roth genügen eigentlich schon ihr halbnackter und nicht nur von sich selbst berauschter Auftritt vor der Kamera von 2008 („die Türkei ist meine Freundin“) und ihr Mitwackeln in einem „Deutschland du mieses Stück Scheiße“-Aufmarsch, um sie zu verachten. Da helfen auch alle Bundestagsvizepräsidentinnen- und Staatsministerinnentitel nichts. Wie man in der Türkei jedenfalls so ähnlich sagt: „Geht eine Öchsin in den Palast, wird nicht die Öchsin zur Königin, sondern der Palast zum Stall“. Jeder kann Claudia Roth natürlich ästimieren und es im Übrigen auch in Ordnung finden, dass diese ausgepichte Menschenwürdedröhnerin und Gefühlsbewirtschafterin sich an der antisemitischen Propaganda bei der Documenta in Kasseloffenbar nicht stört. Aber keine, wirklich keine Macht der Welt kann einen Bürger dazu zwingen, diese Politikerin zu achten.

Und wenn die Welt voller Kahanes und Haldenwangs wäre. Warum sollte jemand einen Bundesgesundheitsminister achten, über dessen Lügen und Verdrehungen niemand mehr den Überblick hat? Und warum eine Bundestagspräsidentin, die es kürzlich angemessen fand, ein TikTok-Video zu senden, in dem sie mit quäkiger Stimme ein Kinderlied singt?
Warum soll jemand der grünen Fraktionschefin im bayerischen Landtag mehr als höfliche Verachtung entgegenbringen, die Bürger über Verzicht belehrt, selbst zum Eisessen nach Kalifornien düst und unmittelbar nach einem islamistischen Anschlag in Frankreich hampelnd, zwinkernd, dauerbelustigt und augenscheinlich nicht nüchtern ihr Maßnahmenpaket bewirbt, in dem so „tolle Sachen“ (Schulze) wie Prävention drinstehen?
Welchen Grund hätte jemand, einer Luisa Neubauer – auch sie ist ja eine Repräsentantin, und wie – Achtung entgegenzubringen, die als höhere Hamburger Tochter nicht so wohlgeborenen Mitbürgern empfiehlt, die Erwerbsarbeit am besten bleiben zu lassen, falls sie nicht ihre moralischen Ansprüche erfüllt?

Für die Repräsentanten gibt es eigentlich naheliegende Regeln, um der Verachtung zu entgehen: Seien Sie nicht korrupt. Treten Sie bei Erhebung einer Anklage zurück. Ziehen Sie sich ordentlich an. Reden Sie nur nüchtern in eine Kamera. Verachten Sie das Land und seine Bürger nicht, die Ihre Diäten zahlen. Bezeichnen Sie Bürger nicht als Geiselnehmer, Covidioten, Schwurbler und Demokratiegefährder, nur weil sie anders meinen und reden, als es Ihnen und Ihrer Partei gerade gefällt. Überlegen Sie sich genau, was Sie in sozialen Medien von sich geben. Sagen Sie nicht wissentlich die Unwahrheit. Verlangen Sie nicht, besonders wenn Sie materiell gut gepolsterten Vielfliegerkreisen angehören, von weniger gut versorgten Bürgern ein Leben in Jutesack und Asche. Und denken Sie immer daran, dass Sie den Bürgern dienen, nicht umgekehrt, und dafür eine Bezahlung plus Versorgungsanspruch erhalten, die sehr viele von Ihnen auf dem freien Markt nie und nimmer bekämen. Seien Sie deshalb bescheiden und dankbar. Und halten Sie öfter einfach den Mund, vor allem bei offensichtlicher Ahnungslosigkeit.

„Würde“, um einmal Karl Kraus zu zitieren, der heute ein Sonderfall für den Verfassungsschutz wäre, „ist die konditionale Form von dem, was einer ist.“

Niemand kann behaupten, dass diese Regeln besonders schwer einzuhalten wären. In aller Kürze: Benehmen Sie sich. Dann klappt es wahrscheinlich auch mit der Achtung. Wenn es dem Verfassungsschutz tatsächlich um die Bekämpfung von Verächtlichmachung ginge, dann müssten die Mitarbeiter des Amtes zuallererst die oben genannten Repräsentanten (und noch eine ganze Reihe mehr) ins Gebet nehmen, um ihnen die ebenfalls oben aufgeführten Regeln nahezubringen. Bei der Polizei heißt so etwas „normverdeutlichendes Gespräch“ beziehungsweise Gefährderansprache.

Und nun zu dem Vertrauen in das System, den Staat und seine Institutionen. Das, geehrte und manchmal nicht geehrte Repräsentanten, liegt in Ihren Händen. Und zwar ausschließlich. Gewiss, es sind die Bürger, die das Vertrauen entgegenbringen sollen. Aber es verhält sich damit wie mit der Liebe: Niemand kann Vertrauen erzwingen, sondern nur dafür werben. Das dauert; you can’t hurry trust, no you just have to wait, während die Vertrauensabwrackung ziemlich schnell geht. Auch hier genügt es, einige Punkte herauszugreifen.

Wenn Politiker Sparer von der neuen Währung mit dem Versprechen überzeugen, kein Euroland müsste für die Schulden eines anderen haften, um dann das genaue Gegenteil zu praktizieren, wenn sie behaupten, eine Inflation käme nie, und wenn, dann würde sie auch schnell wieder verschwinden, und dann zusehen, wie sie auf eine Rekordhöhe steigt, wenn sie erzählen, der Umbau des Energiesystems werde nur eine Kugel Eis kosten, wenn sie seit mittlerweile Jahrzehnten vor jeder Wahl eine durchgreifende Steuerreform zur Entlastung versprechen, und dann jedesmal finden, jetzt wäre aber nicht der richtige Zeitpunkt, wenn sie wider besseres Wissen die Einwanderung hunderttausender Fachkräfte und neues Wirtschaftswunder versprechen, wenn sie vor der Wahl entrüstet beteuern, es sei keine Impfpflicht geplant, niemals, und dann genau diese Impfpflicht mit fadenscheinigsten Argumenten durch den Bundestag zu tricksen versuchen – dann leidet tatsächlich nicht nur das Vertrauen in einzelne Politiker, sondern in ganze Institutionen.

Dazu kommt noch eine Verschärfungsstufe. Wenn es in einer deutschen Großstadt zu massenhaften sexuellen Übergriffen kommen konnte, und praktisch alle Medien drei Tage lang darüber schweigen, um dann abzuwiegeln und via ZDF mit zusammengelogenen Zahlen zu fragen: Was ist mit dem Oktoberfest? – dann brechen gleich mehrere Pfeiler auf einmal. Und noch mehr Stützelemente fallen, wenn Politiker selbst 2021 noch Corona-Lockdowns verhängen, von denen sie damals wissen mussten, dass sie gegen das Virus wirkungslos waren. Und wenn sie jetzt mit Hilfe geneigter Medien die Evaluierung dieser Maßnahmen hintertreiben, weil sie ziemlich genau wissen, wie ein aufrichtiges Ergebnis aussehen würde. Noch einen ganz anderen Grad der Vertrauenszerstörung verantworten die Zuständigen für die mutwillige Ignoranz des Wahlgesetzes in Berlin und ihre anschließenden Verharmlosungs- und Vertuschungsversuche unter Mithilfe von Funkschranzen.

Welchen Grund hätten die Berliner, den Amtsträgern noch ein Fitzelchen Vertrauen entgegenzubringen? Weg ist weg. Andere und Bessere können nur neu beginnen, um wieder etwas Vertrauenskapital zusammenzukratzen.
Es gibt tatsächlich eine Erschütterung der Institutionen und eine Delegitimierung des Staates. Soweit liegt der Verfassungsschutz schon richtig. Die Delegitimierer sitzen allerdings in den Ämtern. Und alles, was ihnen offenbar dazu einfällt, ist ein Ruf nach mehr Zusammenhalt, neuerdings verbunden mit der Idee, Bürger sollten diesem Staat mehr dienen,

(vorgetragen von der gleichen Innenministerin nebenbei, die Bürgern bei “Hass und Hetze“ mit der Polizei droht und ihnen den Heimatbegriff umdeuten will). Außerdem fällt ihnen ein, immer neue Millionen an die staatlich alimentierte Stichwortgeber zu schleusen, die berühmte Zivilgesellschaft. Und als neueste Idee die Indienstnahme des Verfassungsschutzes, der das alte Deliktfeld Verächtlichmachung wiederbelebt. Das alles läuft zu einem Projekt zusammen: Delegitimierung des Bürgers. Die Umrisse eines Funktionärsstaates treten immer deutlicher hervor, in dem Amtsinhaber, flankiert von Medien am Missionsriemen, NGOs und neuerdings auch Geheimdienstlern den Bürgern mitteilen, wie weit ihre Kritik zu gehen hat.

Auf der Internetkonferenz Republica in Berlin sprach Bundeskanzler Olaf Scholz vor ein paar Tagen über öffentliche Meinungsäußerung. Dabei eröffnete er eine bemerkenswerte Kategorie, nämlich die Meinungsäußerung im Graubereich unterhalb der Strafbarkeitsschwelle. Natürlich unterscheidet sich die Bundesrepublik dieser Tage immer noch trotz aller spukhafter Fernwirkung (Einstein) von der DDR. Die Zitate und Dokumente weiter oben machen das hoffentlich deutlich. Aber die Richtung, in die große Teile der politisch-medialen Klasse die Gesellschaft treiben möchten, lässt sich kaum mehr ignorieren, es sei denn, jemand gibt sich viel Mühe: In dem transformierten Land sollen die Bürger den Amtsträgern verantwortlich sein. Die Amtsträger ihrerseits überlegen sehr genau, wem sie da unten überhaupt noch Vertrauen schenken. Näheres regeln Zivilgesellschaft und Verfassungsschutz.

Neben der oben angeregten kleinen Vergleichsstudie zum Kaiserreich sollten sich Haldenwang und zumindest die Bundesinnenministerin noch eine andere und historisch viel naheliegendere Lektüre vornehmen, nämlich den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. November 2011 (1 BvR 917/09) zur Meinungsfreiheit. Das Gericht stellt darin fest, dass Meinungen generell durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt sind, „ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie sich als wahr oder unwahr erweisen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational sind, oder ob sie als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werden. Sie verlieren diesen Schutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäußert werden. Der Meinungsäußernde ist insbesondere auch nicht gehalten, die der Verfassung zugrunde liegenden Wertsetzungen zu teilen, da das Grundgesetz zwar auf die Werteloyalität baut, diese aber nicht erzwingt.“

Die Grenzen von Artikel 5 – dem Garant der Meinungsfreiheit – zogen die Richter ausdrücklich deshalb so weit, weil er ihrer Ansicht nach besonders die „Machtkritik“ schützt.
Aus dem Beschluss von damals spricht die Klugheit, dass gerade derjenige am ehesten Zustimmung findet, der sie weder erzwingt noch mit moralisierenden Vorhaltungen abfordert. Es sind nicht nur Feinheiten, die zwischen dem Beschluss von 2011 und dem Verfassungsschutzbericht von 2022 liegen. Beide Texte stehen jeweils für völlig unterschiedliche Auffassungen von Gesellschaft. Obwohl sie beide aus der späten Bundesrepublik stammen und nur elf Jahre auseinanderliegen, führt keine Brücke mehr von hier nach dort.

In einem Interview mit der Plattform „Gesichter der Demokratie“ skizzierte die oben schon einmal erwähnte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, immerhin nach dem Grundgesetz die zweithöchste Repräsentantin des Staates, wie sie Demokratie versteht, die Leute wie sie auch gern als „unsere Demokratie“ bezeichnet:

„Unsere Demokratie überträgt den Bürgerinnen und Bürgern aber auch Verantwortung für ihr Gemeinwesen und ermöglicht ihnen Teilhabe und Mitsprache.“

Das drückt so ziemlich das Gegenteil des Grundgesetzes und überhaupt des Bürgergedankens aus, zum anderen aber den Kern der wohlwollenden Funktionärsherrschaft: Der Bürger besitzt nicht mehr Grundrechte, also Abwehrrechte gegen den Staat, und beleiht nicht mehr Mandatsträger auf Zeit mit etwas Macht. Sondern andere übertragen ihm ein bisschen Teilhabe und Mitsprache. Allerdings nur, wenn der Bürger bestenfalls konstruktive Kritik übt, mitmacht, „Institutionen des Staates und ihren Entscheidungen“ (Verfassungsschutzbericht) praktisch einen Blankoscheck ausstellt und überhaupt darauf vertraut, dass Amtsinhaber schon das Richtige tun. So lautet mehr oder weniger auch schon der Kernsatz des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu den staatlichen Corona-Maßnahmen: Der Staat wird es schon wissen.
An den Bürger des neuen Typs ergeht die Aufforderung, den staatlichen und politischen Betrieb gefälligst nicht zu stören. Beziehungsweise zu beeinträchtigen.

Zum Sündenregister, das Politiker und Medienschaffende für nichtkonstruktive Kritiker führen, gehört auch der Diskusverstoß durch den so genannten DDR-Vergleich. Immerhin: Diesen Vorwurf musste man sich von den Abzeichenträgern damals nicht anhören. Aber ganz grundsätzlich gibt es nicht nur einen einfachen Weg, der Verachtung zu entgehen, sondern auch dem DDR-Vergleich: Benutzen Sie einfach kein SED-Vokabular. Schon gar nicht als Geheimdienstmitarbeiter. Und denken Sie vor allem nicht wie ein Repräsentant des Obrigkeitsstaats.
Falls doch: Beklagen Sie sich nur ganz leise über die Reaktion.

Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.

21 Kommentare
  • Bernd Zeller
    14. Juni, 2022

    — sonst was? Sonst ist Artikel 20 Absatz 4?

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    • Gero Micheler
      22. Juni, 2022

      Hervorragender Text. Habe hier schon lange nicht mehr vorbeigeschaut, weil ich ‘es alles’ nicht mehr ertrage. Man muss ja nur die Punkte mit einer steilen Linie verbinden und noch das aus der Vergangenheit abzuleitende Wesen ‘der Deutschen’ einpreisen (nix links oder rechts), und man weiß genau, wo wir in vielleicht zehn Jahren landen werden. DDR digital.

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  • Rotorblatt
    14. Juni, 2022

    Amen. Diese Entwicklung ist zwangsläufig. Die vielen künstlichen Gebilde, die geschaffen werden, offenbaren unausweichlich ihre inneren Widersprüche. Die anzusprechen muss eingehegt werden. Ja, die Parallelen zur Deutschen Demokratischen Republik sind frappierend.

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  • Dr. habil. W. Manuel Schröter
    14. Juni, 2022

    Alles, was das in diesem Artikel Geäußerte zum Verhältnis Bürger-Staat (mit seinen Institutionen usw.) betrifft, kann ich voll und ganz unterschreiben.
    Leider.
    Und besonders als ehemaliger DDR-Bürger.

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  • Joseph
    14. Juni, 2022

    Ein selbst für Ihre Verhältnisse herausragender Beitrag, Herr Wendt.

    Wie weit sich unsere politische Kaste unterdessen von der Realität verabschiedet hat sieht man doch aktuell an zwei Entscheidungen:

    1. 9 € Ticket – Die Bahn ist völlig überfordert mit dem Ansturm, den das Ticket verursacht. Hätte man auch vorher wissen können, wenn man nicht nur in der Limousine oder im 1.Klasse Abteil des ICE sitzt.
    2. Tankrabatt – Die Mineralölkonzerne maximieren ihren Gewinn, notfalls über Steuererleichterungen. Hätte man auch vorher wissen können, dass Unternehmen in der Marktwirtschaft Geld verdienen müssen und entsprechend handeln. Wenn man von Steuern lebt, ist einem dieser Zusammenhang aber offenbar fremd.

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  • Libkon
    14. Juni, 2022

    So sehr Ihre Kritik an den Volks»vertretern» verständlich erscheint, gäbe es vermutlich mithilfe eines Artikels von Hadmut Danisch in Verbindung mit zwei Nobelpreisträgern eine mögliche (AUF)KLÄRUNG unter dem folgenden link:

    https://www.danisch.de/blog/2022/06/11/des-hirnes-zwei-betriebszustaende/#more-50081

    Dass es in unserem Hirn das System 1 und das System 2 gibt, ist einen Nobelpreis wert und tieferes Nachdenken über uns merkwürdige Lebewesen, die angeblich zur Vernunft fähig sein sollen…

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    • pantau
      16. Juni, 2022

      So sehr ich Danischs Originalität und Authentizität schätze, aber er ist sich oft selbst im Weg. Es gibt das Danisch-Paradoxon: er trägt fest verschweißte Scheuklappen, die es ihm offenbar unmöglich machen, andere Danischs zur Kenntnis zu nehmen oder ganze Wissensgebiete wie die Anthropologie, Hirnforschung, Ethologie, Ethnologie (Lorenz, Eibl-Eibesfeld & Co haben die Instinktbasis vieler ritualisierter Verhaltensweisen gründlich und sauber erforscht). Und wenn die halbe Population an Herzversagen oder Immunschwäche plötzlich und unerwartet sterben würde, würde er es erst dann thematisieren, wenn sich eine Feministin in irgendeiner Weise dazu äußern würde, um daran nachzuweisen, wie blöd der Feminismus ist. Diese Schwäche hindert mich aber nicht daran, ihn gelegentlich mit Gewinn zu lesen.

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  • Immo Sennewald
    14. Juni, 2022

    Was sagen eigentlich die Institutionen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und ihrer Stasi zum Versuch von Herrn Haldenwang & Co. zur Wiederkehr einer Gesinnungsjustiz à la Erich & Erich? Oder schieben sie Texte wie diesen behördenkonform schon in passende Dossiers über «feindlich-negative», den Staat und seine An-Gestell-ten herabwürdigende Aktivitäten? Großes Dankeschön an Alexander Wendt jedenfalls, dass er davor warnt, ehe der neue Sozialismus seinen Sieg verkünden kann.

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  • Oskar Krempl
    14. Juni, 2022

    Vielen Dank Herr Wendt für einen weiteren ausgezeichneten Artikel, eloquent wie stets und dieses Mal in seiner mehr als berechtigten Kritik deutlicher denn je. Leider ist es nun mal um es mit Nietzsche zu sagen «die ständige Wiederkehr des ewiglich Gleichen». Offensichtlich steht die Wiedergeburt der DDR unter anderem Namen ins Haus. Ich bin mir sicher mit der Strafbarkeit wird es nicht mehr lange auf sich warten lassen.

    Momentan hat die schäbige Obrigkeit noch den zweifelhaften Ruhm außer einer Ansammlung von unnützen Witzfiguren auch den Dorftrottel Europas in ihren Reihen zu führen.

    Allgemein gilt wohl, dass die Regierungen in erster Linie dem Wohlergehen der eigenen Bevölkerung verpflichtet sind, wenn sie verstanden haben, was das Wesen der Demokratie ist und welche Rolle sie selbst in ihrem jeweiligen Land zu spielen haben. Wenn sie dies verstanden haben, werden sie auch niemals das eigene Volk betrügen noch jemals Diktatoren unterstützen.

    Wenn sie allerdings ihre Rolle (lediglich Diener des Volkes zu sein) nicht verstanden haben und glauben, daß sie die Herren des Volkes wären, werden sie das Volk betrügen, schikanieren, gängeln ohne Ende und natürlich auch gegebenenfalls Diktatoren in ihrer Verblendung unterstützen und dies zur Täuschung mit irgendwelchen falschen Argumenten bemänteln.

    Finis Germania

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  • A. Iehsenhain
    14. Juni, 2022

    Die Tanzeinlage von Fester und Konsorten im Titelbild versinnbildlicht den Offenbarungseid des aktuellen Politikpersonals der schlechten Sorte. Dem Gejammer, seine Freizeit auf dem Altar der eigenen Weltverbesserung zu opfern, geht eine alberne „Choreografie“ voraus, wo Egomilla in einem Kleid umhereiert, das an jenes der Frauen erinnert, die im Gulag waren. Eine Verhöhnung vergangener und zukünftiger Opfer?
    Ansonsten kann ich nur sagen, dass der hiesige Text von Herrn Wendt einer der wichtigsten ist, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Zusammen mit jenem von Klaus-Rüdiger Mai bei TICHYS EINBLICK vom 13. Juni 2022 („Wird in Deutschland auf legalem Weg die Demokratie abgeschafft?“), der mit dem Resümee endet: „Deutlich wird nur eins: Die Regierung verfolgt ein umfassendes Projekt der Transformation der Gesellschaft in eine Kommandowirtschaft, die nicht funktionieren wird. Die Maßnahmen der Regierung werden immer drakonischer werden, je weniger ihre Politik in der Praxis zu den gewünschten Resultaten führt.“
    Herr Wendt sagt zu Recht:“Die Repräsentanten allerlei Geschlechter sollten froh darüber sein, dass viel Unmut heute in digitale Kanäle fließt, statt ausgerechnet diesen Umstand zu beklagen.“ Bleibt am Ende nur das Worst Case-Szenario, dass bei fortschreitender Ermächtigung die ‚Volksvertreter‘ am Ende darauf bestehen, dass das erzwungene Hinternküssen wieder analog stattzufinden hat. Und das würde bei derartigem Personal in der Folge eine wirkliche Gesundheitskrise auslösen…

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  • Dunkelsachse
    14. Juni, 2022

    Großartig.

    Obolus folgt

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  • ToNo
    14. Juni, 2022

    Danke, Herr Wendt!
    Noch vor wenigen Tagen hatte ich ein Streitgespräch mit guten Freunden, die meine Überzeugung, dass dieses Land kein Rechtsstaat mehr ist, überhaupt nicht nachvollziehen konnten, obwohl sie nicht zur Grünlinksfraktion gehören. Keine zwei Tage später kam der VS-Bericht. Für mich ein besonderer Tiefpunkt in den von vielen Tiefpunkten geprägten letzten Jahren. Die immer innigere Verwandtschaft dieses Staates mit dem DDR-Regime wird nicht mal mehr verschleiert. Der Staat erklärt den Bürgern offen den Krieg. Und viele dieser «Bürger» finden dabei gar nichts falsch. Es ist unfassbar.

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  • Albert Schultheis
    15. Juni, 2022

    Danke, Herr Wendt, dass sie das perfide Thema der Neueinführung der Majestätsbeleidigung aufgegriffen und so zutreffend abgehandelt haben. Das eigentliche Problem in Deutschland ist aber dennoch immer das gleiche: Ottilie, die Normalverbraucher:In hat von allen diesen Machenschaften im Hintergrund nicht den geringsten Schimmer, hat nie davon gehört, und wenn man ihr davon erzählt, hält sie es für übertrieben oder evtl sogar für völlig angebracht, wenn man ihr ihre gewählten Vertreter verächtlich macht. Die Fähigkeit, diese Gefügigmachung und Unterwerfung in einen historisch-politischen Kontext zu setzen, geht ihr vollends ab. Dennoch vermisste ich in ihrem sehr lesenswerten Beitrag die Erklärung zu der im Titel genannten Bärbel B. Der Titel «Die verlorene Würde der Bärbel B.» stellt besagte Bärbel in einen Kontext mit Bölls Katharina B. und ihrer verlorenen Ehre. Vermutlich spielen Sie auf die DDR-Dissidentin Bärbel Bohley an mit Ihrem berühmten kaustisch-aktuellen Zitat über die Wiederbelebung der Praktiken der Stasi. Es wäre sicherlich fruchtbar und erhellend gewesen, die beiden revolutionären Frauenfiguren als deutsche Antagonistinnen näher zu beleuchten. Hier die naiv-gutmütige aber bigotte Heldin mit Linksdrall Bölls – dort die kluge, weitsichtig analytische Bärbel. Vielleicht hören/lesen wir ja dazu bald mehr von Ihnen.

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    • Publico
      15. Juni, 2022

      Sehr geehrter Herr Schultheis,
      nein, gemeint ist die zweimal im Text genannte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas.
      Mit freundlichen Grüßen,
      Alexander Wendt

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  • Albert Schultheis
    15. Juni, 2022

    Oh, natürlich, werter Herr Wendt, mit dieser infantilen, jegliche Residuen an Würde deutscher Demokratie und Rechtsstaatlichkeit de-legitimierenden Zicke hatte ich bisher lediglich mein Kurzzeitgedächtnis belastet.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Albert Schultheis

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  • Olaf Haas
    16. Juni, 2022

    Sehr geehrter Herr Wendt, die von Ihnen ausgeschnittene Passage aus dem Verfassungsschutzbericht 2021 verdient die Betrachtung des Zusammenhangs, aus dem sie stammt, um beurteilen zu können, ob die Ableitungen, die Sie daraus vornehmen, hermeneutisch gerechtfertigt sind.
    Unter der Überschrift „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ wird auf 9 Seiten (112-120) das Aufgabenfeld des im April 2021 unter diesem Namen geschaffenen „neuen Phänomenbereichs“ des Staatsschutzes beschrieben. Den Anlass seiner Bildung gab der Ausnahmezustand der Pandemielage, in der eine heterogene Protestszene entstand, die von den bestehenden Phänomenbereichen nicht abgebildet werden konnte und sich durch „eine fundamentale Ablehnung der bestehenden staatlichen Ordnung und ihrer Institutionen“ auszeichnet.
    „Der Staat und seine Institutionen werden in ihrer Legitimität grundsätzlich infrage gestellt. Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie werden als diktatorisch bezeichnet. Auf diesem Narrativ aufbauend, wird Widerstand gegen staatliche Maßnahmen und Entscheidungen propagiert und zu Gewalt und in Einzelfällen sogar zu Mord aufgerufen.“ In dieser Protestszene werde „zum Umsturz der bestehenden politischen Ordnung“ aufgerufen und „amtierenden Bundes- und Landesregierungen sowie der repräsentativen parlamentarischen Demokratie in Gänze die Legitimität“ abgesprochen (114) und „wiederholt Gleichsetzungen mit den diktatorischen Regimen des Nationalsozialismus und der DDR“ vorgenommen (115). Über diese allgemeine Delegitimierung des Staates hinaus werden auch seine Repräsentanten delegitimiert: die Polizei als Ganzes und einzelne ihrer Vertreter und die politische Ordnung als Ganze und einzelne ihrer Vertreter. Genau an diesem Übergang vom Allgemeinen zum Individuellen greift der vom Berichterstatter gewählte Begriff der Verächtlichmachung von Politikern, die in einer Krisensituation für ihre Politik beschimpft, mit Drohungen überzogen, eingeschüchtert und in ihrem privaten Umfeld konfrontiert werden. „Auch Lokalpolitikerinnen und -politiker werden regelmäßig beleidigt, bedroht und ihre Privathäuser Ziel von Protesten, die Amts¬ und Mandatsträgerinnen und -träger gezielt einschüchtern sollen. Die gehäufte, teils martialisch vorgenommene Bedrängung von Politikerinnen und Politikern auf allen staatlichen Ebenen in ihrem privaten Wohnumfeld stellt insofern ein weiteres Beispiel für die dynamische und demokratiegefährdende Entwicklung im Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ dar.

    Der von Ihnen, Herr Wendt, entfaltete Begriff der Verächtlichmachung in der DDR-Prägung scheint mir wesentlich umfassender und totaler als der hier aktuell verwendete, mit einer Krisensituation verbundene Begriff des Verfassungsschutzes der Bundesrepublik. Ob sich hier eine Veralltäglichung der Verächtlichmachung dann auch als Straftatbestand in Zukunft entwickeln könnte, scheint mir kaum wahrscheinlich. Es geht in diesem Kapitel des Berichts des Verfassungsschutzes also nicht um Hohn, Spott, Ablehnung und Verachtung, nicht um solch würdelose Feldmänner und -frauen, nicht um Harmlosigkeiten wie faule Eier und Tomaten, nicht um Witze und Karikaturen, nicht um dieses Personal, das Sie anhand einiger Exemplare durchaus berechtigt zum Genuss des Lesers verächtlich machen: im Rahmen legitimen Protests! Es geht um ein Phänomen, das in einer spezifischen Krisensituation sich manifestiert hat und in zukünftigen Krisensituationen sich fortschreiben könnte, in denen politische Repräsentanten nicht etwa wegen ihrer individuellen Würdelosigkeit, sondern allein schon für ihre Repräsentanz verächtlich gemacht werden.

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    • Albert Schultheis
      17. Juni, 2022

      Sehr geehrter Herr Haas,
      Es mag ja durchaus sein, dass die Gemengelage während der dumpfen Corona-Jahre den Ausschlag für diesen anti-demokratischen Vorstoß im neuen «Phänomenbereich» gewesen ist, aber:

      1. Bereits die staatlichen Verordnungen während dieser Zeit waren dermaßen normstürzend für die Verhältnisse der BRD, dass sich einfache Bürger, die ansonsten ihrer Arbeit nachgehen, genötigt sahen, auf die Straße zu gehen. Gleichzeitig wurde ihr Protest, der im Vergleich zu anderen wohlbekannten berufsmäßigen Krawallcliquen, betont zurückhaltend und friedlich verlief, mit besonderer polizeiliche Härte incl. Kampfhunden und truppartiger Überwältigung von Greis:Innen sowie mit einer hemmungslosen Diffamierung begegnet.
      2. Diese, bisher unbekannte Art der Reaktion eines Polizeistaats sowie die während Corona angeordneten, speziell für Impfunwillige äußerst diskriminierenden und beispiellosen Maßnahmen und persönlichen Herabsetzungen in der BRD wurden begleitet von einer beinahe schon absichtlich zur Schau getragenen Vernachlässigung im Umgang mit pandemierelevanten Daten (Beispiel: Inzidenzen, Nebenwirkungen, Tod mit und an Corona) sowie einer offenen Feindlichkeit gegenüber einem wissenschaftlichen Diskurs über das Pandemiegeschehen. Selbsternannte Faktenchecker wurden beauftragt und staatlich finanziert, die die Ansichten der Andersmeinenden verfolgen sollten wie eine Horde ruhiger Kampfhunde.
      3. Es wurde insbesondere für die so Diffamierten und Verfolgten erkennbar, dass hier anti-demokratische, polizeistaatliche und geheimdienstliche Praktiken eingeübt werden sollten, die für die GrünRoten Politikfelder Klimarettung, Zerstörung der essentiellen Grundlagen unserer Wirtschaftsform, Flutung des Landes mit kulturfremden, ja, kulturfeindlichen überwiegend männlichen Einwanderern und damit die Auflösung des Begriffes vom «Deutschen Volk» gemäß Grundgesetz zur Durchsetzung unabdingbar werden würden.
        Von daher sehe ich in Ihrer obigen Beschwichtigung und Einhegung, den Versuch, die Ungeheuerlichkeit der geplanten polizeistaatlichen und an die Methoden der DDR-Stasi angelehnten Maßnahmen zu verharmlosen. Das ist schändlich in meinen Augen, Herr Haas.

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      • pantau
        17. Juni, 2022

        Herzlichen Dank Herr Schultheis für die überfälligen Worte zum Beitrag von Herrn Haas. Ich hatte ebenfalls geantwortet, aber sicher zu scharf für den jetzigen Zustand der Justiz, auf den publico vermutlich Rücksicht zu nehmen hat, um nicht in der Existenz gefährdet zu werden. Dafür habe ich Verständnis, Herr Wendt. Oder vielleicht ist mein Beitrag ja bloß noch nicht an der Reihe. Das einzige, was man den Querdenkern, Herrn Wodarg oder Herrn Bhakdi und all den anderen nicht gekauften Wissenschaftlern vorwerfen konnte, war dass ihre Voraussagen und Befürchtungen teils naturgemäß noch nicht 100% belegt waren. Nun, soweit ich das als medizinisch-wissenschaftlicher Laie beurteilen kann, liegen die Belege mittlerweile direkt und indirekt zahlreich vor, zumindest Indizien für eine medizinisch-politische Katastrophe, die Contergan bei weitem in den Schatten stellt. Habe gerade erst den neuesten Artikel von Jochen Ziegler auf der Achse über die 177% negative Wirksamkeit der mrna-Substanz bei Kindern gegen bzw hier für schwere Verläufe gelesen und kämpfe mit meiner Wut und meinem Entsetzen.

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      • ToNo
        19. Juni, 2022

        Vollkommen richtig, Herr Schultheis!

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  • Roberta Leicht
    16. Juni, 2022

    In Wochen und Tagen wie diesen, da ein Wirtschaftskompetenz simulierender Kinderbuchschreiber Durchhalteparolen skandiert und Genügsamkeitsapelle absondert, gleichzeitig aber unverdrossen fortfährt, zuverlässige Energiequellen mit ideologiegetriebenen Furor zuzustopfen, wächst meine Verachtung diesem grün lackierten Maoisten gegenüber ins Unermeßliche. Ich bringe die für ein anderes Haltungsmuster erforderliche Selbstverblödung einfach nicht zuwege. Und das ist nur ein Beispiel von sehr vielen möglichen. Die politische Klasse dieses Landes zeichnet sich durch fachliche Inkompetenz, Selbstgefälligkeit, Arroganz gegenüber dem Souverän, Raffgier und in Fällen auch schlicht noch durch eine die Bürger beschämende allgemeine Dummheit aus. Und das in der Hierarchie von unten nach oben in wachsendem Maße.
    Und es gibt weder Trost noch Hoffnung, denn: Geliefert wie bestellt! Es sind die Regierungen und es sind die Medien, die von der Mehrheit der Mitbürger gewählt oder zumindestens noch immer geduldet werden.
    Da bleiben nur die Nischen der Innerlichkeit und die Freuden der Verächtlichmachung im Graubereich der Noch-Nicht-Strafbarkeit. Oder?

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  • Jürg Rückert
    18. Juni, 2022

    Die Meinungsfreiheit wird delegitimiert
    Das Urteil des BVG von vor 11 Jahren ist Vergangenheit, denn das GG veränderte sich zunächst wie eine Wanderdüne, jetzt im Schritttempo und morgen ist alles ganz anders. Die „Critical Race Theory“ wird Teil unserer Verfassung, Abtreibung ein Menschenrecht, Sozial-Rabatte werden zur Währung usw.
    Schützte das GG bisher seine Bürger vor dem Staat, wird es nun zum Prügel der richtungsweisenden Parteien gegen die Untertanen, ein Kurswechsel um 180°.

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Original: Die verlorene Würde der Bärbel B.

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