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Politik, Gesellschaft & Übergänge

Alte & Weise: 1956 in „Gesammelte Werke“

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Von Alexander Wendt / / alte-weise, spreu-weizen / 7 min Lesezeit

„Am Anfang war das Wort und nicht das Geschwätz, und am Ende wird nicht die Propaganda sein, sondern wieder das Wort.“

Gottfried Benn 1956 in „Gesammelte Werke“

13 Kommentare
  • Albert Schultheis
    15. April, 2022

    Nein, Herr Wendt, falsch! Am Ende wird nicht das Wort sein, denn es würde ihm Keines mehr zuhören. Es wird die Propaganda sein und danach das leise Jammern und Röcheln.

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    • Alexander Wendt
      15. April, 2022

      Mit dieser Kritik sollten Sie sich allerdings direkt an Gottfried Benn wenden.

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      • Peter Wichmann
        15. April, 2022

        Wer viel arbeitet macht Fehler. Wer viel redet und/oder schreibt, redet oder schreibt gelegentlich unausgegorenes Zeug. Wir wollen im Angesicht großer Geister nicht das eigene Denken einstellen, in Ehrfurcht erstarren und all deren Hervorbringungen für der Weisheit letzten Schluß nehmen.
        Es wird nicht das alles erlösende oder zerschmetternde Wort eines wie auch immer gearteten Welt- oder sonstigen Geistes sein, das das Ende besiegelt.
        Da ist die Schultheis´sche Prognose ungleich plausibler, daß das „Ende“ sich unter Jammern und Röcheln vollzieht. Hervorgestoßen von Unglücklichen, die wieder einmal nicht wissen werden, wie geschehen konnte, was geschehen sein wird.
        Und Gottfried Benn, sehr geehrter Herr Wendt, schweigt, nach allem, was wir wissen, für immer.

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        • Alexander Wendt
          16. April, 2022

          Was Ihren letzten Satz angeht: Auch nach dem, was ich weiß. Aber wir kennen sein Werk. Was mich bei den Benn-Kritikern interessiert: wo ist ihres?

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          • Albert Schultheis
            16. April, 2022

            Nein, werter Herr Wendt, mir fällt nicht ein, mich mit einem Benn zu messen, Gott bewahre, und mein Lebenswerk finden sie in keiner Bibliothek. Aber mit Verlaub, wo kämen wir hin, wenn nur die Hochgelahrten, die mit ausgedehntem Literaturnachweis berufen wären, einen Benn zu interpretieren oder gar zu kritisieren? Ich für meinen Teil nehme mir heraus, wie jeder Klempner und jeder Bäcker auch, das zu kritisieren, was mir nicht passt oder was mir auf einem zu hohen Sockel daherzukommen scheint. Sollte das in Ihren Augen politically incorrect sein, werden wir beide wohl damit leben müssen.

        • pantau
          17. April, 2022

          Der Unglückliche, der sich die Augen reibt und sich fragt, wie alles geschehen konnte, ergreift ja doch wieder das Wort, nämlich getreu nach dem Aphorismus nach dem verheerenden Strohfeuer der Propaganda u. Ideologie. Am Ende ist daher auch in Ihrer Ausführung das klare Wort, d.h. Sie bestätigen den Aphorismus, obwohl Sie glauben ihn widerlegt zu haben. Es hat eine gewisse Komik. Für mich ist Benn noch sehr beredt und hat dem zeitgenössischen linken Zeitgeist bereits eine endgültige, allgemeingültige Form gegeben. Das könnte man wohl Größe nennen. Das sorgfältige Lesen schützt davor, unausgegorenes Zeug zu schreiben.

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      • Albert Schultheis
        16. April, 2022

        Verehrter Herr Wendt, gestatten Sie mir, dass ich mich lieber an die Lebenden statt an die Toten wende.

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    • pantau
      15. April, 2022

      Es ist so leicht, Benn mißzuverstehen. Es lohnt sich, ihn zu lesen, lieber Herr Schultheis. Irgendwo schrieb Benn: «nur Narren meinen ohne Glauben auszukommen». Benn glaubte an die Macht, sagen wir, an die Transzendenz im Wort, den Fortschritt von Werk zu Werk, während die Kulturkreise kommen und (mit Jammern & Röcheln) gehen. Es gibt hochinteressante Interviews und Vorträge mit bzw von ihm, etwa ein Gespräch mit Johannes R. Becher, oder einen Vortrag, wo er vor dem kommunistischen Enthusiasmus der deutschen Nachkriegsintellektuellen warnte, wie sie Tretjakow, der in Berlin nach dem Krieg auf Tournee war, zu Füßen lagen. In seiner kritischen Haltung gegenüber sozialistischen Flausen ist er aktueller denn je.

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      • Albert Schultheis
        16. April, 2022

        Lieber Pantau, Benn der Glückliche, er «glaubte an die Macht, sagen wir, an die Transzendenz im Wort, den Fortschritt von Werk zu Werk» – den Fortschritt also, das mag für ein Individuum zutreffen, für einen Schriftsteller, einen Philosophen, einen Wissenschaftler – aber für eine Gesellschaft? Wir sind als Gesellschaft gerade dabei innerhalb von Hundert Jahren den dritten Trial mit einem desaströsen Error zu komplettieren! Wie viele Trials wollen wir noch? Ich habe 5 Kinder und 3 Enkel, mein opus vitae, verdammt noch mal, ich hätte gerne, dass die auch eine Zukunft haben in diesem Land. Nein, ich habe keine Angst vor CO2 und auch nicht vor Corona!

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        • pantau
          17. April, 2022

          Benn glaubte nicht an den gesellschaftlichen Fortschritt, er glaubte nur an tapfere Einzelne, die untereinander mit der Flaschenpost ihrer Werke ein Band über Jahrhunderte knüpfen. Mit eigenen Kindern und Enkeln ist das alles sehr bitter, da stimme ich Ihnen zu. Zum Glück habe ich nur meine Frau.

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  • A. Iehenhain
    15. April, 2022

    Wenn andernorts schon «…das Wort bei Gott war», so mögen jene des Gottfried Benn in Gottes Ohr sein!

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  • Thomas
    16. April, 2022

    Die Abwesenheit der Glaskugel
    Oder: Zweifel am neuen Staat

    Wenn es eine Bedeutung hat, daß am Anfang das Wort war und nicht das Geschwätz, dann stellt sich die Frage, was ein Machtwort ist und was ein Machtgeschwätz.

    Einen Agitator kümmert es wenig, wenn er mit seinem Geschwätz universale Ideale zu retten vorgibt, denen er im nächsten Satz widerspricht. Wer beispielsweise als Grünenpolitiker heute fordert, in Spannungsgebiete nicht etwa Pflugscharen oder Helme zu liefern, sondern Waffen, der ist offenkundig ein Schwätzer.

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  • F. Dieterlein
    16. April, 2022

    Wenn Vielfalt auf Einfalt trifft, kommt so was raus.

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Original: Alte & Weise: 1956 in „Gesammelte Werke“

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