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Politik, Gesellschaft & Übergänge

Ab 5:47 Uhr wird erzogen

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Gabor Steingart bürdet sich die Last des weisen Mannes auf, Polen endlich mit Härte zur Räson zu bringen. Mit ihm kommt der Berliner Journalismus ganz zu sich

Von Alexander Wendt / / medien-kritik / 18 min Lesezeit

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In der deutschen Presse steht von allen Wissenschaften die Bescheidwissenschaft am höchsten. Auch und gerade gegenüber dem Ausland.

Was dem perfiden Albion, der bildungsfernen USA und dem verstockten Polen guttut, weiß niemand so gut wie ein Journalist aus Berlin. In diesem Punkt gibt es ausnahmsweise seit über einhundert Jahren keinen Traditionsbruch. Einen mustergültigen Text über Polen, der im Prinzip hundert ähnliche Kommentare anderswo zusammenfasst, veröffentlichte Gabor Steingart, Chefdenker von Pioneer, am 27. Oktober in seinem „Morning Briefing“, das er um 5:47 Uhr herausschickte und damit eine historische Marke haarscharf streifte.

Die Überschrift seines Polen-Textes zeigt schon, wo es lang geht: „Mehr Härte wagen“. Wie man weiß, handelt es sich um ein altes deutsches Problem – die Skrupel, ob Härte gegen den Polen wirklich gewagt werden darf. Unsere ewige Zurückhaltung gegenüber dem östlichen Nachbarn. Dafür, beruhigt Steingart, Pardon dürfe nun nicht mehr gegeben werden:

„Unser schwieriger Nachbar Polen will nicht so, wie wir wollen.“

Dann, wenn er wollte wie wir – und nur dann – könnte man nämlich auf Härte verzichten. Was will der schwierige Pole denn?

„Das europäische Recht – Grundlage eines funktionierenden Binnenmarktes – soll in Polen nicht gelten. Und wenn doch, dann nur, wenn es passt: Polen first.“

Steingart ist wie viele seiner Kollegen ein Meister des Holzschnitts. In der aktuellen Auseinandersetzung behaupten Polens Richter und Regierungspolitiker nicht, das EU-Recht solle bei ihnen „nicht gelten“, sondern nur, dass es nicht generell über nationalem Recht stehen soll. Die gleiche schwierige Ansicht vertrat übrigens auch schon das Bundesverfassungsgericht unter seinem früheren Präsidenten Andreas Voßkuhle in seinem Urteil zum Anleihenkauf der EZB, worauf die EU-Kommission mit einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland antwortete. Dass EU-Recht und Rechtsprechung nicht immer und automatisch über der Verfassung stehen, ergibt sich auch aus Grundgesetzartikel 20. Und mehr oder weniger aus allen Verfassungen der Mitgliedsländer.

Aber wer mehr Härte will, kann und muss sogar mehr Vereinfachung wagen. Polen, so Steingart, werde sowieso nicht aus der EU austreten, weshalb auch keine übertriebene Rücksicht wie seinerzeit gegen Großbritannien angezeigt sei.
„Hier die fünf Gründe“, schreibt der Pionier aus Berlin, „warum die neue Bundesregierung nahezu risikofrei eine entschlossenere Haltung gegenüber Polen einnehmen kann.“

Risikofrei eine Haltung einnehmen – das ist überhaupt die Spezialstrecke des deutschen Kommentariats. Auf diesem Exerzierfeld macht ihm weltweit niemand etwas vor. Irgendetwas, das ahnt Steingart, war da mit Polen und der Historie. Daraus begründet er, warum niemand so gut geeignet sei wie Deutschland, Polen hart und nachdrücklich auf den richtigen Pfad zu führen:

„Die gemeinsame Geschichte, die vor allem auch eine Leidensgeschichte ist, verbindet unsere beiden Völker. Polen ist ein geschundenes, ein verletztes Land, das die Distanz zu Russland und die Nähe zu Deutschland sucht […] Zwischen Deutschen und Polen existiert ein Wärmestrom.“

Wer als geschichtlich unbefangener Leser das Morning Briefing von 5:47 Uhr studiert, könnte meinen, Deutschland und Polen seien in der Vergangenheit irgendwie gemeinsam von Russland überfallen worden. Zwischen Deutschland und Polen gibt es zum Glück heute viele Beziehungen, und nicht unbedingt der Wärmestrom, aber der Stromfluss von Polen nach Deutschland dürfte, ganz nebenbei, in Zukunft noch wichtiger werden als jetzt, jedenfalls dann, wenn 2030 zur Weltklimarettung das letzte deutsche Kohlekraftwerk vom Netz geht. Da besteht allerdings eher eine bundesrepublikanische Abhängigkeit von Polen als umgekehrt. Aber vielleicht stellt sich der frühere Handelsblatt-Chef das ideale Außenwirtschaftsverhältnis genau so vor: Polen liefert Kohlestrom nach Berlin, Deutschland Belehrungen nach Warschau.

Es folgen noch weitere Argumente: das viele Geld, das die Polen von der EU erhalten (eigentlich von den Steuerbürgern), und das sie nicht mit entsprechendem Wohlverhalten vergelten. Außerdem: Sollte das östliche Nachbarland je in einen militärischen Konflikt mit Russland geraten, so Steingart, dann würde ihm die Bundeswehr nur dann zur Seite stehen, wenn sich die polnische Regierung künftig an den Wertekanon der Redaktionsbüros von Berlin Mitte hält.

Vermutlich würde die polnische Armeeführung im Ernstfall nach Berlin mailen: Bitte helfen Sie uns nicht, allein ist es schon schwer genug (aber das nur als weitere Fußnote).
Zum Schluss fasst Steingart zusammen, was jetzt passieren muss:

„Polen soll nicht unterdrückt, nur demokratisch erzogen werden. US-Pädagogen raten im Umgang mit Problemkindern übrigens nicht zur Moderation, sondern zur Strenge. Ihr Konzept: Tough Love.“

Ein Land mit 38 Millionen Einwohnern, die unterschiedlich denken, unterschiedlich wählen, allerdings eine Geschichte mit vielen Erziehungsversuchen teilen, kollektiv auf den Status eines Kindes und dazu noch eines Problemkindes zu stufen – das geht noch ein bisschen weiter als Rudyard Kipling in „The White Man’s Burden“, in dem es über die Völker außerhalb heißt:

„Our new caught sullen people/half devil and half child”.

Kipling, ein brillanter und heute natürlich als kolonialistisch verfemter Autor, kannte Indien hervorragend, sprach Hindi und stand eigentlich, wie sich in „Kim“ nachlesen lässt, eher auf der Seite der Indigenen. Alles in allem gehörte er zu den ambivalenten und interessanten Dichtern.

Steingarts Bild von den Schwierigpolen lässt sich wesentlich einfacher in einer Zeile zusammenfassen: ‘Halb Kind, halb Problemkind‘.
Ohne Erzieher aus Brüssel und Berlin ist Polen verloren.

Wäre Steingart nicht ein so hervorragender Vertreter seines Milieus, das immer den gleichen Kommißstiefel schreibt, dann würde er zumindest den Satz Hannah Arendts kennen: „Wer erwachsene Menschen erziehen will, will sie in Wahrheit bevormunden und daran hindern, politisch zu handeln.“

Aber Arendt steht bekanntlich für die Vergangenheit, Steingart dagegen für die intellektuelle Gegenwart an der Spree und wahrscheinlich erst recht die Zukunft. Wer sich als deutscher Journalist die Last des weisen Mannes aufbürdet und erwachsene Polen erziehen will, erhält demnächst irgendeinen kerndeutschen Preis für europäische Verständigung.

Unter der harten Helmschale steckt nämlich seit eh und je ein weicher Kern, und nur dann, wenn das Erziehungsobjekt das Liebesangebot zurückweist, ist wirklich Schluss mit lustig.

Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.

19 Kommentare
  • Nichtgeimpfter
    27. Oktober, 2021

    In den Redaktionen scheint der «Erziehungs-Volkssturm» zum letzten Gefecht anzutreten. Hoffentlich kann die Bundeswehr Stahlhelme liefern, damit die Indoktrinierten des EU-Regimes sich von den Polen keine Beulen holen. Bestimmte und revanchistisch anmutend schreibende Medienvertreter, sollte man die Einreise und Akkreditierung in Polen entziehen. «Am Deutschen journalistischen Wesen soll also nun Polen genesen»??

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  • A. Iehsenhain
    27. Oktober, 2021

    Morawiecki hat eigentlich schon unlängst sehr gut Kontra gegeben – er regte an, erstmal das deutsche Bundesverfassungsgericht einer Überprüfung demokratischer Standards zu unterziehen. Das hat ihn mir überaus sympathisch gemacht.

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    • Materonow
      31. Oktober, 2021

      Der Mann hat auf einen wunden Punkt verwiesen; die Wahl oberster Richter in Deutschland.
      Wie die politischen Parteien in Deutschland fast alles vereinnahmt haben und nach ihrem Gutdünken und Proporzpfründenhandeln auskungeln.
      Von Demokratie ist da wenig zu finden. Es sollten oberste Richter in einem demokratischen Verfahren vom Volk gewählt werden!

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  • Gero Micheler
    27. Oktober, 2021

    Ich habe einmal – verwöhnt von intellektuellen, warmherzigen, humorvollen und gebildeten englischen Podcasts wie jenen von Spiked, Spectator und Telegraph – den Fehler gemacht, und ‘Steingarts Morning Briefing’, oder so ähnlich, als Podcast abonniert.
    Ich habe wenige Minuten davon ertragen, und dann schnell wieder gelöscht. So viel deutsche Klugscheißerei, Rechthaberei, Besserwisserei, Selbstverliebtheit und Überheblichkeit war schlicht und einfach nicht zu ertragen.
    In den Nachkriegsjahrzehnten hat man die Deutschen genau deswegen nie geliebt, aber zumindest bewundert. Mit der Bewunderung ist es aber nun auch schon ein ganze Weile vorbei.
    Was bleibt?

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  • Thomas O. Mahrenholtz
    27. Oktober, 2021

    Gut gebrüllt Löwe!
    Als regelmäßiger Leser/Hörer auch des Steingartschen Morning Briefing hatte ich nach der heutigen Ausgabe den Eindruck, Überblick und Maß seien hier auf der Strecke geblieben. Ihre Analyse bringt mein Unbehagen intellektuell/rational auf den Punkt!

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  • Andreas Rochow
    27. Oktober, 2021

    Wunderbar beobachtet und messerscharf analysiert. Sie Soros-Mitesser werden es schaffen, dass eines nahen Tages der Eindruck entsteht, die Polen selbst jagten ihre Regierung zum Teufel, weil diese es wagt, sich gegen die EU-ropäische Bevormundung zur Wehr zu setzen. Der eu-ropäische Einigungsprozess bewirkt derzeit, dass die Deutsche Bundesrepublik immer unbeliebter wird. Man geht nicht nett mit den Nachbarn um, wenn sie nur Anlass zum Anfangsverdacht geben, nicht links und nicht antiidentitär zu sein. Ein Fall für Kapitän Gabor Steingart, der meines Wissens die Schiffbarkeit der Oder-Neiße-Friedensgrenze mit seiner Pioneer One noch nicht erfahren hat. Vertane Chance, ein originelles Zeichen zu setzen; lieber betreibt er Remote-Hetze gegen den souveränen östlichen Nachbarn, der seine Grenze schützt. Ich bin entsetzt, nun erleben zu müssen, wie auch Steingart dem deutsch-antipolnischen Hochmut verfallen ist. Mit dem erigierten Drohfinger begibt er sich aber mitten in den aktivistischen Mainstream und gibt sich damit der Lächerlichkeit preis. Gerade hat Roger Köppel geätzt über deutsche Drohgebärden Richtung China. Auch die Ungarn und die Tschechen will Deutschland das Fürchten lehren. Unser Außenminister sorgt für die Verzwergung Deutschlands; Soros’ NGOs bestimmen längst die Außenpolitik. Die Innenpolitik sowieso.

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    • ToNo
      28. Oktober, 2021

      Es ist m.E. nicht speziell anti-polnisch, sondern schlicht anti-anders-als-man-selbst. Steingart und seine Gemütsverwandten verurteilen und bevormunden so jedes europäische Volk und auch jeden Deutschen (die Dunkeldeutschen), wenn die eine andere Weltsicht haben oder gar vertreten. Abartigerweise gelten bei außereuropäischen Völkern und Individuen dann aber andere Maßstäbe. Steingart ist nur so besonders erbärmlich, dass er seine Tiraden öffentlich, ohne den Versuch einer Verklausulierung und sicher ganz bewusst mit historischen Anklängen, die sonst zurecht eine Empörungswelle auslösen würden, absondert. Man muss das alles dokumentieren und für kommende Generationen aufbewahren. Die werden das nur wahrscheinlich gar nicht glauben können. Und vermutlich leider auch nicht viel daraus lernen. Dank dem großartigen Chronisten Alexander Wendt!

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  • Peter Ackermann
    27. Oktober, 2021

    Sauber! Danke!
    Und eigentlich die praktische Ergänzung zum heutigen, vorangegangenen Artikel vom Autor (Obwohl eigentlich auch schon Eggers` «The Circle» zum Verständnis gereicht hätte.).
    Liebe Grüße
    Peter Ackermann

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  • Nikedew
    27. Oktober, 2021

    Wie immer stilistisch eine bella figura. Aber das verhindert leider nicht, auch mal erheblich daneben zu treten. Daneben sind zum einen die Tritte ans Schienbein des Kollegen Steingart. Man mag seine Position falsch finden, aber warum so gehässig? Ganz untere Schublade: der schon in der Überschrift angedeutete Nazi-Vergleich.
    Zum anderen aber wird das eigentliche Problem mit Polen einfach ignoriert. Es liegt darin, dass dort eine Regierung bzw. die sie tragende Partei versucht sich ein Land als Erbhof einzurichten, indem alle Schlüsselstellungen und Machtpositionen besetzt und demokratische Gegenkräfte behindert werden. Darum geht es im Kern und das sollte uns sorgen. Auch und gerade deshalb, weil es bei uns ähnliche Tendenzen gibt. Nur eben von links-grüner Seite.

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    • ToNo
      28. Oktober, 2021

      Innerpolnische Politik hat die Deutschen einfach nicht mehr als belgische, peruanische oder neuseeländische anzugehen. Man mag sich eine Meinung bilden, sollte die aber gefälligst für sich behalten (weil sie mit hoher Wahrscheinlichkeit sowieso aus Unkenntnis der genauen Zusammenhänge unzulänglich ist) und sich auf das Kehren vor der eigenen Tür konzentrieren. Und wenn etwas als gehässig zu bezeichnen ist, dann ist es doch wohl Steingarts Attitüde.

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    • Jürgen
      28. Oktober, 2021

      Dieser Kommentar ist insofern bemerkenswert, als er von Erbhöfen einer Partei in Polen redet. Offensichtlich übersieht der Schreiber, dass genau das in Deutschland auch passiert: Erbhöfe werden eingerichtet, alle Schlüsselpositionen …..usw. Und das Bundesverfassungsgericht? Und der Verfassungsschutz? Und diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. Was Polen anbelangt, scheint es unsere linkdrehenden Medien geradezu umzubringen, dass in Polen eine konservative Regierung (ebenso wie in Ungarn, das ja unter die selbe Rubrik für unsere Medien fällt) am Ruder ist, die auch noch die Mehrheit der Wähler findet und gefunden hat. Man kann den Polen nur wünschen, dass sie sich den Erpressungsversuchen der EU nicht beugen.

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      • Werner Bläser
        28. Oktober, 2021

        Ich glaube, etwas anderes scheint unsere linksdrehenden Medien besonders zu ärgern: Der Vorrang der polnischen Verfassung vor EU-Recht. Überhaupt nationaler Verfassungen. Denn erstens sind sie natürlich lebendes Zeichen dafür, dass Nationen existieren – was in den Augen der Linken sowieso schon schlecht ist. Zweitens garantieren die europäischen Verfassungen demokratische Rechte. Und das scheint mir der eigentlich Knackpunkt zu sein.
        Denn wie in letzter Zeit – erst verschämt, dann immer häufiger offen – die Vorteile der Demokratie niedergemacht werden, weil demokratische Verfahren eben die Durchführung linker Ziele stören, sei es im Klimaschutz, in der Herbeiführung unbeschränkter Einwanderung oder eben allgemein in der Auflösung von Nationen, ist auffallend.
        Ein Kommentator der ARD hat – meiner Erinnerung nach – vor einiger Zeit den Anfang gemacht, es wurde von einem amerikanischen Politologen berichtet, der das Loblied der Diktatur sang, dann krochen immer mehr solcher Zombies aus ihren Löchern, bis zu Thomas Brussigs Artikel in der SZ «Mehr Diktatur wagen».
        Das neue Idealbild vieler Linker scheint eine Art Platonischer Philosophenherrschaft zu sein, wobei – selbstverständlich! – sie selbst die Rolle der Philosophen zu übernehmen hätten. Dabei ist das natürlich nicht wirklich neu, die Alten unter uns erinnern sich ja noch, dass es einmal so etwas wie Kommunismus gab, der auch den Markt und Freiheiten abschaffen wollte, und dass der dazu nötige «Neue Mensch» und die neuen Strukturen selbstverständlich nur von oben von einer «Revolutionären Avantgarde» ins Leben gerufen werden könnten.
        Wer sich einmal die Biographien älterer Linker anschaut, der kann die personelle Kontinuität ‘Kommunismus – Grünismus (bis zum Wokismus)’ kaum übersehen.
        Das Primat der EU hat für diese Leute bestechende Vorteile. Gerade durch den Mangel an demokratischen Checks and Balances in den EU-Strukturen. Die EU-Kommissionsbesetzung wird in Hinterzimmern ausgekungelt, die einzelnen Mitglieder sind im allgemeinen den europäischen Öffentlichkeiten (es gibt ja keine gemeinsame europäische Öffentlichkeit) kaum oder gar nicht bekannt, und VOR ALLEM: das Europäische Parlament ist ein halbdemokratischer Kastrat.
        Eine europäische Verfassung gibt es nicht, der Versuch ihrer Einführung ist gescheitert.
        Das wären doch ideale Voraussetzungen, die linke Agenda ohne störende Gegenwehr von «Ewig Gestrigen» von oben durchzudrücken. Die Aushebelung von «sogenannter Demokratie» (man spricht ja jetzt auch in anderem Zusammenhang von «sogenannter Meinungsfreiheit») wäre da ganz praktisch.

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    • Jochen Schmidt
      29. Oktober, 2021

      Sie schreiben oben:

      «Zum anderen aber wird das eigentliche Problem mit Polen einfach ignoriert. Es liegt darin, dass dort eine Regierung bzw. die sie tragende Partei versucht sich ein Land als Erbhof einzurichten, indem alle Schlüsselstellungen und Machtpositionen besetzt und demokratische Gegenkräfte behindert werden.»

      Aber das tut doch Herr Steingart ebenso. Auch Steingart beschränkt sich auf den reinen Rechtsstreit zwischen Polen und EU – von irgend einer Politiker-Clique, die sich da ein wunderbares Land unter den Nagel reißt, ist nirgends die Rede.

      So, wie ich den Artikel oben von Herrn Wendt verstehe, kritisiert er vor allem Steingarts Art und Weise der Auseinandersetzung: dass Steingart nämlich keine Argumente bringt, nicht das pro und contra gegeneinander abwägt, nicht mögliche Kompromisse in Erwägung zieht, sondern stattdessen als völkischer Ober-Erzieher Befehle erteilt, Forderungen aufstellt und Drohungen ausspricht.

      Was erwarten Sie denn, was man entgegnen soll, wenn ein Deutscher im Jahre 2021 allen Ernstes schreibt: „Unser schwieriger Nachbar Polen will nicht so, wie wir wollen“?

      Was, bitte, soll man entgegnen, wenn jemand allen Ernstes schreibt: „Polen soll nicht unterdrückt, nur demokratisch erzogen werden. US-Pädagogen raten im Umgang mit Problemkindern übrigens nicht zur Moderation, sondern zur Strenge. Ihr Konzept: Tough Love.“

      Was soll man entgegnen, wenn jemand einen Text über einen Konflikt mit einem Nachbarland unter die Überschrift stellt: „Mehr Härte wagen“?

      Der Artikel von Herrn Wendt ist ohne Zweifel polemisch – aber Herr Steingart hat hierzu zahlreiche «Steilvorlagen» geliefert. Mir persönlich erscheint Wendts Polemik gerechtfertigt.

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    • Materonow
      31. Oktober, 2021

      @Nikedew: Und was bitte ist daran anders als Deutschland? Auch hier hat sich eine linksgrüne Hauptlinie angemaßt, jeden , der nicht ihrer Meinung applaudiert, als faschistoid, rechtspopulistisch, rechtsextrem, Nazi usw usf zu betiteln und auszugrenzen. Deutschland ist doch ebenfalls ein linksgrüner Erbhof geworden. Bin kein Freund von Relativierungen, aber der Hinweis muß sein!

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  • Gotlandfahrer
    29. Oktober, 2021

    Mein Vater sagte immer «die Leute müssen immer übertreiben». Früher war für mich die Hauptaussage das «übertreiben». Heute, nach all den Schreckensjahren hier in Wokistan, habe ich für mich gelernt: Entscheidend ist das «müssen immer» – der ganze medial-politische Komplex kann gar nicht anders, als sich gegenseitig in einem ewigen Überbietungswettbewerb von einem Extrem ins andere zu treiben. Zu was für geistigen Flachpfeifen machen sich formal sicher durchaus intelligente Menschen wie Steingart? Wenn uns deren hysterisches Umsichschlagen nicht alle übel & gefährlich betreffen würde, müsste man erste Hilfe leisten…

    Man Steini, guck mal, fällt Ihnen was auf?:

    https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article167392448/Wie-das-beruehmte-Schlagbaum-Foto-wirklich-entstand.html

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  • Dipl.-Vw. Manfred Schneider
    30. Oktober, 2021

    Danke für den gewohnt brillant formulierten, unterhaltsamen Beitrag mit überaus originellem Aufhänger-Titel! Herrlich dabei auch der Klaps für Kollegen Steingart für dessen grandiosen Einfall, den Polen doch ein bisschen den Geldhahn zuzudrehen, um diese garantiert zu Raison zu bringen! Dafür kann dieser zwar bei der notorischen Versagerin und Möchtegern-Europa-Chefin vdL vermutlich punkten, ob das aber für ein Einknicken des Polen reicht? Mit Blick auf der teilweise sehr leidvollen Geschichte Polens während der letzten Jahrhunderte (der Staat war ja bekanntlich schon mal völlig von der politischen Landkarte verschwunden!) – sind da Zweifel schon angebracht! Wie auch immer: Die Lektüre hat mich wieder daran erinnert, die gewohnten Jahresschekel für Sie anzuweisen! Alles Gute weiterhin!

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  • Materonow
    31. Oktober, 2021

    «Polen will nicht so, wie wir wollen!»
    Donnerknispel, was erlauben Polen?!

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  • Gerhard Lenz
    1. November, 2021

    Wieder einmal habe ich Alexander Wendt und die von ihm ausgelösten Kommentare mit großem Gewinn für mein eigenes – oftmals indifferentes – Meinungsbild gelesen. Ganz herzlichen Dank an alle!
    Steingarts «Morning Briefing» werde ich aber auch in Zukunft lesen. Er weiß zu viel und schreibt zu gut, als dass ich darauf verzichten möchte. Außerdem darf man ja auch noch auf einer kleinen Bewertungsklaviatur mitspielen.

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Original: Ab 5:47 Uhr wird erzogen

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