– Publico –
Politik, Gesellschaft & Übergänge

Großer Bruder Twitter

Original post is here eklausmeier.goip.de/wendt/2020/10-grosser-bruder-twitter.


Die Zensur eines New-York-Post-Artikels über Biden durch die Plattform ist nur ein Detail. Was käme heraus, wenn die großen Tech-Konzerne mit der politischen Macht verschmelzen? Ein Totalitarismus, den wir noch nicht kennen

Von Alexander Wendt / / politik-gesellschaft / 23 min Lesezeit

stdsize

Nach ihrer Auflage steht die New York Post auf Platz vier der großen Zeitungen in den USA. Ihre Veröffentlichungen über die vermeintliche oder tatsächliche Verquickung von Amtsgeschäften Joe Bidens als Vizepräsident und der Tätigkeit seines Sohns Hunter Biden als Berater der ukrainischen Erdgasfirma Burisma hätte also in jedem Fall Aufmerksamkeit gefunden.

Stattdessen spielt die Enthüllung einer E-Mail – die laut NY Post aus einem Datenbestand von Hunter Bidens Laptop stammen soll – inzwischen fast eine Nebenrolle. Der 14. Oktober 2020, als der Autor der NYP-Geschichte Sohrab Ahmari und tausende andere feststellten, dass sie den Link zum Artikel über Bidens mutmaßliche Geschäfte nicht per Twitter veröffentlichen konnten, markiert möglicherweise einen historischen Wendepunkt. Ein Unternehmen, das nach eigener Definition nur Plattform für den Informationsaustausch sein will, entschied, dass ein bestimmter Medieninhalt, der dem Präsidentschaftsbewerber Joe Biden schaden und dem Amtsinhaber Donald Trump nutzen könnte, über seine Kanäle nicht mehr verbreitet werden durfte.

Damit verwandelt sich der Kurznachrichtendienst in etwas, was er offiziell nicht sein will, nämlich ein Medium, das weniger eigene Inhalte beisteuert, als vielmehr bestimmte Meinungen und Informationen aussortiert. Allerdings eben nicht in ein Medium unter vielen, sondern eins, das faktisch ein Monopol auf dem Gebiet der Kurznachrichtenverbreitung besitzt. Es entsteht also kein Medienmonopolist, wie wir ihn kennen, sondern ein Hybrid mit außerordentlicher medialer und technologischer Macht.

Um das alte Bild von Medien als Gate Keeper, also Torwächter zu gebrauchen: Ein Hybrid dieser neuen Art kontrolliert eben nicht mehr nur ein Tor. Sondern ein ganzes Straßennetz. An einem Tor kann jemand vielleicht noch vorbeischlüpfen.
Die Techniker von Twitter gingen so gründlich vor, dass sie nicht nur die öffentliche Verbreitung des Artikels über Biden über ihren Kanal blockierten. Selbst Twitter-Nutzer, die den Link als Direktnachricht an einen anderen Nutzer verschicken wollten, bekamen eine Fehlermeldung. Nicht nur in den USA, sondern auch in Europa.

Twitter ging damit einen entscheidenden Schritt weiter als Facebook: Das Netzwerk kündigte nur an, die Verbreitung der Geschichte über Joe Biden und Sohn einzuschränken.
Der Autor des New York Post-Textes Sohrab Ahmari schrieb, was hier passiere, sei ein „Putsch der großen Tech-Plattformen, ein digitaler Bürgerkrieg“ („This is a Big Tech information coup. This is digital civil war“).

Bei seiner Biden-Geschichte selbst handelt es sich nicht, wie die NYP schrieb, um den rauchenden Colt, den definitiven Beleg für eine Korruptionsverwicklung des demokratischen Präsidentschaftskandidaten.

Das Material fällt zweifellos in die Kategorie all the news that’s fit to print. Bei genauerer Betrachtung erweist es sich als relativ dünn. Die Enthüllung besteht neben einigem Beiwerk aus einer Mail, die Vadim Pozharskyi, damals wichtigster Berater der ukrainischen Erdgasfirma Burisma, am 17. April 2015 an Hunter Biden schickte, der damals in einer Spitzenposition für Burisma arbeitete. Darin bedankt sich Pozharskyi _„für die Gelegenheit, deinen Vater zu treffen und einige Zeit miteinander zu verbringen. Es ist wirklich eine Ehre und ein Vergnügen.“ (“Thank you for inviting me to DC and giving an opportunity to meet your father and spent some time together. It’s really an honor and pleasure.“)
_

Sollte der Burisma-Berater auf Vermittlung von Hunter Biden tatsächlich Joe Biden getroffen haben, dann würde das trotzdem die Glaubwürdigkeit des Präsidentschaftskandidaten ramponieren – denn Biden Senior hatte immer versichert, sich von den Geschäften seines Sohnes ferngehalten zu haben. Biden-Sprecher Andrew Bates sagte, aus den offiziellen Aufzeichnungen von Joe Bidens Besuch in der Ukraine 2015 ergebe sich kein solches Treffen; mehrere aktive und ehemalige Regierungsbeamte, die ihn damals begleitet hatten, versicherten, sie wüssten von einer solchen Begegnung nichts („we have reviewed Joe Biden’s official schedules from the time and no meeting, as alleged by the New York Post, ever took place.”). Das beweist freilich noch nicht, dass es sie nicht gegeben hatte. Der Biden-Sprecher ließ auch die Möglichkeit offen, dass beide aufeinandergetroffen sein könnten, allerdings dann nur flüchtig („cursory“).

Die Mail und anderes Material stammt nach Angaben der New York Post aus einem Laptop von Hunter Biden, den er wegen eines Wasserschadens zur Reparatur gebracht, aber nie abgeholt haben soll. Von dem Reparaturunternehmen gelangten Rechner und eine externe Festplatte zum FBI, und – vermutlich – von dort durch ein Leak an die Zeitung.

Fotos eines höchstwahrscheinlich Crack rauchenden Hunter Biden, die aus der gleichen Quelle stammen sollen, überraschen niemanden in der amerikanischen Öffentlichkeit. Dass Biden Junior ein Drogenproblem hatte, ist bekannt, Joe Biden erwähnte das auch in der TV-Debatte mit Donald Trump.
Es geht also um eine durchgesickerte E-Mail, die einen Verdacht begründet, aber keinen Beweis für Korruption liefert.

Twitter argumentierte wie Facebook, das Unternehmen habe die Verbreitung der Geschichte verhindert, beziehungsweise – bei Facebook – gebremst, weil die Quelle unklar sei. Facebook- erklärte, „unabhängige Faktenprüfer“ müssten die Angelegenheit erst untersuchen. Allerdings, und darauf weist die New York Post hin, gab es in den vergangen Jahren immer wieder schlecht bis gar nicht belegte Negativgeschichten über Donald Trump. Keine einzige wurde auf Twitter blockiert.

Dazu gehört ein so genanntes „Dossier“ von 35 Seiten über eine angebliche Begegnung Trumps mit einer Prostituierten in Moskau, das ausschließlich aus Behauptungen besteht, und, nachdem etliche andere Medien abgewunken hatten, schließlich 2018 von der Plattform Buzzfeed veröffentlicht wurde, worauf andere die Geschichte dann breit kolportierten. Die Anschuldigung, Trump habe bei einem Besuch in Frankreich die 1944 in der Normandie gefallenen US-Soldaten als „Trottel“ bezeichnet, gehört sogar zu den Wahlkampfhits der Demokraten. Für den Ausspruch gibt es bislang weder namentliche Zeugen noch andere Beweise.

Die Ungleichbehandlung der Fälle durch die Tech-Plattformen ist also offensichtlich.
Die Blockade durch Twitter und die Bremse auf Facebook verschafften dem NYP-Artikel deutlich mehr Aufmerksamkeit, als er ohne die Eingriffe gefunden hätte. Bestsellerautor Nassim Taleb twitterte ironisch, das Blatt gehöre normalerweise nicht zu seiner Lektüre, er habe den Text ausschließlich wegen des Twitter-Blocks gelesen. I usually do not read the NY Post. But I made sure I did read the article in the NY Post because of the censorship. Information does not like to be repressed ( Part I,#Antifragile)«)

Twitter-Chef Jack Dorsey schrieb eine kurze Mitteilung: Die Kommunikation des Unternehmens über die Sperre des Biden-Artikels sei „nicht großartig“ gewesen, es sei „unannehmbar“, dass Twitter sie nicht besser erklärt habe. Our communication around our actions on the @nypost article was not great. And blocking URL sharing via tweet or DM with zero context as to why we’re blocking: unacceptable.»)

Aber, siehe oben: Die Auseinandersetzung über einen wahlkampfrelevanten Artikel verstellt eher den Blick auf das ganze Bild, als dass es ihn schärfen würde.
Der New York Post-Beitrag war selbstverständlich weiter über Google zu finden. Er wurde häufiger gelesen als ohne Gegenmaßnahmen. Was wäre also so einschneidend daran, wenn sich Twitter (und Facebook, möglicherweise als nächstes Google) zu Medien mit einer bestimmten politischen Tendenz wandeln würden? Es wäre kein Problem, wenn es zehn oder besser zwanzig etwa gleichwertige Plattformen wie Twitter, Facebook und Google nebeneinander gäbe. Bekanntlich ist das nicht nur nicht der Fall. Einen Markt der freien Konkurrenz wird es in der Informationstechnologie in absehbarer Zukunft nicht geben.

Wenn sich Twitter und andere Tech-Plattformen in Medien verwandeln, welche die Nachrichtenlage kuratieren, bestimmte Informationen vergrößern, andere wegfiltern und möglicherweise demnächst die Suche nach bestimmten Dokumenten erschweren, dann werden sie zu Monopolisten der Aufmerksamkeitsökonomie, die alte Medienkonzerne wie Hearst zu seinen besten Zeiten weit hinter sich lassen. Sie können politische Aufmerksamkeit gezielt schaffen, vor allem aber auch unterbinden. Ihnen gehört nicht nur ein Zentrum wie Hearst, sondern jeweils ein globales Netz, das gleichzeitig als Kommunikationsweg von Millionen Kunden untereinander dient.

Um einen Vergleich zu bemühen, der nicht ganz, aber halbwegs trifft: Was hier als Möglichkeit der großen Plattformen aufscheint, wäre etwa so, als hätten sich im Papierzeitalter drei bis vier Medienkonzerne nicht nur den größten Teil des Marktes unter sich aufgeteilt, sondern auch die Verkaufsstellen für ihre Zeitungen und Magazine, als hätten sie zusätzlich die Post unter ihre Kontrolle gebracht und damit begonnen, Briefe und Pakete mit einem bestimmten Inhalt nicht mehr zu verschicken.

In einer Welt, in der Tech-Plattformen wie Twitter, Facebook und Google ihre Möglichkeiten ausspielen, könnten kleine Medien und Plattformen sogar weiter bestehen. Sie blieben ohne Reichweitenverstärkung marginale Erscheinungen, die noch Vielfalt suggerieren, wo längst neue Mächte den Ton angeben.
Was geschieht, wenn Joe Biden die Wahl gewinnt?

Die Unternehmensführungen von Twitter und Facebook dürften sich dann kaum auf politisch neutrale Positionen zurückziehen oder sich sogar zu Oppositionsunzterstützern verwandeln. Dazu dauert der Kulturkrieg zwischen der urbanen Priesterkaste, die sich selbst als „erleuchtet“ sieht, wie die frühere New York Times-Redakteurin Bari Weiss schrieb, und dem basket of deplorables (Hillary Clinton) schon zu lange an. Und er betrifft nicht nur den basket of deplorables, die unerleuchtete Unterschicht, sondern eigentlich alle außerhalb des moralisch selbstermächtigten Zirkels, zu dem auch ein früherer Twitter-Manager zählt, der vor kurzem deutlich machte, wer seiner Meinung nach alles besser an die Wand gestellt werden sollte.

Was also, wenn technologisch-mediale Quasi-Monopole mit einer politischen Agenda und klassische politische Macht demnächst in dasselbe Lager fallen? In der westlichen Welt passierte das bisher noch nie. (Vor vier Jahren sah die Welt noch etwas anders aus, sowohl politisch als auch in der Plattformökonomie). Bisher existiert diese Fusion von IT-Schlagkraft und herkömmlicher Machtkonzentration nur in einem Land: China. Die dortige Führung war luzide genug, um früh zu erkennen, dass die Macht im 21. Jahrhundert nicht mehr ausschließlich aus den Gewehrmündungen und den Druckmaschinen der Zentralbanken kommt, sondern auch mehr und mehr aus Plattformen der Informationstechnologie. Wer alles zusammen in den Händen hält, der errichtet eine Herrschaft, die kaum jemand ernsthaft erschüttern kann.

Es fällt mit etwas Phantasie nicht schwer, sich diese Dystopie auszumalen. Eine neue US-Administration sorgt dafür, dass große Tech-Unternehmen ihr Plattformprivileg behalten und die Fiktionen aufrechterhalten können, sie seien keine Medien. Auf der anderen Seite lässt sich eine bestimmte, aber nie wirklich definierte Sorte von Botschaften nicht mehr über Twitter und Facebook weiterverbreiten und auch nur noch eingeschränkt per Suchmaschine finden. Die so eingedämmten Medien könnten sogar in formaler Freiheit bestehen bleiben. Sie fänden sich in einer ähnlichen Position wieder wie ein mittelalterlicher Panzerreiter gegenüber einer KI-gesteuerten Drohne. Der Ritter dürfte als folkloristisches Element vorläufig weiterreiten. Schließlich gibt es zur Belustigung des Publikums heute auch Mittelaltermärkte.

Zur Plattformmacht kommt das direkte Engagement von Mäzenen aus diesem Kreis. Jeff Bezos, der 2013 die Washington Post kaufte, könnte Nachahmer finden. Die Bill und Melinda Gates-Stiftung betätigt sich schon jetzt als Unterstützer klassischer Medien.
In dieser Welt würde Thomas Jeffersons berühmter Satz, eingelassen auf dem Fußweg der 41. Straße in New York, nicht mehr so gelten wie früher: „Where the press is free and every man able to read, all is safe.“

Dieser Weg führt, dystopisch verlängert, nicht in einen neuen Sozialismus, wie es manche im US-Wahlkampf und anderswo auf eine griffige Formel bringen, sondern zu etwa Neuem: einem hochtechnisierten Neofeudalismus.

Die Sperren und Löschungen auf Facebook und Twitter, die jetzt schon vorkommen, wirken wie vorübergehende Kontrollpunkte und Straßenblockaden, unterscheiden sich aber gründlich von einer potentiellen Dauerkontrolle, deren Proportionen sich nach dem New York Post-Block auf Twitter ungefähr ahnen lassen.

So muss es nicht kommen. Es könnte aber auch sein, dass das Jahr 2020 in zehn Jahren zur goldenen Ära der Freiheit gerechnet wird, zumindest bei Bürgern mit gutem Gedächtnis.
Als der liberale Jurist Louis Brandeis in den USA ab den 1890er Jahren begann, Monopole zu bekämpfen und eine Anti-Trust-Gesetzgebung auf den Weg zu bringen, tat er das, weil er übergroße Unternehmen lieber institutionell begrenzen wollte, statt darauf zu setzen, dass sie aus besserer Einsicht ihre Macht nicht missbrauchen. Der Begrenzungsmoment für die großen Tech-Konzerne ist vorübergezogen. Wann genau? Irgendwann in den vergangenen zehn Jahren.
Jetzt lässt sich tatsächlich nur noch hoffen, dass es nicht ganz so schlimm kommt.

Angela Merkel hatte in einer Pressekonferenz vor einiger Zeit die Formel verwendet, sie hoffe, Deutschland (und die EU) müssten sich nicht zwischen den USA und China entscheiden. Darin liegt eine tiefere Wahrheit. Plattformen, die eine öffentliche Sphäre durch ihre schiere Größe verformen können wie Riesensterne den Raum, residieren in den USA oder, von Weibo bis Alibaba, in China. In dieser Liga spielt nur ein europäisches Unternehmen, SAP, das weltweit für Unternehmen wichtig ist, aber kaum für die Formierung von Öffentlichkeit.

Was immer demnächst in den USA passiert, geschieht deshalb auch uns Mitteleuropäern.

Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.

13 Kommentare
  • Libkon
    17. Oktober, 2020

    Sehr gute Analyse. Großer Journalismus, große Klasse, Herr Wendt. Erst gestern Abend, also am 16.10.20, meldete Tucker Carlson, Star- und Qualitätsjournalist wie Sie, Herr Wendt, allerdings bei Fox News in den USA, dass die Angaben über die Herkuft des Laptops und deren Inhalt des Sohnes von Joe Biden KEIN Zweifel mehr bestehe, da alles absolut authentisch sei und KEIN Fake ist. Er steht immerhin mit seinem Namen dafür ein.

    Was sich Twitter, aber auch Facebook, da herausgenommen haben, überschreitet deren Kompetenzen, da sie ihre derzeitige rechtliche Stellung nur halten konnten, weil sie stets versicherten, alle Meldungen ihrer Nutzer, vergleichbar wie ein Telefonanbieter, NUR durchzuleiten und eben nicht wie eine Zeitung/TV, zu edieren. Daher wurde ihnen vor <Jahren vom US Kongress ein "Persil-Schein" ausgestellt, dass man diese Firmen NICHT zur Rechenschaft ziehen könne.

    Spätestens mit dieser gezielten Maßnahme haben diese Medien – neben der bereits gekauften Presse – bewiesen, dass sie in Wahrheit politische Sprachrohre der (zahlungs-) mächtigen Oligarchen (Milliardäre) sind, die die USA WIRKLICH beherrschen. Daher tun sie ALLES, um ein "nochmals" von Donald Trump zu verhindern. Es ist zum Verzweifeln. Demokratie dort und auch bei uns (Stichwort Corona) ADIEU!

    Auf diesen Kommentar reagieren

  • Grand Nix
    17. Oktober, 2020

    Das heiße Thema, lieber Herr Wendt, kann man nicht oft genug auf die Agenda setzen (Stichwort: Fakenuss) und kritisch ausleuchten. Danke für ihre Arbeit.

    «Was käme heraus, wenn die großen Tech-Konzerne mit der politischen Macht verschmelzen?
    Ein Totalitarismus, den wir noch nicht kennen»

    Warum so zögerlich in der Fragestellung, bezüglich Machtkonzentration, bezüglich Informationsmanipulation, bezüglich gezielter und wiederholter Propaganda, bezüglich Informationsunterdrückung, lieber Herr Wendt?

    Warum den Konjunktiv bemühen, wenn es doch, vor den großen Kriegen und nach den großen Kriegen, vor der Wende und nach der Wende, hüben wie drüben, schon viele Jahre Fakt und Usus war, gelebte und perfektionierte Praxis war?

    Ein Totalitarismus, den w i r noch nicht kennen?

    Ich könnte nun keck fragen, wer ist w i r? Und was genau kennen w i r noch nicht? Bringt uns das aber weiter?

    Dieser Totalitarismus (in seiner dogmatischen Geschmeidigkeit und Grausamkeit, in seiner moralimperialistischen Ausprägung und Auswirkung) ist mir in dieser und jener aufgehäuften Massenverdummungswüste jedenfalls bestens vertraut. Neu für mich ist allenfalls die atemberaubende Geschwindigkeit und die weltumspannende Reichweite.

    Zum Thema Medien-Tycoon William Randolph Hearst fällt mir der Film „Citizen Kane“ ein. Welcher, was diese Machenschaften betrifft, immer noch recht aufschlussreich ist.

    Meinen Kommentar schließe ich deshalb mit dem vielsagenden Wort „Rosebud“.

    Auf diesen Kommentar reagieren

  • Rainer Moeller
    17. Oktober, 2020

    Historisch gesehen ist es nicht ungewöhnlich, dass marktbeherrschende Medien mit den Machthaber kollaborieren. Die Idee, wir wären da in einem völlig neuen Stadium, ist sensationalistisch und falsch. Der Vergleich mit dem Postwesen ist auch falsch – zumindest solange nicht unsere e-Mails zensiert werden.

    Die normale «marktwirtschaftliche» Lösung ist die, dass die Unzufriedenen mehr werden und dass sie sich bei alternativen kleinen Medien sammeln. Dadurch hören die alten Zensurmedien dann längerfristig auf, marktbeherrschend zu bleiben.
    Der «sozialistische» Weg ist der, dass die Unzufriedenen Staatseingriffe zu ihren Gunsten fordern. Aber welche Regierung würde gegen die sie unterstützenden Medien vorgehen? Also sollen die Unzufriedenen einen Staatsstreich veranstalten? Oder sollen sie einfach sich sammeln, mehr werden und einen demokratischen Regierungswechsel hinwirken? Aber dann könnten sie ja auch gleich die «martwirtschaftliche» Lösung wählen!

    Auf diesen Kommentar reagieren

  • Gero Micheler
    17. Oktober, 2020

    Ein Einwand: Auch über Google ist keineswegs ‘selbstverständlich’ noch alles zu finden. Ein aktuelles, kritisches Papier über die Corona-Politik der britischen Regierung war für einen halben Tag kaum auffindbar. Und weltweit, auch bei uns, werden praktisch ausschließlich mit der hart-neolinken-neoliberal-globalistischen Brille zensierte Suchvorschläge beim Tippen oft gar nicht mehr angezeigt, und Ergebnisse aus dem konservativ-gemäßigt-rechten Bereich auf weit hintere Plätze verwiesen. Man gebe einmal saloppe Formulierungen der Art ‘diese Linken sind’ ein, und vergleiche die Ergebnisse mit ‘diese Rechten sind’. Völlig verschiedene Gewichtungen.

    Auf diesen Kommentar reagieren

  • Albert Schultheis
    17. Oktober, 2020

    Lieber Herr Wendt,
    Ihre Vision ist absolut berechtigt, obwohl sie so alt ist, wie das erste öffentliche Kommunikationsmedium – die Griechen und Römer haben bereits vor solcher Vereinnahmung gewarnt. Und selbst mit vergleichsweise primitiven Mitteln war es sowohl den nationalen als auch den internationalen Sozialisten möglich ein weitgehend wasserdichtes totalitäres Regime aufzubauen. Wenn die Angst vor Repression groß genug ist, hört jeglicher demokratischer Diskurs auf.
    Um von dem dystopischen «Neuem: einem hochtechnisierten Neofeudalismus.», um von diesem einen anschaulichen Begriff zu bekommen empfehle ich im ersteren Fall die Lektüre «Jeder stirbt für sich allein» von Hans Fallada, im letzteren «Der Turm» von Uwe Tellkamp. Letzterer ein großartiger Roman, der für mich auf einer Ebene steht mit der «Blechtrommel» von Günter Grass. Die Nazis hatten ihren arischen Neofeudalismus genauso wie die Stalinisten ihre Neoaristokraten herausbildeten mit privilegiertem Zugang zu allen Ressourcen der Macht, der Information, der Kultur und des Konsums.
    Aber je dreister, unverschämter und gewalttätiger die Repression sich geriert, desto stärker wird auch der Widerstand. Sei es der von Außen oder der von Innen.
    Ich bin froh, dass endlich die Machenschaften der Bidens, Vater und Sohn, des Ehepaars Clinton, des CIA-Direktors, der Agentin Nuland sowie nicht zuletzt unseres ehem. Außenministers Steinmeier während der Tage des Umsturzes in Kiew auf die Tagesordnung kommen. Immerhin lagen dort an einem Abend ca hundert tot auf dem Maidanplatz. Aber nie gab es weder eine Anklage noch eine Verurteilung deswegen. Sowohl Kiew als auch der Westen hatten allergrößtes Interesse, die Hintergründe zu vertuschen. Bis heute. Lediglich Obama gab einmal in einem Gespräch süffisant zu, bei dem Umsturz in Kiew etwas nachgeholfen zu haben. Aber vielleicht öffnet sich ja jetzt die Büchse der Pandora.

    Auf diesen Kommentar reagieren

  • Röschen
    17. Oktober, 2020

    Als selbst von Facebook «beseitigte» Person kann ich das nur bestätigen – und bin traurig.
    Meinungsfreiheit gibt es nicht mehr.

    Auf diesen Kommentar reagieren

  • Immo Sennewald
    18. Oktober, 2020

    Danke für den präzisen Hinweis, wie sich die Verhältnisse zwischen der informellen und materiellen Macht in dieser Welt verschieben.
    https://publizist.wordpress.com/2019/06/05/dimensionen-und-dynamik-der-macht-i/
    Demnächst erscheint die Neufassung von «Der menschliche Kosmos» als E-Book im Salier Verlag Leipzig. Dort wird dieses Verhältnis an Alltagserfahrung gekoppelt – etwa den Gebrauch von Kopftüchern oder Signale nonverbaler Kommunikation wie Zornesfalten, herabgezogene Mundwinkel oder das Pokerface von Nachrichtensprechern beim absichtsvoll geframten Inhalt. Die informelle Macht gewinnt an Bedeutung – das geht mit dem Aufkommen totalitärer Gesellschaften einher. Das Dritte Reich belegt es ebenso eindrucksvoll wie der Kalte Krieg und das China von Xi Jinping. Wer sie erobern wird, ist eine interessante Frage.

    Auf diesen Kommentar reagieren

  • Michael Glück
    18. Oktober, 2020

    Lieber Kollege Wendt, ich teile Ihr Fazit, nicht ein Sozialismus ist das Endziel, sondern ein neuer Feudalismus. Diese Befürchtung habe ich bereits in meiner «Armut für alle» geäußert, die Anfang der 80er Jahre bei Econ erschienen ist. LG Michael Glück

    Auf diesen Kommentar reagieren

  • H Schauer
    18. Oktober, 2020

    Herr Micheler, ich stellte vor mehr als 15 Jahren schon fest, dass gewisse Einträge bei Google entfernt wurden. Damals konnte man das noch reklamieren und bei einem US Institut damit vorstellig werden. Ob das wohl vorgekommen ist? Diesem ‘Institut’ stand eine gewisse Sheryl SANDBERG vor, ein direkter Bezug zu Google war damals nicht ersichtlich. Heute schon, wie ihre Vita zeigt! Die damaligen Vorwände entsprachen der veröffentlichten Meinung und den damit angeblich bestehenden Empfindlichkeiten, das nahm den Kritikern rasch allen Wind aus ihren Segeln…und den Machern weiterhin Freie Fahrt.

    Auf diesen Kommentar reagieren

  • Werner Bläser
    18. Oktober, 2020

    Fast wäre der Artikel deprimierend gewesen, mit seiner Aussicht auf einen drohenden Medien-Totalitarismus. Doch dann kam der Vergleich mit China. Ich habe einen weiten (angeheirateten) Verwandtschafts- und Freundeskreis in China. Und die sagen mir: Wer in China der Regierung und den Staatsmedien irgendetwas glaubt, der gilt dort als Trottel. Ich denke, irgendwann kommt solch eine allgemeine Erleuchtung in jedem von oben gelenkten Mediensystem.

    Auf diesen Kommentar reagieren

  • Grand Nix
    18. Oktober, 2020

    Eine Frage:
    Wer hat denn hier den LIKE-Button lahmgelegt?
    Schade, schade, dass man seine Zustimmung zu dieser guten journalistischen Arbeit nicht sichtbar machen kann.

    Auf diesen Kommentar reagieren

    • Publico
      18. Oktober, 2020

      Lieber Leser,

      es gibt ein technisches Problem mit der Like-Funktion. Wir arbeiten daran, die Funktionen der Seite schnellstmöglich wieder herzustellen. Bitte haben Sie etwas Geduld.

      -Redaktion

      Auf diesen Kommentar reagieren

  • Gotlandfahrer
    19. Oktober, 2020

    Wenn die Masse der Menschen nicht so leicht zu beeinflussen wäre, würde sie nicht hauptsächlich die Angebote der Monopolisten nutzen. Da sie es aber ist, gehören Manipulationsmonopole zu allen ihr möglichen Gesellschaftsformen. Wenn «wir» die Menschen von einer Konsequenz ihres Seins befreien wollen, handeln wir im Grunde ähnlich motiviert wie die Sozialingenieure, die eine bessere Welt unter Missachtung der menschlichen Natur anstreben. Wenn Menschen weiterhin FB, Twitter und Google benutzen, SPON lesen usw: Dann haben sie es nicht anders verdient.

    Auf diesen Kommentar reagieren

Original: Großer Bruder Twitter

Liebe Leser von Publico: Dieses Onlinemagazin erfüllt wie eine Reihe von anderen Medien, die in den letzten Jahren entstanden sind, eine zentrale und früher auch allgemein selbstverständliche publizistische Aufgabe: Es konzentriert sich auf Regierungs- und Gesellschaftskritik. Offensichtlich besteht ein großes Interesse an Essays und Recherchen, die diesen Anspruch erfüllen. Das jedenfalls zeigen die steigenden Zugriffszahlen.
Kritik und Streit gehören zur Essenz einer offenen Gesellschaft. Für einen zivilisierten Streit braucht es gut begründete Argumente und Meinungen, Informationen und Dokumentationen von Fakten. Publico versucht das mit seinen sehr bescheidenen Mitteln Woche für Woche aufs Neue zu bieten. Dafür erhält dieses Magazin selbstverständlich kein Steuergeld aus dem Medienförderungstopf der Kulturstaatsministerin Claudia Roth, kein Geld aus dem Fonds der Bundeszentrale für politische Bildung (obwohl Publico zur politischen Bildung beiträgt) und auch keine Überweisungen von Stiftungen, hinter denen wohlmeinende Milliardäre stehen. Ganz im Vertrauen: Publico möchte dieses Geld auch nicht. Die einzige Verbindung zu diesen staatlichen Fördergeldern besteht darin, dass der Gründer des Magazins genauso wie seine Autoren mit seinen Steuern dazu beiträgt, dass ganz bestimmte Anbieter auf dem Medien- und Meinungsmarkt keine Geldsorgen kennen. Es gibt nur eine Instanz, von der Publico Unterstützung annimmt, und der dieses Medium überhaupt seine Existenz verdankt: die Leserschaft. Alle Leser von Publico, die uns mit ihren Beiträgen unterstützen, machen es uns möglich, immer wieder ausführliche Recherchen, Dossiers und Widerlegungen von Falschbehauptungen anzubieten, Reportagen und Rezensionen. Außerdem noch den montäglichen Cartoon von Bernd Zeller. Und das alles ohne Bezahlschranke und Abo-Modell. Wer unterstützt, sorgt also auch für die (wachsende) Reichweite dieses Mediums.
Publico kann dadurch seinen Autoren Honorare zahlen, die sich nicht wesentlich von denen großer Konzernmedien unterscheiden (und wir würden gern noch besser zahlen, wenn wir könnten, auch der unersetzlichen Redakteurin, die Titelgrafiken entwirft, Fehler ausmerzt, Leserzuschriften durchsieht und vieles mehr).
Jeder Beitrag hilft. Sie sind vermutlich weder Claudia Roth noch Milliardär. Trotzdem können Sie die Medienlandschaft in Deutschland beeinflussen. Und das schon mit kleinem Einsatz. Der Betrag Ihrer Wahl findet seinen Weg via PayPal – oder per Überweisung auf das Konto 
(Achtung, neue Bankverbindung!) A. Wendt/Publico DE88 7004 0045 0890 5366 00, BIC: COBADEFFXXX
Dafür herzlichen Dank.

Die Redaktion