Zeller der Woche: Verdachtsfall
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Von Bernd Zeller / / spreu-weizen / 3 min Lesezeit
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Original: Zeller der Woche: Verdachtsfall
Liebe Leser von Publico: Dieses Onlinemagazin erfüllt wie eine Reihe von anderen Medien, die in den letzten Jahren entstanden sind, eine zentrale und früher auch allgemein selbstverständliche publizistische Aufgabe:
Es konzentriert sich auf Regierungs- und Gesellschaftskritik.
Offensichtlich besteht ein großes Interesse an Essays und Recherchen, die diesen Anspruch erfüllen.
Das jedenfalls zeigen die steigenden Zugriffszahlen.
Kritik und Streit gehören zur Essenz einer offenen Gesellschaft.
Für einen zivilisierten Streit braucht es gut begründete Argumente und Meinungen, Informationen und Dokumentationen von Fakten.
Publico versucht das mit seinen sehr bescheidenen Mitteln Woche für Woche aufs Neue zu bieten.
Dafür erhält dieses Magazin selbstverständlich kein Steuergeld aus dem Medienförderungstopf der Kulturstaatsministerin Claudia Roth, kein Geld aus dem Fonds der Bundeszentrale für politische Bildung (obwohl Publico zur politischen Bildung beiträgt) und auch keine Überweisungen von Stiftungen, hinter denen wohlmeinende Milliardäre stehen.
Ganz im Vertrauen: Publico möchte dieses Geld auch nicht.
Die einzige Verbindung zu diesen staatlichen Fördergeldern besteht darin, dass der Gründer des Magazins genauso wie seine Autoren mit seinen Steuern dazu beiträgt, dass ganz bestimmte Anbieter auf dem Medien- und Meinungsmarkt keine Geldsorgen kennen.
Es gibt nur eine Instanz, von der Publico Unterstützung annimmt, und der dieses Medium überhaupt seine Existenz verdankt: die Leserschaft.
Alle Leser von Publico, die uns mit ihren Beiträgen unterstützen, machen es uns möglich, immer wieder ausführliche Recherchen, Dossiers und Widerlegungen von Falschbehauptungen anzubieten, Reportagen und Rezensionen.
Außerdem noch den montäglichen Cartoon von Bernd Zeller. Und das alles ohne Bezahlschranke und Abo-Modell. Wer unterstützt, sorgt also auch für die (wachsende) Reichweite dieses Mediums.
Publico kann dadurch seinen Autoren Honorare zahlen, die sich nicht wesentlich von denen großer Konzernmedien unterscheiden (und wir würden gern noch besser zahlen, wenn wir könnten, auch der unersetzlichen Redakteurin, die Titelgrafiken entwirft, Fehler ausmerzt, Leserzuschriften durchsieht und vieles mehr).
Jeder Beitrag hilft.
Sie sind vermutlich weder Claudia Roth noch Milliardär.
Trotzdem können Sie die Medienlandschaft in Deutschland beeinflussen.
Und das schon mit kleinem Einsatz.
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Die Redaktion
Gerhard Sauer
19. Mai, 2020Schweren Schrittes geht der Hausmeister des Europäischen Parlaments durch die Flure. Jeden Abend knipst er das Licht in den Zimmern und Sälen aus und prüft, ob noch jemand sich im Haus aufhält. Die meisten Mitarbeiter und Abgeordnete des Parlaments gehen schon mittags nach Hause oder kommen morgens nur kurz, um sich in die Anwesenheitsliste einzutragen und anschließend das Haus wieder zu verlassen. Heute ist es genauso wie jeden Tag: Alle sind schon gegangen, nur im Plenarsaal ist noch jemand. Wie jeden Abend schläft einer der Abgeordneten auf seinem Sitz; sein Kopf ruht auf seinen Unterarmen, die er auf den Tisch vor seinem Sitz gelegt hat. Ein sanftes Schnarchen ist zu hören, gleichmäßig geht der Atem ein und aus. Der Hausmeister wundert sich immer wieder, wie man in dieser unbequemen Position so offensichtlich entspannt schlafen kann. Fast tut es ihm leid, daß er ihn nun aufwecken muß. Er rüttelt ihn an der Schulter und sagt: „Es ist Zeit, nach Hause zu gehen. Ihre Kollegen haben das Gebäude schon vor zehn Stunden verlassen. Warum schlafen Sie nicht zu Hause?“ Schläfrig richtet der Angesprochene sich auf und blinzelt müde den Hausmeister an: „Hier habe ich die schönsten Träume, zu Hause bedrücken mich dagegen Alpträume, die mich fix und fertig machen. Ich erwache dann immer schweißgebadet und zerschlagen am ganzen Körper. Das ist ein schreckliches Gefühl, ich brauche jedesmal Stunden, bis ich wieder zu mir komme. Die sich hier einstellenden Träume sind inspiriert vom zauberhaften Geist des Hohen Hauses, sie schweben herab wie weiche Federn und ich ruhe wie auf Daunen.“ „Das ist schon merkwürdig“, entgegnet der Hausmeister, „Sie lassen sich wählen, damit Sie ordentlich ausschlafen können. Ihre Wähler haben bestimmt anderes von Ihnen erwartet. Denken Sie nur an die durch den Corona-Wahn verursachten kommenden Schäden in Ihrem Heimatland. Müßten Sie nicht diesem Wahn entgegentreten. Sicher setzen viele Leute die Hoffnung auf Sie.“ „Ach was, mein Heimatland ist in guten Händen bei Frau Merkel, sie führt es souverän durch die Krisenzeit. Nur ein paar Querulanten sind unzufrieden. Die muß man ruhigstellen, wie es ja allenthalben gefordert wird. Einen von denen werde ich bald erledigen. Ich warte nur noch auf eine Nachricht vom Deutschen Denunziationsdienst (DDD), um genug Munition gegen ihn in der Hand zu haben.“ „Dann ist es besser, sie gehen jetzt gleich und warten draußen auf die Nachricht, denn hier herein kann keiner nicht mehr kommen.“
Der Abgeordnete verläßt wiegenden Schritts das Gebäude. Gut ausgeschlafen tritt er in die Dunkelheit hinaus und schlägt die Richtung zu seiner Wohnung ein. Leichter Nieselregen fällt auf das Pflaster, es ist kühl geworden. Plötzlich tritt aus dem Schatten einer Litfaßsäule ein Mann mit hoch geschlagenem Mantelkragen hervor. Er nähert sich dem Abgeordneten und teilt ihm mit, daß er vom DDD komme und die gewünschten Belastungspapiere dabei habe. Er sagt: „Aus diesen Unterlagen können Sie ersehen, daß der von Ihnen anvisierte Querulant in der Jugend verdächtige Bestrebungen verfolgte. Er hat sich mit Leuten getroffen, die giftige Vipern halten und ihre Vermehrung fördern. Diese Vipern sind nun verboten, wer sie hält gefährdet das Leben unschuldiger Menschen. Die Vipernzüchter wollen Angst und Schrecken verbreiten. Sie geben auch in Corona-Zeiten nicht auf, sich klammheimlich zu treffen und Schlangengift gegen unsere schlangenfreie gesellschaftliche Ordnung zu verspritzen.“ „Das ist ja Wahnsinn“, sagt der Abgeordnete, „diesem Treiben muß Einhalt geboten werden. Sagen Sie, ist dieser Kerl noch immer in der Vipernzuchtgesellschaft aktiv?“ „Nach unseren Erkenntnissen ist er seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr in deren Umfeld gesehen worden. Aber das besagt gar nichts. Wir wissen, wer einmal von Vipern begeistert war, bleibt es auch später.“ „Hat er auch selbst Vipern gezüchtet?“ „Soweit wir wissen nein. Er scheint nur Interessent gewesen zu sein.“ „Na, ist auch egal. Jetzt habe ich Material in Händen, um ihn fertigzumachen.“ Der DDD-Agent verabschiedet sich. Beschwingt wippt der Abgeordnete auf den Zehenspitzen und klatscht sich auf die Schenkel. Das wird sein großer Tag, er freut sich schon auf die lobenden Worte von Steinmeier und Merkel für seine heldenhafte Tat.