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Politik, Gesellschaft & Übergänge

Wochenrückblick: Eine Scheibe Rückgrat

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Von Alexander Wendt / / politik-gesellschaft / 19 min Lesezeit

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Vor langen Zeiten, als Anetta Kahane noch nicht für eine gesamtdeutsche Nichtregierungs- , sondern eine Regierungsorganisation der DDR arbeitete, als sich im Westen die SPD noch einen alten weißen antikommunistischen Mann als Parteichef leistete und als es den Medien noch gut ging, in diesen Zeiten gab es ein berühmtes Lied des Oktoberklubs, einer von der SED und der Freien Deutschen Jugend geförderten Musiktruppe, das den Titel trug: „Sag mir, wo du stehst“.

Der Liedtext appellierte speziell an die jungen DDR-Bürger, Haltung zu zeigen:
„Zurück oder Vorwärts, du musst dich entschließen.
Wir bringen die Zeit nach vorn Stück um Stück.
Du kannst nicht bei uns und bei ihnen genießen,
denn wenn du im Kreis gehst, dann bleibst du zurück.

Sag mir, wo du stehst.
Sag mir, wo du stehst.
Sag mir, wo du stehst,
und welchen Weg du gehst.
und welchen Weg du gehst.

Wir haben ein Recht darauf, dich zu erkennen.
Auch nickende Masken nützen uns nichts.
Ich will beim richtigen Namen dich nennen
und darum zeig mir dein wahres Gesicht.“

Die Botschaft war nun wirklich nicht schwer zu verstehen: Entweder gehörte man zu den Richtigen oder zu denjenigen „auf der falschen Seite der Geschichte“ (Frank-Walter Steinmeier im August 2019). Nur sich selbst durfte niemand gehören. Haltung, so oder so, war etwas Kollektives.

Nun will der Autor nicht behaupten, die Bundesrepublik des Jahres 2019 wäre eine DDR mit Westgeld. Denn das mit dem Westgeld stimmt ja auch nur noch sehr bedingt. Nein, das war ein unverantwortlicher, populistischer Scherz, nicht ganz so flach wie eine Böhmermann-Sendung, aber fast. Ernsthaft: Da der in Leipzig geborene Autor dieses Rückblicks beide Seiten der Geschichte kennt, kann er auch die Unterschiede würdigen. Und wer in diesem an Gedenktagen reichen August 2019 zumindest temporär von der Neureuth-Alm über das Tegernseer Land Richtung Norden schaut, der sieht die Lage trotz dieser Vorbildung milder als jemand, der in einer Berliner Redaktionsbürobox hockt.

In der vergangenen Woche jährte sich der Jahrestag des Mauerbaus am 13. August 1961. Das Ereignis liegt heute schon weit zurück im Nebel der Geschichte. In seiner Erklärung zum 13. August 2019 erwähnte der Regierende Bürgermeister Berlins Michael Müller mit keinem Wort, von wem die Mauer eigentlich errichtet wurde, und welchem Zweck sie diente. „Die Mauer“, so Müller, „hat über Jahrzehnte tief in das Schicksal unserer Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger eingegriffen, und sie hat Opfer gefordert und über viele Menschen schweres Leid gebracht, dessen Folgen bis heute wirken“, sie kam offenbar wie eine nichtmenschengemachte Klimaveränderung über Berlin.
In der Tagesschau-Meldung zum 58. Jahrestag des Mauerbaus wurde zwar immerhin erwähnt, dass die Errichtung der Sperranlagen etwas mit der SED und einem Walter Ulbricht zu tun hatte – aber nicht, was. Warum wollten so viele DDR-Bürger ihren Staat verlassen? Warum erlaubte es ihnen der Staat nicht? Darüber gab die ARD-Nachrichtensendung keinen Aufschluss, dafür nannte die Sprecherin die Mauer ein „Bollwerk“, also etwas, das zur Abwehr einer Gefahr errichtet wird. Das klingt schon fast wie Schutzwall. Im Kommentar aus dem Off zu Bildern von der Mauergedenkstätte Bernauer Straße dann die ermahnende Erinnerung daran, dass es auch heute noch Mauern in der Welt gebe, beispielsweise „zwischen den USA und Mexiko“ und „in Israel“. Nicht über die Intention von Mauern zu sprechen: Das ist auch eine Intention beziehungsweise eine Haltung mit ganz klarer Kante.

Übrigens, das nur als kleiner Einschub: Bei ihrer Rede zum Mauerbaugedenken in der vergangenen Woche sagte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer den Satz über die Demonstranten, die im Hebst 1989 die Mauer zum Einsturz gebracht hatten: «Von ihrem Mut, von ihrem Rückgrat, können manche auch im westlichen Teil Deutschlands sich eine Scheibe abschneiden.» Als Parteivorsitzende taugt sie zwar nichts. Aber möglicherweise geht sie als rhetorisch komischste Person der CDU seit Heinrich Lübke in die Geschichtsbücher ein.

Zurück zur Haltung. Auch in der Tagesschau-Sendung zum 30. Jahrestag des paneuropäischen Picknick in Sopron, wo der damalige ungarische Außenminister Gyula Horn und sein österreichischer Kollege Mock den Ostblock-Grenzzaun zerschnitten, erfahren die Zuschauer keinen Mucks darüber, warum und wovor die DDR-Bürger damals aus der DDR herauswollten. Und auch hier folgt die flotte Überleitung zu den fremdenfeindlichen Ungarn unter Viktor Orbán.

In diesem großen Gedenkjahr – 30 Jahre Montagsdemonstrationen in Leipzig, 30 Jahre Mauerfall, 70 Jahre DDR – gelingt vielen Qualitätsmedien der Zaubertrick, den roten Elefanten namens SED einfach von der Bühne verschwinden zu lassen. Bestenfalls fällt noch irgendwo das Kürzel, aber ohne jeden Hinweis, für welches Gesellschaftsbild diese Partei stand. Und Vor Kurzem gab es eine gewisse Aufregung, als der ARD-Chefredakteur Rainald Becker einen aus der DDR stammenden Journalisten – nämlich Ralf Schuler – belehrte: „Wer nach 30 Jahren Einheit Die Linke immer noch als ‚SED-Erben’ bezeichnet, hat nichts verstanden und gelernt.“

SED-Erben – das ist ja auch nicht ganz richtig. Tatsächlich existiert ein juristisches Kontinuum von der SED über die SED-PDS und die PDS bis zur heutigen Linkspartei, der Partei, die seit vergangener Woche zum ersten mal auch in einem West-Bundesland mitregiert. Und die nach Ansicht vieler Journalisten mit guter Haltung heute so wertvoll ist wie noch nie. Wer findet, Becker sei ein typischer Haltungsjournalist, der jedem sofort ungefragt auf die Nase schmiert, wo er steht, der sollte sich erst einmal den Kommentar des NDR-Journalisten Michael Weidemann zu der neuen Bremer Koalition ansehen. Denn der sieht die Koalition von der Weser als Modell für Deutschland:
„Nein, Rot-Grün-Rot – oder Grün-Rot-Rot – wäre zwar absolut ungewöhnlich für unsere an Jahrzehnte alte Koalitionsmodelle gewöhnte Republik. Der Super-GAU wäre die neue Allianz mit Sicherheit nicht.
Dafür bietet das Links-Bündnis die zusätzliche Möglichkeit, eine Regierung zu bilden, die ausschließlich aus demokratischen Parteien besteht. Sie ist eine Alternative zur GroKo, zu Jamaika oder eventuell auch zu Schwarz-Grün – und damit in Zeiten des erstarkenden Populismus schon allein deshalb eine Bereicherung, weil sie der Politik des Fremdenhasses, der Abschottung und der Ausgrenzung ein weiteres demokratisches Gegenmodell entgegenstellt. Die scharfen Kritiker einer Links-Koalition sollten diesen Aspekt im Hinterkopf behalten, wenn sie das rot-grün-rote Experiment wortgewaltig an den Pranger stellen. Wer weiß denn, ob nicht schon bald auch eine der bürgerlichen Parteien vor der Alternative steht, entweder die Linke mit ins Kabinett zu holen – oder die Regierungsmehrheit zu verlieren.“

So kann man Politik natürlich kommentieren. Man sollte dann nur nicht Rundfunkbeitrag von jedem Haushalt eintreiben, sondern so konsequent zur politischen Organisation umfirmieren wie die SED zur Demokratieretterpartei. Oder ein frei finanziertes Medium gründen
Darin liegt übrigens einer der vielen Unterschiede zwischen DDR und heutiger Bundesrepublik: Ein Karl-Eduard Schnitzler hatte wenigstens nicht so getan. Um mit dem Oktoberklub zu singen: Eine nickende Maske war er nicht, bei ihm konnte man sich anders als bei dem einen oder anderen heutigen Medienschaffenden nicht vorstellen, dass er demnächst auch zu etwas ganz anderem Nicken und Haltung zeigen könnte, je nach Bedarf. Apropos: Er ist wieder da, Karl-Eduard von Schnitzler, jedenfalls ein bisschen.
„Laut einer Pressemitteilung hatte Márta Rafael, Ehefrau des im Jahr 2001 verstorbenen Journalisten Karl-Eduard von Schnitzler, der ‚Jungen Welt’ gestattet“, schreibt der Berliner Tagesspiegel, „unter dem Titel ‚Schwarzer Kanal’» die Tradition aufklärerischer Medienkritik im Geiste ihres Mannes fortzusetzen. Dies habe die Zeitung stets als Auftrag verstanden. Auch die Verfügbarmachung in Audio- und Videoformaten sieht die ‚Junge Welt’ in diesem Sinne: ‚Ich werde meine Arbeit als Kommunist und Journalist für die einzige Alternative zum unmenschlichen Kapitalismus fortsetzen. Als Waffe im Klassenkampf […] Auf Wiederschauen’, hatte Karl-Eduard von Schnitzler im letzten ausgestrahlten ‚Schwarzen Kanal’ des DDR-Fernsehens am 30.10.1989 gesagt.“

„Aufklärerische Medienkritik“ – das steht im Tagesspiegel genau so da, eins zu eins aus einer Pressemitteilung abgeschrieben, als hieße man Lorenz Hemicker, und hätte es mit einer Verlautbarung von netzpolitik.org zu tun.Wie es weiter geht mit der Geschichtspolitik, dem Ungedenken, der Haltung, der Alm über dem Tegernsee und der Frage, ob Annegret Kramp-Karrenbauer nach dem 1. September ein paar Scheiben Rückgrat von den CDU-Landesverbänden in Sachsen und Brandenburg abschneiden wird, das erfahren Sie in den nächsten Folgen meiner aufklärerischen Medienkritik.

13 Kommentare
  • Peter Hans
    19. August, 2019

    «Sag mir, wo Du stehst!»
    Gestern in Greifswald, Fußgängerzone: Ein Banner des Theaters Vorpommern mit dem Motto der aktuellen Spielzeit.
    Entsetzt ergoogelt:
    «Sag mir, wo Du stehst», heißt das neue Motto. Es erinnere mit einem Augenzwinkern an einen Song des DDR-Oktoberklubs, sagte Intendant Dirk Löschner. ( siehe hier: https://www.arcor.de/article/News-Regional-Mecklenburg-Vorpommern–Theater-im-Landesosten-wollen-Orientierung-bieten/hub01-home-news-regional-mecklenburg_vorpommern/8327357 )
    Mich gruselt es

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  • Bruno Koslovski
    20. August, 2019

    Schnell weg, nicht dass sie mir noch was aus dem Rücken schneiden, aber mal ehrlich, irgendwo habe ich doch noch mein altes FDJ-Blauhemd, hoffentlich passe ich da noch rein, ist ja schon ‘ne Weile her.

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  • Chris Groll
    20. August, 2019

    Schokierend wie weit unsere Medien und die Gesellschaft im Allgemeinen schon nach links gedriftet sind. Der Sozialismus bzw. der Kommunismus wird schon als ganz natürliches, gesellschaftsfähiges Modell dargestellt und angenommen. Viele Menschen erkennen gar nicht mehr, dass wir mit der CDU/CSU, den Linken (SED), den Grünen der SPD und auch zum Teil der FDP einen sozialistischen Weg eingeschlagen haben. Geschichte wird verharmlost, ignoriert bzw. direkt umgeschrieben. An den ARD-Chefredakteur Rainald Becker habe ich übrigens diesbezüglich eine E-Mail geschickt, mit Kritik an seiner Aussage.

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  • Jörg Plath
    20. August, 2019

    «Es geht ein Gespenst in der Mitropa um, es spukt auf dem Friedhof der Träume» sang Silly Ende der 80er ziemlich direkt über die ostdeutsche Diktatur. Unsere Genossen Haltungsjournalisten werden immer aufmüpfiger. Sie können so agieren, weil ihnen ein seriöses konservatives Pendant fehlt. Was von bürgerlicher Seite in Deutschland kommt, ist nicht sehr viel. Dafür viel Hass und Nationalismus von rechten Krakeelern. So wird das Gespenst wohl weiter umgehen und höchstwahrscheinlich demnächst gehörig erschrecken. In Form einer quasi-kommunistischen Regierung im Bund.

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    • Dr. Andreas Dumm
      20. August, 2019

      Man sollte die heutzutage üblich gewordene, unentwegt medial vervielfältigte Verachtung für jedwede Kritik und jedwedes «Anderswollen» in Deutschland nicht so unbedacht nachahmen und sich zu eigen machen. Keineswegs ist es so, daß «von bürgerlicher Seite » nicht viel kommt und Widerworte in der Regel von «rechten Krakeelern» stammen. Stattdessen ist es nötig, anzuerkennen und auszuhalten, daß echte, ernstgemeinte Kritik heute nicht mehr so gefahrlos geäußert werden kann wie noch vor kurzer Zeit. Die Deutschen sind nun einmal auf «Konsens» gebürstet, das ist ihre geschichtliche – und möglicherweise sogar tiefer im Nationalcharakter begründete – Eigenart. Worin dieser «Konsens» besteht und gegen was er sich zu richten hat, ist nebensächlich. «Sag mir, wo du stehst» dient der Erkennung, ob «eigen» oder «fremd». Früher wurde die eigene Überlegenheit durch Abgrenzung nach außen vollzogen und idealisiert, heute wird das sachliche Gegenteil dem gleichen Zwang zum «Konsens» zugrundegelegt. Der Deutsche ist vernarrt in dieses geistig unselbständige Untertanendasein, das man ihm – so oder so – als (moralische) «Größe» jederzeit «verkaufen» kann.

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  • Klaus
    20. August, 2019

    Haben Sie dort den Don besucht?

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  • Roland Weise, Chemnitz
    20. August, 2019

    Lieber Herr Wendt, nein, von den Bürgern der gebrauchten Bundesländer lassen wir uns besser nicht noch eine Scheibe vom Rückgrat abschneiden. Die haben hier eh schon genug billig aufgekauft, einkassiert und abgeschnitten. Aber richtig toll, diese AKAKA-Stilblüte, volle Punktzahl an die Saarländerin dafür.
    Mein Verständnis für die Altbundesbürger ist seit der Bundestagswahl 2017 aufgebraucht. Wer die Koalition der Totalversager aus den Altparteien zu weit mehr als 85 Prozent erneut in die Regierung wählt, dem wünsche ich fortdauerndes und sich weiter flächenhaft ausbreitendes Vergnügen mit zugereisten «Fachkräften», Minuszinsen, weltweit ihresgleichen suchenden Strompreisen und dem umwelt- und speziell insektenfreundlichen Abbrennen von Unkraut auf ihrer Grundstückszufahrt.
    Tja, und die Vernünftigen sollten eine Mauer bauen, die der israelischen oder der Trump-Mauer ähnelt – um Sachsen rum zum Beispiel. Und vielleicht werden die im Multikulti-Merkel-Paradies Verbliebenen begreifen, dass Mauer und Mauer zweierlei sind, und – wie ein findiger Kopf neulich zu Protokoll gab – es wesentliche Unterschiede zwischen einer Zellen- und einer Wohnungstür gibt.

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  • B.Rilling
    20. August, 2019

    Sie werden es nicht glauben Herr Wendt, an dieses furchtbare Lied denke ich die letzten Jahre öfter. Es gibt einen Unterschied. Damals war Haltung zeigen zwingend notwendig, um nicht irgendwo unter die Räder zu kommen. Heute beruht dieses Haltung zeigen bei unseren Journalisten, Künstlern und Politikern auf absoluter Freiwilligkeit. Die Anschwärzer und Verpetzer sind nicht vom MfS angeworben und stellenweise zu ihrer Spitzeltätigkeit genötigt worden. Heute machen die das freiwillig in ihrer Freizeit. Das bereitet mir mittlerweile fast körperlich Schmerzen. Anscheinend will ein Großteil unserer Mitmenschen dahin, wo wir vor dreißig Jahren herkamen. Für mich persönlich ein Alptraum!

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  • Alexander Peter
    20. August, 2019

    Man soll die Vergangenheit doch einfach endlich einmal ruhen lassen, war schon die Devise der fünfziger und sechziger Jahre in «Westdeutschland».
    Dessen Wohlstand und Wirtschaftswunder wurde bekanntlich in jüngsten Deutungen maßgeblich türkischen «Gastarbeitern» zugeschrieben. Die westdeutschen Werktätigen waren vermutlich mit dem Lesen des «Neckermann»-Kataloges beschäftigt, weshalb sie dringend fachkundiger und tatkräftiger Unterstützung aus Anatolien bedurften.
    Also, Mauerbau, Mangelwirtschaft, wenig individuelle Freiheit und Zwang zur Konformität: muss man doch nicht dauernd drüber reden.
    Brot und Mieten waren billig, jeder hatte Arbeit und Frieden. War gar nicht so schlimm.
    Beim angestrebten Umbau der deutschen (Industrie-)Gesellschaft in eine postindustrielle, «Co2-freie», multiethnische Gemeinschaft könnte ein «bisschen DDR» nicht schaden, mag mancher Politiker, Journalist oder «Kulturschaffende» denken.
    Zumal Teile der Wähler immer noch das Kreuz bei den falschen Parteien machen und das gewünschte Verhalten sich bei der Masse nicht einzustellen scheint.
    So ein kleines bißchen autoritäre Lenkung im Dienste der «guten Sache» wäre doch prima, nicht wahr?
    Auch die beste Kanzlerin aller Zeiten schätzt das «Durchregieren» und den permanenten Krisen- oder Notfallmodus.
    Über die epochalen Konsequenzen ihrer spontanen (?) Entscheidungen diskutieren die gewogenen Medien hingegen freilich nicht sehr ausführlich. Wäre schließlich auch nicht hilfreich.
    «Angst» oder gar «Panik», wie sie eine schwedische Maid dringend empfiehlt, dürfte sicher nicht zu klarem Denken und sachorientierten Lösungen beitragen, hat sich im Laufe der menschlichen Geschichte aber immer wieder als Herrschaftsinstrument angeboten.
    Und für Frau KK findet sich «am Ende des Tages» schon eine Anschlußverwendung (siehe «Röschen»).

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  • Gerhard Sauer
    20. August, 2019

    AKK ist eine feine Beobachterin und Analytikerin. Es ist ja unübersehbar, daß der deutsche Mensch mit lädiertem Rückgrat durchs Leben geht. Von einem aufrechten Gang kann bei ihm keine Rede sein, er oder sie ist eine Karikatur des homo sapiens erectus. Weit vornüber gebeugt schleicht er herum, bereit, vor jedem einen Bückling zu machen und sich ihm zu unterwerfen. Er oder sie ist ein Bild des Jammers und eine Schande für die Menschheit. Als Kanzlerin in Wartestellung graust es AKK davor, dieses Volk in Kriecherstellung einst regieren zu müssen. Sie möchte ihm wieder den aufrechten Gang ermöglichen und setzt zu diesem Zweck dort an wo es hapert, nämlich an den Bandscheiben. Sie hat diagnostiziert, daß der oder die (West)Deutsche an beschädigten Bandscheiben leidet, die einen Gang mit aufrechtem Rücken verhindern. Den Mut der Menschen, die die Mauer zum Einsturz brachten, führt sie auf intakte Bandscheiben zurück, die ihnen die Kraft gab, vor dem Unterdrückersystem nicht einzuknicken, sondern ihm mit geradem Rücken entgegenzutreten. AKK wünscht sich, daß die Westdeutschen sich an diesen Rücken ein Beispiel nehmen und sich deren Bandscheiben herausschneiden und implantieren, natürlich nur bildlich, so naiv ist AKK nicht, eine reale Transplantation zu wünschen. Verstörend an dem Aufruf von AKK ist nur die Wendung „abschneiden“, wo es doch in Wirklichkeit ein herausschneiden ist.

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  • Peter Thomas
    20. August, 2019

    Im lustigen Lied «Sag mir wo du stehst» ist der ganze aasige Geist der verfluchten DDR kondensiert.

    Die Oktoberklub-Barden waren ja selbst «nickende Masken», wofür das Regime sie pries und schmierte. Die forderten nun in nicht zu überbietender Verlogenheit die 95 % ihrer DDR-Mitbürger, die ebenfalls «nickende Masken» waren, auf, das Nicken zu lassen und die Maske abzunehmen. Doch jeder, der in der DDR die Maske abnahm, lief Gefahr, im Zuchthaus zu landen.

    Ein anderes lustiges DDR-Lied fällt mir ein, darin hieß es «das Land meiner Wahl…» Das ist nun tatsächlich lustig, denn wer nicht an der Todesgrenze erschossen werden wollte, wählte besser das Dableiben.

    In der wundervollen DDR lag die Macht in den Händen der SED. Die ist ohne nenneswerte Brüche zur «Linken» von heute geworden. Die aber gehören zu den Guten. Die Bösen – das ist die Opposition.

    Der Kreis des Unheils hat sich geschlossen. Merkel hat die Umformung zur DDR 2.0 zu 83 Prozent geschafft. Zwar wird die Opposition noch nicht verhaftet, doch sie wird eingeschüchtert und registriert. Die Herrschaft der Lüge ist weitgehend wiederhergestellt. Und am Freitag marschiert die Jugend für die Erlösung.

    Gelernt aus der DDR? – Nichts.

    Gelernt aus dem Hitlerreich? – Nichts.

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  • Phoenix
    20. August, 2019

    Auch wenn Schuler es gewiß anders gemeint haben mag, so bin ich geneigt dem von ihm abgesonderten Satz auf der Ebene meines Empfängerhorizonts zuzustimmen: Wer glaubt, daß die Linke 30 Jahre nach Ende der DDR unser größtest DDR-Altlasten-Problem darstellen würde, der hat wirklich in diesen 30 Jahren nur wenig verstanden und gelernt.

    Bereits Ende der Neunziger auf einer Wahlkampfveranstaltung (War es eine solche? Ich vermag mich nicht mehr zu erinnern, ich erinnere mich nur noch an einen erfrischenden Abend mit einem intelligenten, höchst unterhaltsamen Politiker im größten Hörsaal der Heidelberger Neuen Universität…) witzelte Gregor Gysi darüber, daß er durchaus bereit wäre, den Titel SED-Nachfolgeorganisation an die CDU abzutreten, sobald sie sich dazu bekennen würde, mehr SEDler in ihren Reihen zu haben als die PDS…

    Die CDU hat diesen, wenn ich es aufmerksam verfolgt habe, bis heute nicht für sich geltend gemacht, ebenso wenig wie sie in früheren Zeiten sich den Titel einer anderen Nachfolge direkt auf die Fahne hatte geschrieben.

    Man könnte sicherlich der heutigen Linken vieles nachsagen, und ihre Kritiker klingen da immer ein wenig so, als würden sie sich durchaus an dem gleichen Blut erfreuen, das auch die AfD-Jäger so gerne lecken, aber ihr nachzusagen, daß sie für dieses seltsame Comeback der DDR verantwortlich zeichnen würde, dies ist dann doch zu viel der Ehre.

    Die SEDsierung unserer Politik, geht ganz klar von der großen Staatsratsvorsitzenden samt ihrer SED 2.0 (wir nennen diese liebevoll GroKo) und ihren Blockflöten aus – und diese und der mit ihr verbundene Linksruck ist auch das Wasser auf jenen Mühlen am rechten Rande des Spektrums.

    Ich für meinen Teil bin seit vielen Jahren Proporzwähler und es beleidigt mich gleichermaßen, wie ich sehe, daß meine heutigen Wahlentscheidungen mit den gleichen Mitteln verunglimpft werden wie die ein oder andere Wahlentscheidung in früheren Jahren.

    (Wobei der gesellschaftliche Druck heute sehr viel schlimmer ist als er früher jemals war…)

    Wenn die Wahrheit immer in der Mitte liegt, zeige mir doch bitte einer die Partei, die diese Mitte hierzulande noch vertritt?

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  • Leider typisch
    23. August, 2019

    War bei der Gedenkfeier in Sopron kein Österreichischer Politiker eingeladen?

    Darf ich das als Hinweis werten,dass Österreich wieder einmal als deutsches Anhängsel betrachtet wird?
    Jedenfalls sehr verwunderlich!

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Original: Wochenrückblick: Eine Scheibe Rückgrat

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