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Politik, Gesellschaft & Übergänge

Warum eine Fleischsteuer verfassungswidrig wäre

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Von Alexander Wendt / / politik-gesellschaft / 9 min Lesezeit

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Der neueste Vorschlag in der Bewegung zur Konsumsünden-Bestrafung lautet: eine Fleisch-Steuer soll her.

Der Unions-Abgeordnete Albert Stegemann schob dafür die CDU-Versicherung „keine Steuererhöhung bis 2021“ beiseite, und meinte: „Eine solche Steuer kann ein konstruktiver Vorschlag sein. Dafür müssten diese Mehreinnahmen aber zwingend als Tierwohlprämie genutzt werden, um die Tierhalter in Deutschland beim Umbau zu unterstützen.“ Denn: „Der Weg zu einer gesellschaftlich nachhaltig akzeptierten Nutztierhaltung kostet Milliarden, die die Landwirte in Deutschland nicht alleine tragen können.“ Wie auch der Ausbau des Bahnverkehrs habe gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung „ihren Preis“.

Stegemanns SPD-Kollege Rainer Spiering schlägt „der Einfachheit halber“ eine Fleischsteuer „über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent“ vor. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen Friedrich Ostendorff spricht sich ebenfalls für eine Mehrwertsteueranhebung aus: „Ich bin dafür, die Mehrwertsteuerreduktion für Fleisch aufzuheben und zweckgebunden für mehr Tierwohl einzusetzen“, sagte Ostendorff.

Abgesehen von sozialen Erwägungen, abgesehen davon, dass der Aufschlag dann für vorbildlich produziertes Fleisch bayerischer Weiderinder genau so gelten würde wie für importiertes Billigfleisch, dessen Herstellungsbedingungen niemand aus Deutschland heraus regeln kann: Abgesehen davon schlagen die Politiker etwas Verfassungswidriges vor, wenn sie eine Extrasteuer erheben wollen, die irgendwie zum Umbau der Stallwirtschaft in Deutschland dienen soll. Denn Steuern dürfen gerade nicht zweckgebunden sein. Im Haushaltsrecht gilt das so genannte Gesamtdeckungsprinzip. Das heißt: alle Steuereinnahmen fließen dem Gesamthaushalt zu. Wofür die Einnahmen dann ausgegeben werden, bestimmt das Parlament.

Würde der Verwendungszweck von Steuern vorab festgelegt, wie es dem Grünen Ostendorff und seinen Kollegen vorschwebt, dann würde das Haushaltsrecht des Parlaments unterlaufen. Das Haushaltsrecht gilt nicht umsonst als Königsrecht eines Parlaments. Das wäre ein elementarer Verstoß gegen den ohnehin schon anderweitig unterhöhlten Grundgesetzartikel 20 – die so genannte Staatsfundamentalnorm – die eine durchgehende Legitimation des politischen Handels durch die Wähler vorschreibt.
Es gehört zwar zur politischen Verkaufspraxis zu behaupten, eine bestimmte Steuer sei „für“ etwas. Prominentes Beispiel: Der von Helmut Kohl eingeführte „Solidaritätszuschlag“, der vorgeblich und nur für einige Jahre den Aufbau Ost finanzieren sollte. Tatsächlich handelt es sich bei dem Solidaritätszuschlag um eine allgemeine Bundessteuer. Und die wird zumindest von einem Teil der Bundesbürger auch noch gezahlt werden, nachdem der Solidarpakt zur finanziellen Sonderausstattung der Ost-Länder zum 31. Dezember 2019 endet. Die Sektsteuer, erhoben vorgeblich zweckgebunden zum Bau der kaiserlichen Flotte, existiert noch heute.

Dass Bundestagsabgeordnete die Grundlagen des eigenen Haushaltsrechts nicht kennen sollten, wäre schon sehr überraschend. Wer einen Blick auf Wirtschaftsdaten und Haushalt wirft, der sieht, dass es bei einer Steuererhöhung auf das Problemprodukt Fleisch („Klimasünde Fleisch“ – Tagesspiegel) kaum um das Tierwohl geht.
Die Konjunktur in Deutschland läuft aus, es kommen Sorgen über den Handelsstreit zwischen den USA und China dazu. Außerdem zeigt die Kampagne von Grünen und Verbänden wie der DUH gegen die deutsche Autoindustrie allmählich Wirkung.

Im Juli 2019 ging die deutsche Industrieproduktion im Vergleich zum Vormonat um 5,2 Prozent zurück, hauptsächlich wegen der Schwäche in der Automobilbranche – der stärkste Rückschlag seit der Finanzkrise 2009. Zeitversetzt dürfte es also bald zu größeren Steuerausfällen kommen, bei unveränderten Verteilungswünschen der Koalition in Berlin, siehe „Respektrente“.

Eine Steuer auf Fleisch gibt es übrigens schon: sieben Prozent Mehrwertsteuer. Aber für das medial erzeugte schlechte Gewissen noch extra abzukassieren, die Versuchung ist offenbar bei einer ganz großen Koalition im Bundestag übermächtig. Da kann die Argumentation schon mal ein bisschen grundgesetzwidrig ausfallen.

9 Kommentare
  • Werner Bläser
    7. August, 2019

    Früher hatten wir eine Umverteilung von den Reichen zu den Armen (Sozialsystem). Dann kam eine Umverteilung von den vernünftig wirtschaftenden Staaten zu den Finanz-Chaoten (Griechen-Hilfe). Dann plante man eine Bankenhaftung (wird gerade ins Werk gesetzt), was eine Umverteilung von den Spargeldern des europäischen Nordens zu denen des Südens bedeutet. Jetzt soll Steuergeld direkt dem Tierwohl zugute kommen – das heisst, eine Umverteilung von Geld von Mensch zu Tier.
    Wann schlagen die Grünen vor, dass Tieren das Wahlrecht zu erteilen ist?

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    • Van Nelle
      9. August, 2019

      Tiere können nicht wählen und Menschen sind für deren Wohl und Wehe verantwortlich:
      eine Umsatzsteuererhöhung kommt niemals dem Schlachtvieh zugute sondern erhöht die Lebenshaltungskosten des Verbrauchers und führt zu Steuermehreinnahmen. Steuern werden, wie von Ihnen beschrieben, umverteilt.
      Tierschutz funktioniert nur durch Auflagen beim Erzeuger, die als Kostenfaktor den Marktpreis für totes Fleisch beim Verbraucher erhöhen.
      Ganz einfach: Marktwirtschaft zum Wohl der Tiere statt Sozialismus zum Wohl der Staatskasse!

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  • Christoph Marloh
    8. August, 2019

    Rechtlich korrekt, ethisch falsch.
    Sollte einmal eine überlegene Zivilisation auf diesem Planeten landen, hoffe ich, daß darunter Menschenfreunde sind und jeder von uns seine 2 Quadratmeter auf der matschigen Wiese bekommt während von jenseits des Elektrozauns Mozart ertönt, weil sie wissen, daß unser Fleisch dann zarter wird.

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  • Albert Schultheis
    8. August, 2019

    Ach, Herr Wendt, wie grenzenlos naiv sie doch manchmal sind! «Das Haushaltsrecht gilt nicht umsonst als Königsrecht eines Parlaments.» Dass ich nicht lache. Unter Merkels Fuchtel ist das Haushaltsrecht des Parlaments doch längst ausgehebelt und verschachert an die EZB und die verkrauteten Behörden der EU. Und zeitgleich damit ist auch gleich «die durchgehende Legitimation des politischen Handels durch die Wähler» den Bach runter und Flöten gegangen. Siehe dazu das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts!
    Aber ihre störrische Naivität macht Sie mir ja gerade so sympathisch, Herr Wendt.
    Ich dagegen sehe das Heil genau in der «Kampagne von Grünen und Verbänden wie der DUH gegen die deutsche Autoindustrie». Wenn endlich die Wohlstand generierende Kernindustrie Deutschlands einknickt, dann erst werden die sozialen Gegensätze in unserem Land, wo «man so gut und gerne lebt», dermaßen aufbrechen, dass den verdrucksten Duckmäusern in Deutschland die Brocken um die Ohren fliegen. Vielleicht werden sie dann den A**** in der Hose haben, denjenigen, denen sie das zu verdanken haben, gehörig in den Selbigen zu treten.

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  • Daniel Deutsch
    8. August, 2019

    Deutschland hatte im Zweiten Golfkrieg (Januar bis März 1991) etwa 15–20 % der Kosten, 16,9 Milliarden DM, übernommen. Der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen vom 11. März 1991 sollte 22 Milliarden DM aus dem auf ein Jahr befristeten Solidaritätszuschlag erbringen. Er wurde so begründet: „Mehrbelastungen ergeben sich nicht nur aus dem Konflikt am Golf…, sondern auch für die Unterstützung der Länder in Mittel-, Ost- und Südeuropa. Mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt am 24. Juni 1991 erlangte er Gesetzeskraft.»
    Quelle: Wikipedia.
    Der Soli wurde zuallererst zur Finanzierung des Golfkrieges geschaffen.

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  • Dr. W. Manuel Schröter
    8. August, 2019

    All dies, Herr Wendt, zeigt, dass die Bundesrepublik Deutschland von verantwortungslosen Gesellen regiert wird. Das beginnt beim kleinen Abgeordneten und geht bis zum Minister und noch weiter… Denen, die in den Kommunen unmittelbar mit dem Bürger zu tun haben, wird dann das auch noch vorgeworfen. Aber das ist es: Der Bürger, der Wähler, gestattet es sich, derartige Typen an die Spitze unserer Gesellschaft zu stellen. Eigentlich muss er sich dann nicht wundern, dass man ihm nun blöde kommt. Wobei, das Tragische ist ja noch, dass sich ein Teil dieser Wähler nicht einmal aus Dummheit, Langeweile oder anderweitigem Daffke diese Typen bewusst wünscht, sondern weil man glaubt, seine Interessen vertreten zu sehen. Und dann dabei auch noch freundlich nickend zusieht, wie Deutschlands Wohlstand immer mehr ins Rutschen kommt. «Betrifft ja mich nicht!» Nein, ein gehobener Mittelstand, gut bezahlt, kann sich «Gewissen» und Tesla-E-Auto und Grünangehauchte bis in die grüne Wolle Gefärbter leisten; warum nicht auch Fleisch zu gehobenen Preisen…
    Wenn man sich da nicht täuscht!!

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  • Pan Tau
    8. August, 2019

    Ich muss etwas flegelhaft zugeben, daß mir etwa das Steak selbst im Aldi (und es ist bemerkenswert wenig schmackhaft) zu teuer ist. Ich radelte kürzlich an einem Jagdhof im Umland vorbei mit eigenem Wildverkauf und stellte fest, daß es dasselbe Preisniveau hat. Da stimmt doch was nicht. Ich halte ebenfalls die typische Massentierhaltung für ein Gräuel, glaube aber nicht an eine zwingende Kausalität zwischen hohem Endpreis und aufwändiger Haltung. Hat die Milch nicht mal in den 90ern 50 Pfennige gekostet?

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  • Gerhard Sauer
    8. August, 2019

    Daß Bundestagsabgeordnete die Grundlagen des eigenen Haushaltsrechts nicht kennen, darf als gegeben angenommen werden. Die intellektuelle Ausstattung verunmöglicht es den Herren, Damen und Diversen, selbst einfache Regeln sich zu merken und danach zu handeln. Recht und richtig ist das, was dem/der Redseligen gerade durch die Birne rauscht, ein Abgleich mit irgendwelchen Vorgaben kann wegen eindimensionalen Schwadronierens nicht stattfinden. Also Maul auf und losgeplappert. Kann sein, dass schon Morgen das Gegenteil gefordert wird, auch dann ist man/frau/divers dabei, ist eh wurscht.

    Außerdem, wen stört’s wenn etwas nicht rechtens ist? Gesetze zu missachten oder zu brechen ist doch in Merkelstan ein populärer politischer Sport geworden, der ungehindert ausgeübt werden kann. Geht dann jemand tatsächlich zum Bundesverfassungsgericht um gegen die Fleischsteuer zu klagen – solche Idealisten gibt’s, kaum zu glauben – dann beruhigt ihn das Gericht mit der Behauptung, die Volksgesundheit geböte an dieser Stelle von einer bürokratischen Rechtsvorschrift abzuweichen, sie sei höher zu bewerten als das kleinliche Hängen an Recht und Gesetz.

    Und schon sprudelt es ins Steuersäckel, der/die/das Abgeordnete reibt sich vergnügt die von jeder echten Arbeit verschonten Patschhände und überlegt, welcher Minderheit er mit einer Fuhre Geld eine Wohltat erweisen kann, denn er/sie/es ist ein Wohltäter.

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Original: Warum eine Fleischsteuer verfassungswidrig wäre

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