Wochenrückblick: Alle raustreten zum großen antifaschistischen Beauty Contest
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Von Alexander Wendt / / politik-gesellschaft / 9 min Lesezeit
In seiner Bundestagsrede vom 13. September rief der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs in Richtung AfD-Fraktion: „Hass macht hässlich, schauen sie mal in den Spiegel.“ Worauf die AfD-Abgeordneten sich erhoben und den Plenarsaal verließen, vermutlich nicht, um schnell in den Toilettenspiegel zu schauen. Kahrs bleibt das unverlierbare Verdienst, den antifaschistischen Schönheitswettbewerb erfunden, wenn auch nicht unbedingt gewonnen zu haben.
Manche Journalisten und selbst die einen oder anderen Genossen fanden Kahrs Auftritt, wie man heute sagt, suboptimal. Deshalb erklärte sich der Abgeordnete anderntags noch einmal ausführlich in der „Hamburger Morgenpost“. Auszüge:
„Hier geht es nicht um politischen Streit. (…) Hier geht es um alles! Hier geht es um unser Land! (…) Es muss uns darum gehen, sie für alle sichtbar zu entlarven. Zu zeigen, dass wir es nicht nur mit naiven Wirrköpfen zu tun haben, sondern dass hinter diesen Damen und Herren ein System lauert, das Deutschland schon einmal an den Rand der totalen Vernichtung geführt hat.
Ich stehe hier und kann nicht anders. (…) Ich kann und will den Mund nicht halten.“
Woraus deutlich wird: Kahrs hält nicht nur Alexander Gauland für den neuen Hitler im Tweedjackett, sondern sich selbst für eine Mischung aus Martin Luther, Otto Wels und Hans Scholl. Es bleiben noch zwei Fragen. Erstens, wer von dem Kahrs verlangt haben soll, seinen Mund zu halten. Und zweitens, wer eigentlich eine Zeitung kauft, die das Blatt über weite Strecken mit der Selbstbeschreibung eines Politikers füllt, der offensichtlich narzisstisch gestört ist. Inklusive Frontpage und Fotos im Innenteil widmet die Morgenpost dem SPD-Mann drei Seiten.
Mit ihrem Auflagenverlust von 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr steht das Hamburger Medium der totalen Vernichtung übrigens näher als Deutschland unter den Oppositionsführern Gauland und Weidel.
Da ist es interessanter, gleich den „Vorwärts“ zu lesen. Zum Beispiel die Ausführungen der ehemaligen Büroleiterin von Andrea Nahles, Angela Marquardt. Die Politikerin meint: „Zum Zusammentreten aller Hasshäßlichen zum Kampf gegen Rechts braucht die SPD auch die Antifa“
Natürlich hat niemand die Absicht, eine Prügeltruppe aufzustellen: „Niemand will Bündnisse mit gewaltbereiten Schlägern“. Aber:
„aber gerade weil insbesondere junge Menschen, die sich antifaschistisch und antirassistisch in diesem Land engagieren, oft kriminalisiert und vorverurteilt werden, ist es verdammt noch mal unsere Aufgabe, an ihrer Seite zu stehen. Es ist unsere Aufgabe, die Diskussion und kritische Solidarität mit ihnen zu suchen.“
Wenn die Antifa künftig also der robuste Arm der SPD werden soll, dann ergibt die Forderung nach Ablösung Hans-Georg Maaßens als Verfassungsschutzchef erst richtig beziehungsweise überhaupt Sinn. Eine Bewerbung auf den demnächst freiwerdenden Posten liegt in aller kritischer Solidarität schon per Twitter vor, und in Sachen politischer Schönheit hat die Kandidatin sowieso das Näschen vorn:
Die „Neue Zürcher Zeitung“ vom 14. September notiert in ihrem Feuilleton auf Seite 19 die Zahlen der extremistischen Gewalttaten 2017 in Sachsen, das der Spiegel gerade als Braunland beschrieben hatte, in dem Nazis praktisch schon über Straßen herrschen. Die Zahlen des Landeskriminalamtes lauten: rechtsextremistische Gewalttaten 95, davon 14 gegen politische Gegner. Linksextremistische Gewalttaten 101, davon 55 gegen politische Gegner.
Der „Stern“ lud in der verwichenen Woche zum „Tag des Journalismus“ in die Redaktion. Anlaß war, wie das Magazin mitteilte, sein 70. Geburtstag. Der eine oder andere fragt sich vielleicht, wie schnell sieben Jahrzehnte in Hamburg eigentlich vergehen. Denn gegründet wurde der „Stern“ ja 1938, als buntes Blatt mit langen Fotostrecken und dem charakteristisch und expressionistisch gezackten titelgebenden Coversymbol, allerdings damals mit sieben Zacken. Nach dem Krieg waren es nur noch sechs. Künstler, die Haltung zeigten, kamen schon damals groß raus.
Kriegsbedingt war der NS-Stern schon 1939 wieder eingestellt und schließlich 1948 von Henri Nannen nur leicht verändert wiederbelebt worden. In den fünfziger Jahren arbeitete sogar Kurt Zentner, der Chefredakteur des alten „Stern“, bei der Neuauflage mit. Nannen meinte einmal, er habe nicht nur von dem ganzen schlimmen Zeugs bis 45 nichts gewusst, sondern sogar gar nichts von dem Ur-Stern. Vielleicht leitete der ehemalige Kriegsberichterstatter den Namen ja auch von seiner alten Einheit ab, der „Abteilung Südstern“ der „SS-Standarte Kurt Eggers“, in der er diente. Das alles ist bestens bekannt, auch in der Hamburger Redaktion. Der Medienhistoriker Tim Tolsdorff hatte bereits 2015 die Details zusammengetragen. Und eigentlich wäre die Historie heute kein Problem mehr. Das beginnt eigentlich erst, wenn die Hamburger Wundertüte mit dem Schnitt in eigener Sache anfängt.
Zum Kampf gegen Dunkeldeutschland marschiert es sich von Hamburg aus lieber ohne schweres Traditionsgepäck.
9 Kommentare
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Leo Pesch
17. September, 2018Keine fake news in dem Bericht über den STERN-Geburtstag, aber: Was hat die braune Vorgeschichte nun mit der Redaktion von heute zu tun? Nichts natürlich, das Blatt ist ja nun seit langem eher blind-links.
Van Nelle
18. September, 2018passt schon, wenn man bedenkt, dass die Nationalsozialisten ja Linke sind,
halt Rassen- statt Klassenkampf: Sozialismus nur für arische Volksgenossen
karl12
17. September, 2018Da demonstrieren Die Linke, SPD, Die Grünen, Gewerkschaften und evangelische Pastoren mit linksradikalen Gewalttätern an der Spitze unter dem Beifall der Medien gegen «Rechts». Und diese Leute verlangen, dass die AFD ihre Demonstrationen abbricht, wenn sich Rechtsradikale anschließen. Was man selber nicht leistet, das fordert man von anderen ein. Dieses Messen mit zweierlei Maß ist schon eine schlimme Heuchelei. Im übrigen: Wer voller Hass «Nazis raus» schreit, gewinnt auch keinen Schönheitswettbewerb!
Chris Lock
17. September, 2018Wer Kahrs und Schulz zugesehen hat, hat den Hass in deren Gesichtern gesehen. «Warum siehst Du den Splitter im Auge deines Bruders, den Balken im eigenen Augen aber nicht?» (Matthäus 7, 3)
Dreggsagg
17. September, 2018Ja, ja, der «Stern» mit seinem vor Rührung schluchzenden Jörges!
Ein Blättlein, das wie der Spiegel inzwischen neben merkelkonformen «Berichten» nur noch voller Werbung ist.
Und was die «radikale» Frau Chebli angeht, so hat sich der Berliner R2G-Senat auch nicht eben mit Ruhm bekleckert!
Helene
17. September, 2018Na, jetzt könnte sich doch Sawsan Chebli (unter dem Beifall der FemGrünRotLinksMultikultiagitatoren) tatsächlich als Präsidentin des Verfassungsschutzes bewerben. Bei Merkel ist nichts unmöglich!
Dreggsagg
18. September, 2018Ojeoje, auch DAS noch!
Frau Sawsanullah Chebli als radikale Verfassungsschutzpräsidentin, das könnte ein Merkelscher Genialeinfall sein!
Es ist zu erwarten, daß die SPD den Maaßen-Posten für sich beansprucht, denn es sind eine Reihe von GenossInnen anstehende Vollversorgungsfälle!
Aber auch die CDU wird Ansprüche stellen, denn für sie gilt das gleiche, verehrte Helene.
Gerhard Sauer
18. September, 2018Rindviecher und AFD
Kahrs sagt in dem Interview weiter: „Die AfD betrachtet unser Land als marode und kaputt. Sie ist getrieben von Haß, will diese Gesellschaft zerstören und in ein Land umformen, in dem viele von uns keinen Platz mehr haben. Käme die AfD an die Macht, müßten Millionen von Menschen die Koffer packen, mich eingeschlossen.“
Kahrs kann jedoch beruhigt sein: Die AFD plant nicht die Artenvielfalt zu reduzieren. Auch unter einer AFD-Regierung sind Rindviecher in Deutschland weiter erlaubt.
Anderes Thema: Richtige Bedeutung erlangen die Worte von Angela Marquardt, wenn man weiß, daß die Antifa aufrüstet. Auf der von der Antifa betriebenen Internetseite Indymedia heißt es.
„ein aufgesetzer schuss aus einer gaspistole auf einen nazi am kopf oder am herz ist sofort tödlich. da braucht es keine umstände um legal oder nicht an eine scharfe pistole ranzukommen.“
http://www.danisch.de/blog/2018/09/11/der-mordaufruf-der-antifa/
Offensichtlich planen zumindest Teile der Regierungskoalition, politische Gegner auch physisch auszuschalten, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen.
Muller
19. September, 2018Leider auch hier kein Hinweis auf die Vorgeschichte von Henri Nannen und anderer Medienmacher der Nachkriegszeit. So war er während der Herrschaft der RechtsSozialisten während des Krieges Mitglied einer/der Propagandakompanie. Wie auch viele andere Medienmacher in dieser Zeit. Gerade von solchen Medien, die sich heute bei dem Thema «Vergangenheitsbewältigung» besonders hervortun…
Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Propagandakompanie
Wer sich jemals gefragt hat, wo die ganzen Propagandafilme herkommen, die heute tagesfüllend ganze Sender mit Material versorgen könnte hier fündig werden…
Und nebenbei auch die Antwort darauf haben, warum bei diesen Filmen abweichend von allen sonstigen Gepflogenheiten praktisch nie deren Produzenten / Filmer erwähnt werden….