Digitalsause in Berliner Luft
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Von Alexander Wendt / / politik-gesellschaft / 7 min Lesezeit
In Berlin findet noch bis zum 4. Mai die Netzkonferenz republica statt, eine der größten Veranstaltungen dieser Art, auf denen sich Vertreter von Digitalfirmen und alle möglichen Vortragskünstler treffen. Für 220 Euro Eintritt kann jeder und jede dort den klügsten Menschen Deutschlands zuhören, beispielsweise Richard David Precht, Dunja Hayali, Sascha Lobo, Kübra Gümüsay und dem SPD-Politiker Marco Bülow.
Diskussionspanelthemen der kantigen, querköpfigen und überhaupt auf das bisher Unerhörte abonnierten Veranstaltungen lauten (eine kleine Auswahl): „Rechtsruck in Deutschland – links abbiegen unmöglich?“, „Warum sind die Rechten so hip im Netz?“, „#MeeToo als Weckruf – mehr Frauen hinter die Kameras“, es gibt aber auch einen sicherlich ungemein ertragreichen Vortrag über „feministische Memes im Internet“.
Wer glaubt, bei der Digitalsause in gerechter Berliner Luft würde es sich um eine Art Resterampe aller möglichen Social-Justice-Warrior-Themen aus den USA handeln, der dürfte genau richtig liegen.
Einige Fußnoten zu der Veranstaltung sind nicht uninteressant: Finanziert wird die Konferenz unter anderem von den Ländern Berlin und Brandenburg, dem Bundesforschungsministerium und der EU. Das hinderte die Veranstalter allerdings nicht daran, der Bundeswehr, die sich auf der republica gern als Arbeitgeber vorgestellt hätte, den Zutritt mit der Begründung zu verweigern, Uniformen seien nicht erwünscht. Wobei der republica-Organisator Markus Beckedahl nachschob, gegen Polizisten, die für die Sicherheit der Veranstaltung sorgten, habe man natürlich nichts. Ein paar Vertreter der ohnehin schon sehr flauschigen Leyen-Truppe erschienen daraufhin mit einem kleinen Werbewägelchen vor dem Veranstaltungsgebäude und baten um eine Aufmerksamkeitsspende. Auf dem Wägelchen stand: „Zu bunt gehört auch grün.“ Selbst das, so Beckedahl, sei „nicht mit unseren Grundsätzen vereinbar“ – anders als die tolerante Entgegennahme von Steuergeldern.
Übrigens bot republica seinem Publikum eine Ex-Militärangehörige als „Stargast“, wie zahlreiche Medien schrieben, nämlich die Whistleblowerin Chelsea Manning, früher US-Soldat Edward Manning, der als IT-Spezialist zahlreiche Unterlagen der US-Armee zum Irakkrieg an WikiLeaks weiter gegeben hatte, 2013 zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt und 2017 von Barack Obama begnadigt wurde. Während der Haft wechselte Manning das Geschlecht. In gewöhnt nüchterner und distanzierter Weise schwenkte die „Süddeutsche“ für ihren Auftritt das Feuerzeug:
„Dass ihr Auftritt ein besonderer ist, hört man auch: Als Manning die Bühne betritt und kurz ins Publikum winkt, brandet warmer Applaus auf. Als sich die Moderatorin bei Manning bedankt, dass sie nach Berlin gekommen ist, klatschen Tausende Paar Hände, um zu sagen: Danke für deinen Mut, für deinen Idealismus, und dafür, dass du dieWelt ein kleines bisschen besser gemacht hast“
Dabei ist nicht auszuschließen, dass es sich bei Manning tatsächlich um eine der intelligentesten Teilnehmerinnen handelte.
Eine zweite kleine Facette findet sich tief im Programm: an republica nimmt auch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR teil. Bei seiner Veranstaltung ging es um ein Thema, dessen Brisanz sich erst auf den zweiten Blick erschließt:
„Heute beginnt in Berlin die re:publica und UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, ist mit dabei“, heißt es in einer Mitteilung des UNHCR: „Gemeinsam mit unserem nationalen Partner UNO-Flüchtlingshilfe wird UNHCR an allen drei Tagen des Digital-Kongresses vertreten sein. Wir veranstalten mehrere Gesprächsrunden in einem Flüchtlingszelt zum Thema Flucht im digitalen Zeitalter. Dabei geht es auch um die Registrierung von Flüchtlingen, um ihnen Sicherheit, Anspruch auf Hilfe und oft schlicht eine Identität zu geben. Zwei UN-Experten, Valerie Kahn und Karl Steinacker, werden zum Thema der digitalen Identität am Freitag um 10 Uhr eine Session auf Stage 5 halten.“
Eine Identität geben? Gemeint ist keine seelische Identität, sondern eine Registrierung. Eine digitale Identität – auf wessen Angaben auch immer die gründet – soll nach diesem Modell zu offiziellen Dokumenten führen. In dem Vortragsmaterial des UNHCR heißt es:
„The linkages between legal and digital identity, have to be re-explored so that digital identity can be a way to obtain a legal identity for those who need it.»
Ginge es dem Flüchtlingshilfswerk vor allem um Hilfe für Notleidende vor Ort, dann wäre eine irgendwie elektronisch erzeugte Identität völlig nachrangig. Eine Rolle spielt sie nur, wenn das Ziel in der Übersiedlung eines Teils der weltweit 65 Millionen Migranten in Länder der ersten Welt besteht.
6 Kommentare
Original: Digitalsause in Berliner Luft
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Das jedenfalls zeigen die steigenden Zugriffszahlen.
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Cornelia Weyhmann
3. Mai, 2018Wieder einmal: Vielen Dank fürs Augenöffnen….!!
Diese re:publica -Veranstaltung war mir ohnehin schon ein bisschen suspekt. Jetzt verstehe ich, warum….
Hungerdunger, Hungerdunger, Hungerdunger, and McCormick
3. Mai, 2018Diese Banausen könnten res publica nicht einmal deklinieren, wenn Ihnen Prof. Crey («Schnauz») dazu den Takt trommelte.
Wenn diese Dumpfmeister ihre linksgrünvers….. Fließbandphraseologie ablassen, klingt res publica wie der Name einer neuen Kloreinigermarke.
Heiner Grotendank
3. Mai, 2018220 Euro Eintritt? Da sollen doch (trotzdem) Tausende von Leuten gekommen sein. Wer macht denn da den großen Reibach, und das mit Steuergeldunterstützung ??
kdm
4. Mai, 2018a propos „mehr Frauen hinter die Kameras“…
…da fällt mir in letzter Zeit ein neuer feministischer Unsinn auf. Im Nachspann wird oft eine «Producerin» genannt. Englisch können sie also auch nicht. Den Schnitt macht eine Cutterin. Und die Schauspielerin ist dann eine Actorin? Alles Berufe, die so im vermeintlichen Englisch unbekannt sind. Nur lächerlich.
Wenn hinter der Kamara allerdings eine Kameradin stände, das würde sogar mir gefallen. Der bei dieser Species ungewohnten Ironie wegen.
Zuagroaster
4. Mai, 2018Cutterin steht im krassen Widerspruch zu dem, was man immer vorgibt zu wollen, nämlich neutrale Formulierungen. Man könnte ja einfach schreiben „Produziert von…“ oder „Schnitt“. Aber man legt Wert darauf, Frauen „sichtbarer zu machen“. Stünde da nämlich „Schnitt: Sabine Heulstein“, dann käme ja das cisnormativ-toxisch-männliche Gehirn nie darauf, daß es sich um eine Frau handelt.
Karla Anders
5. Mai, 2018Auf der republica 2017 staunte ich bei der VA der Amadeo-Antonio-Stiftung , Titel «Was kann ich dafür, dass Nazis meiner Meinung sind!» (sic!), als dem gutgläubigen Publikum dargelegt wurde, dass auch in Chats gefundene Aussagen wie «Soll ich jetzt etwa Salzstreuerin sagen?» ein Beispiel für «rechtspopulistisches Denken» seien – auch auf Nachfrage meinerseits blieb es dabei… Meine nächsten Nachfragen bezüglich der m.E. unwissenschaftlichen Begriffe wie «hate speech» oder «toxic language» wurden mit phrasenhaft abgespultem «Ich vermute, Du zählst zu den Rechtspopulisten und hast ein geschlossenes Weltbild» quittiert. Die Dame äußerte sich nachher noch wie folgt über ihre Position bei der AAS: «Ich gehe auf diese VA, da ich halt die einzige bin, die sich mit dem Thema hate speech auskennt». Wenn allerdings die Podiumsdiskussionen drohen, tatsächlich kontrovers zu werden, sagen diese Damen dann ungeniert in letzter Minute ab, die Demontage des eigenen intellektuellen Leichtgewichts vorausahnend. Die Dame zitierte auch ihre Kollegen, die sie befragen, warum sie denn die Einladungen zu «rechten» VA (in diesem Fall von Novo-Argumente organisiert) überhaupt annehme: «Warum tust du dir das an?»
Verwirrt stolperte ich dann auf den Vortrag von Kübra Gümüsay, «Kopftuchfeministin» u.a., die auch schon einmal, ebenfalls ungeniert, über «Tante Necla» (Kelek), eine von «Deutschlands Haustürken» giftspritzt. Ein Fall von «toxic language»? Zweierlei Maß? Das ficht doch die grünverblendeten republicanten nicht an.