Wochenrückblick: Deutschland, Land der Trolle
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Von Alexander Wendt / / politik-gesellschaft / 9 min Lesezeit
Über die historischen Trolle weiß eigentlich jeder Bescheid. Es handelt sich um kleine oder im Gegenteil berggroße norwegische Wesen mit langen Nasen und Hobbitfüßen. Mal verhalten sie sich maliziös, mal gut oder neutral. Laut Walter Moers sieht eine Unterart, der Stollentroll, recht unattraktiv aus, und um seinen Charakter steht es auch nicht zum Besten („halbhumanoider Schattenparasit“). In Deutschland existieren nur einzelne offiziell anerkannte Trollwesen, genau genommen sehr wenige.
Typisch für sie sind tief herabgezogene Mundwinkel, ein dauergrämlicher Gesichtsausdruck und eine abnorme Twitteraktivität; hauptsächlich siedeln sie um Bordesholm in Schleswig-Holstein.
Daneben scheint eine ganz neue Sorte von Wesen zu existieren, die völlig unsichtbar trollen und nicht einmal wie bei Moers irgendwann „kähähä“ rufen, wenn sie jemand in die falsche Richtung der Finsterberghöhlen geschickt haben.
Auf dem Single-Blog „Im Gegenteil“ erschien in der verwichenen Woche der Erfahrungsbericht eines angeblichen Michael Nast, der von seinem Freund Andreas („I’m writing for a friend“) erzählt. Andreas trifft sich mit einem Model, das, wie es durchblicken lässt, sich AfD-nah fühlt, sie ist sozusagen ein Blaustrumpf, worauf Andreas’ Erregung – aber lesen Sie selbst:
„Die Menschen wurden immer dümmer, dachte er, während Louise immer weiter redete. Er sah sie mit dem Gefühl an, ihr Aussehen, ihr Name und ihre Ansichten wären falsch zusammengesetzt worden. Er sollte sich nicht mehr mit Models treffen, dachte er hilflos. Sie hatten oft Anschauungen, die ihre Attraktivität aufhoben, und waren meistens scheiße im Bett. Es hatte genau zwei Frauen gegeben, die ihm beim Sex eindringlich ins Ohr geflüstert hatten, dass er nun endlich kommen sollte. Eine Aufforderung, an der seine Erregung zerbrach. Beide waren Models gewesen. Genauso wie Louise.“
Eigentlich ist es unnötig, das extra zu betonen: aber natürlich handelte es sich bei dem Text um einen Trollstreich der Identitären Bewegung. Authentisch kann so eine zerbrechende Erregung ja nimmermehr sein. Kähähä!
Viele Qualitätsmedien probieren mittlerweile einen sog. Roboterjournalismus aus, um die Kosten zu drücken, da die Qualität von den Lesern nicht mehr gewertschätzt wird. Jedenfalls nicht so, dass es für Renditen wie früher oder überhaupt für Renditen reicht. Das Verfahren birgt natürlich die Gefahr, dass jemand den Robojournalisten hackt. Aber zunächst einmal zu der Technik selbst: Wettervoraussagen und Berichte von Fußballspielen kann ein Programm schon lange besser und vor allem günstiger produzieren als ein Medienarbeiter. Auch und gerade Kommentare zur „Erklärung 2018“, die in dieser Woche mehr als 100 000 Unterschriften gesammelt hatte, funktionieren zumindest halbautomatisch. Ein Redakteur gibt einmal für das gesamte Reaktionsnetzwerk Begriffe wie „selbsternannt“, „angeblich“, „besorgniserregende Bürger“, „wutschnaubend“, „gegenrevolutionärer Habitus“, „Götz Kubitschek“, „Lutz Bachmann“, „Dunstkreis“ und „gefährlich“ ein, der Algorithmus knetet daraus Sätze mit Subjekt, Prädikat und Objekt, drückt die Shuffle-Taste und mischt die nächsten zwanzig bis dreißig Beiträge zu dem Thema ab. Bis eben der Troll neuen Typs auftaucht, in das „Tagesspiegel“-Programm namens „Caroline Fetscher“ eindringt und in den eigentlich schon fertigen Artikel folgende Sätze über die „Erklärung 2018“ und ihre Forderung nach der „Wiederherstellung des geltenden Rechts“ bei der Migration einfügt:
„Um hellhörig zu werden, muss man beim Begriff ‚Wiederherstellung’ nicht an das ‚Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums’ denken, das 1933 Juden und Oppositionelle aus ihren Posten warf“.
Nein, muss man nicht, deshalb steht es ja in dem Tagesspiegel-Artikel. Und zwar als Hack, der wegen seiner exquisiten Widerlichkeit abermals ein paar Tausend zu den Erklärern 2018 treibt. Kähähä!
Die Perfidie besteht ja darin, dass diese Leute tatsächlich glauben, ein Mensch mit humanoiden Synapsen könnte so etwas geschrieben haben und nicht ein Schattenparasit mit Identitären- und/oder Russenhintergrund.
Schlimm wird es, wenn Trolle nicht nur Programme hacken, sondern ganze Menschen. Das nennt sich dann Life Hack. In dieser Woche fand er im schönen Köln statt: Dort stellte sich heraus, dass die Stadtverwaltung eine siebenköpfige Migrantenfamilie aus dem Irak in einem Hotelzimmer von 35 Quadratmetern unterbringt, wofür sie der Hotelbesitzerin 6 500 Euro pro Monat zahlt. Bei dem Hotel handelt es sich nicht um ein Luxusetablissement, sondern einen höchst bescheidenen Kasten. Und bei der Besitzerin um eine Kölner CDU-Politikerin, die mit „Zuversicht“ (A. Merkel) auf den Zuwandererzustrom blickt. Ihr Hotel ist überhaupt mit Asylbewerbern belegt, was der Kölner Unionsfrau 32 500 Euro pro Monat aus Steuermitteln einträgt.
Was – und nun kommt der Life Hack – sagt nun nach einschlägigen Blog- und Presseberichten die Politikerin?
„Wegen des Geldes habe ich das bestimmt nicht gemacht.“
Bei unvertrolltem Verstand würde sie so einen Satz doch niemals sagen. Es lacht, siehe oben, das Schattenwesen.
In Belgien existiert übrigens sogar eine komplette trollgesteuerte Partei.
Um das Maß vollzumachen – alles in der gleichen Woche – schmuggelten sich die gleichen High-End-Trolle in den Twitter-Account der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli ein und hierließen dort folgendes:
Die Frage ist ja nicht unberechtigt. Was haben wir eigentlich gemacht, als die Trolle noch in den Finsterbergen hockten, statt ständig Journalistenprogramme und Menschen zum Schreiben und Sagen von Sätze und zu zwingen, die für die helle Sache „nicht hilfreich“ (A. Merkel) sind?
Vermutlich würden die Leute auch heute noch Fotos von ihrem Essen im Internet posten, wenn alles nicht passiert wäre.
8 Kommentare
Original: Wochenrückblick: Deutschland, Land der Trolle
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B.Rilling
9. April, 2018Herrlich! Vielen Dank! Ich konnte so morgens um sechs schon mal herzhaft lachen.
Ernst-Fr. Siebert
9. April, 2018Ist denn die Suse Schebli nicht Deutsche? Vielleicht nicht so gut integriert… Aber das wird sicherlich noch.
Clemens Bernhard Bartholdy
9. April, 2018Was würden «wir» machen, «ohne Muslime in Deutschland»? «Wir»? Frau Chebli? «Wir»? Merken Sie selber, oder?
Aber gut, die Antwort will ich trotzdem geben: Wir würden arbeiten, ausgehen, lieben, hassen, lachen, weinen, essen und im Gegenteil… den ganzen Alltagskrams halt. Nur mit deutlich weniger Angst und Sorge vor Kriminatlität und Terror vielleicht.
Was Sie allerdings, Frau Chebli, machen würden «ohne Muslime in Deutschland», kann ich Ihnen nicht sagen. Sie machten es ja nicht. Nicht hier zumindest, nicht wahr?
Oder sollte die Frau etwa aus anderem Blickpunkt gestellt worden sein? Aus dem der DITIB vielleicht?
Oder der Muslimbrüder? Oder der Asylindustrie? Oder der nutzlosen und ungebildeten Vollversorgungs-Polit-Elemente etwa?
Dann machte die Frage zwar mehr Sinn, aber immer noch genauso wenig Eindruck.
Gerhard Lenz
10. April, 2018Danke! Sie drücken wunderbar aus, was meine Formulierungskünste leider nicht hergeben.
Magic
9. April, 2018Da hat aber einer seinen Blaubär gelesen. Vielen Dank für den Hinweis auf eine Perle der Literatur, die mir sowohl beim Selberlesen (zwei Mal), als auch beim abendlichen Vorlesen in Kinderbetten ( auch zwei Mal) große Freude bereitete. Kähähä.
Sabine Schönfelder
10. April, 2018Roboterjournalismus! Das paßt ja hervorragend ins linke bequeme Weltbild.
Wenig journalistische Arbeit, ( passende Worte eingeben) viel Propaganda durch
zahlreiche Netzwerke (Redaktionsnetzwerk D., Rechercheverbund WDR, Süddeutsche etc.)oder Medienstille, wie es euch gefällt. Notfalls wird die news gefaked, aber nur zugunsten der eigenen Ideologie.
Böhmermann berichtete unlängst in seiner Show, daß unser ‘trolliger’ deutscher Hosenanzug zusammen mit Rotbäckchen Seibert kleine Werbefilme, bezahlt vom deutschen Steuerzahler, per Internet in die Welt sendet. Darin eine souverän auftretende
ältere freundliche Kanzlerin, die sowohl ein Ohr für, als auch ein Auge auf den deutschen Bürger hat. Ein kleiner Märchenfilm, der den Steuerzahler darüber hinwegtäuschen soll,
daß sich Frau Merkel in Wirklichkeit als Managerin weltweiter beliebiger Migrationsströme versteht.
Nationalstaaten, Nationalbewußtsein oder Bedenken gegenüber Millionen von Einwanderern aus aller Welt und allen damit verbundenen Risiken stören bei der Verwirklichung ihrer Pläne, und damit ist jeder, der nicht für sie ist, rechtsradikal!
So einfach ist das.
Peter Maronde
11. April, 2018Was «Wir» machen, wüßte ich schon!
Was Frau Cheblis Sawsan machen würde, weiß ich nicht.
Sicher ist nur, daß sie nicht den Posten hätte ergattern können, der ihr nun viel Zaster einbringt.
Frage ist nur; für WAS!
Aber das weiß gewiß die SPD.
Brigitte Mittelsdorf
12. April, 2018Ohne Muslime in Deutschland würde ich nicht mit Pfefferspray in meiner Handtasche herumlaufen.