Wochenrückblick: Einmal öfter hinfallen als aufstehen, SPD
Original post is here eklausmeier.goip.de/wendt/2018/03-wochenrueckblick-einmal-oefter-hinfallen-als-aufstehen-spd.
Von Alexander Wendt / / politik-gesellschaft / 13 min Lesezeit
Natürlich könnte der Autor auch einen Wochenrückblick ohne die Sozialdemokratie schreiben. Es gibt genügend andere Details in diesem Land. Andererseits, die Chronistenpflicht.
Vor einiger Zeit hatte ich beim Herumtrödeln in den sogenannten sozialen Medien einen Handyfilm entdeckt, auf dem ein Mann zu sehen war, der irgendwelche Mißhelligkeiten mit einem Türsteher klären wollte. Der Türwächter, Typ Schrankwand, schlug den Mann nieder, er ging kurz k. o., erhob sich dann wankend, wackelte erneut auf den Türsteher zu und fing sich einen Schlag gleicher Sorte an die gleiche Stelle ein. Auf den ersten Blick wirkte es wie ein Loop; an kleinen Abweichungen sah man, dass hier tatsächlich Schlag auf Schlag folgte. Mir war nach einer Weile klar, warum das Opfer in der Wiederholungsschleife steckte: Nach jedem Hieb schien die Erinnerung an die Prügel gelöscht gewesen zu sein. So ungefähr, dachte ich, muss es auch der sozialdemokratischen Partei gehen. Offenbar können sich die meisten nicht an die beiden vorhergehenden großen Koalitionen entsinnen. Sonst würden sie es ja nicht schon wieder tun. Mediziner nennen das retrograde Amnesie; es handelt sich dabei um einen probaten Schutzmechanismus gegen tiefe Traumata. Wenn ich es richtig gezählt habe, holte sich derjenige in dem Film auch drei Schläge ab. Alles in allem galt dabei: Einmal öfter hinfallen als aufstehen.
Getreu dem Wahlkampfmotto “Zeit für mehr Gerechtigkeit“ wäre es jetzt eigentlich angemessen, einmal die ethische Frage zu stellen: Wie perfide ist eigentlich eine Koalition mit Widerstandsunfähigen?
Andererseits, es steckt noch etwas Leben im Funktionärskörper der SPD, denn sonst würde der sich nicht trotz allem noch dazu aufraffen, seinerseits dem eigenen Ex-Wählermilieu immer wieder eins auf die Glocke zu geben. Vor allem Karl Lauterbach, der Doktor Eisenbarth der SPD, arbeitete daran mit einer Konsequenz, die zum Fürchten wäre, falls er sie irgendwann einmal für statt gegen seine Partei einsetzen sollte. In seinem vorletzten Tweet brandmarkte der Mann mit der Fliege die Essener Tafelmitarbeiter als Täter an der Lebensmittelresterampe:
Um dann stracks zum nächsten Thema überzugehen, dem Feinstaub, denn der Kampf um Hirne und Herzen der Arbeiter duldet keinen Aufschub:
Mein Tipp an Dr. Lauterbach für den lotta continua : Ein Fleischgrillverbot fordern, sobald die Temperaturen zweistellig werden. Was dort an Feinstaub und Furanen freigesetzt wird, wird die Deutsche Umwelthilfe (DHU) gegen eine kleine Spende von Alnatura jederzeit gern vorrechnen. Spaßeshalber könnte er noch ein Verbot der Taubenzucht im Ruhrgebiet verlangen. Ich glaube zwar, von den Leuten mit Taubenschlag auf dem Dach in Herne und Bottrop wählt sowieso keiner mehr SPD. Aber sicher ist sicher.
Im übrigen liegt in der Formulierung „der Doktor Eisenbarth der SPD“ für Karl Lauterbach eine strukturelle Ungerechtigkeit, denn bei dem historischen Dr. Johann Andreas Eisenbarth handelte es sich um einen sehr tüchtigen Wundchirurgen und Starstecher, einen Erfahrungsmediziner, wie Horst Seehofer sagen würde. Erst im so genannten Eisenbarth-Lied aus dem 19. Jahrhundert – einem Reimwerk voller alternativer Fakten – wurde er gewissenmaßen zum Vorbild für Karl Lauterbach:
„Zu Potsdam, da kurierte ich/den Koch des großen Friederich:/ich schlug ihm mit dem Beil vor’n Kopf/gestorben ist der arme Tropf.“
Jetzt höre ich schon wieder die Frage: Ja, hat denn Deutschland keine anderen Probleme? Nein, verdammte Axt! Wenn es so wäre, dann würden Sie das doch im heute-journal hören.
Deutschland hat vielmehr Glück, großes Glück, dass es keine geostrategischen Feinde fürchten muss. Von den Panzern der Bundeswehr fahren zurzeit immerhin mehr, als es einsatzfähige U-Boote gibt (0), aber mittlerweile kommt noch die Kälte dazu. In der Bundeswehreinheit der Kaserne Pfullendorf musste kürzlich eine Übung abgebrochen werden , weil es Personalausfälle bei minus neun Grad gab. Eine Untersuchung ist schon eingeleitet. Außerdem mangelt es Soldaten, die an einem Nato-Manöver im Osten teilnehmen, an warmer Winterbekleidung.
Das kommt eben davon, wenn die IBUK, die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt, jede Erinnerung an die Wehrmacht ausradiert: Retrograde resp. stalingrade Amnesie. Die Bundeswehr, das darf man vielleicht zur Abschreckung für jeden sagen, der mit dem Gedanken einer feindlichen Übernahme spielt, die Bundeswehr ist die SPD unter den Armeen.
17 Kommentare
Original: Wochenrückblick: Einmal öfter hinfallen als aufstehen, SPD
Liebe Leser von Publico: Dieses Onlinemagazin erfüllt wie eine Reihe von anderen Medien, die in den letzten Jahren entstanden sind, eine zentrale und früher auch allgemein selbstverständliche publizistische Aufgabe:
Es konzentriert sich auf Regierungs- und Gesellschaftskritik.
Offensichtlich besteht ein großes Interesse an Essays und Recherchen, die diesen Anspruch erfüllen.
Das jedenfalls zeigen die steigenden Zugriffszahlen.
Kritik und Streit gehören zur Essenz einer offenen Gesellschaft.
Für einen zivilisierten Streit braucht es gut begründete Argumente und Meinungen, Informationen und Dokumentationen von Fakten.
Publico versucht das mit seinen sehr bescheidenen Mitteln Woche für Woche aufs Neue zu bieten.
Dafür erhält dieses Magazin selbstverständlich kein Steuergeld aus dem Medienförderungstopf der Kulturstaatsministerin Claudia Roth, kein Geld aus dem Fonds der Bundeszentrale für politische Bildung (obwohl Publico zur politischen Bildung beiträgt) und auch keine Überweisungen von Stiftungen, hinter denen wohlmeinende Milliardäre stehen.
Ganz im Vertrauen: Publico möchte dieses Geld auch nicht.
Die einzige Verbindung zu diesen staatlichen Fördergeldern besteht darin, dass der Gründer des Magazins genauso wie seine Autoren mit seinen Steuern dazu beiträgt, dass ganz bestimmte Anbieter auf dem Medien- und Meinungsmarkt keine Geldsorgen kennen.
Es gibt nur eine Instanz, von der Publico Unterstützung annimmt, und der dieses Medium überhaupt seine Existenz verdankt: die Leserschaft.
Alle Leser von Publico, die uns mit ihren Beiträgen unterstützen, machen es uns möglich, immer wieder ausführliche Recherchen, Dossiers und Widerlegungen von Falschbehauptungen anzubieten, Reportagen und Rezensionen.
Außerdem noch den montäglichen Cartoon von Bernd Zeller. Und das alles ohne Bezahlschranke und Abo-Modell. Wer unterstützt, sorgt also auch für die (wachsende) Reichweite dieses Mediums.
Publico kann dadurch seinen Autoren Honorare zahlen, die sich nicht wesentlich von denen großer Konzernmedien unterscheiden (und wir würden gern noch besser zahlen, wenn wir könnten, auch der unersetzlichen Redakteurin, die Titelgrafiken entwirft, Fehler ausmerzt, Leserzuschriften durchsieht und vieles mehr).
Jeder Beitrag hilft.
Sie sind vermutlich weder Claudia Roth noch Milliardär.
Trotzdem können Sie die Medienlandschaft in Deutschland beeinflussen.
Und das schon mit kleinem Einsatz.
Der Betrag Ihrer Wahl findet seinen Weg via PayPal – oder per Überweisung auf das Konto
(Achtung, neue Bankverbindung!)
A. Wendt/Publico
DE88 7004 0045 0890 5366 00,
BIC: COBADEFFXXX
Dafür herzlichen Dank.
Die Redaktion
antipodean
4. März, 2018immer wenn man denkt, jetzt muesse jedem aufgehen, was die Zeit geschlagen hat, dann setzen Zeitgenossen with Herr Lauterbach noch einen drauf. Es faellt schwer, solche Groteskereien nicht als Ausdruck einer neudeutschen Art von Demenz zu erklaeren.
Aber das ist kein deutsches, es ist ein internationales Problem. Herr Wendt, beschaeftigen Sie sich doch mal damit, was Sadiq Khan eben ueber die ‘ethnic pay gap’ in London gesagt hat. Ich denke mal, innerhalb der naechsten Wochen wird sich Sawsan Chebli dieses Themas annehmen. Immerhin: bei Khan und Chebli hat der Irrsinn wenigstens Methode, nicht wie bei Herrn Lauterbach, der so offensichtlich autodestruktiv handelt.
HJT
5. März, 2018Als neurologisch Kundiger muss ich sagen: der Vergleich hinkt etwas. Denn die SPD benötigt keinen Türsteher sondern erledigt das gleich selbst, insofern müsste man von suizidalen Tendezen sprechen und jene in jedem Falle in eine geschlossene Anstalt einweisen, um Leib und Leben zu schützen. Eventuell müsste leider auch über eine Fixierung nachgedacht werden. Die retrograde Amnesie erscheint mir als Sekundärsymptom.
Seppelfricke
5. März, 2018Es scheint, als habe sich die SPD am WE endgültig ihres Rückgrates entledigt. Wie will sie da jemals wieder aufstehen?!
Ach ja, und wer mal sehen will, wie die SPD mit Stimmen in Mitgliederbefragungen umgeht, der kann ja mal folgendes googeln:
„Hamburg 2007 SPD Mitgliederbefragung“
Bei der SPD, ja da ist man kreativ….
kdm
5. März, 2018WE ?
Seppelfricke
5. März, 2018Abk. für Wochenende
B.Rilling
5. März, 2018Ich hatte eigentlich auch nichts Anderes von denen erwartet. Sie tuen alles für das Vaterland, sollen sie gesagt haben. Ich hatte einen Lachanfall. Dass ein Herr Macron gleich heftig applaudiert hat, macht die ganze Sache noch viel trauriger. Nun muss ich weitere 3,5 Jahre hilflos zuschauen, wie unser Land weiter heruntergewirtschaftet wird.
oldman
5. März, 2018«Karl Lauterbach, der Doktor Eisenbarth der SPD», das hat nur z.T. etwas wahres. Zum Teil, denn der historische Dr. Eisenbarth war seiner Zeit voraus ( -1) .
Was jedoch diese aktuelle Schande seiner Zunft (als Arzt weiß ich, wovon ich spreche) so absondert, ist an abartiger Dummheit kaum zu überbieten, höchstens noch von (allerdings ohne Abschluss gebliebenen ) Geistesgrößen wie KGE oder C. Roth.
Dass eine Linke wie Frau Wagenknecht den Kern des «Tafelskandals» erkennt und richtig anspricht lässt andererseits fast ein wenig Hoffnung aufkommen. Beim Pseudoeisenbarth ist ebenso wie bei der derzeitigen SPD Hopfen und Malz verloren.
(-1) : «Mit einfachen, aber zweckmäßigen Mitteln erzielte er gute Erfolge……… Die Wurzeln des Spottliedes sind womöglich im Neid seiner weniger erfolgreichen Kollegen zu suchen» Quelle : Stadt Oberviechtach, Doktor Eisenbart Festspiele
asisi1
5. März, 2018Nicht zu vergessen, die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, SPD. Auch so eine Luftnummer. Von nichts eine Ahnung, aber für Fehler nicht zu bestrafen.
Die CDU hatte auch so ein Frauenzimmer als Gesundheitsministerin, das nichts taugte, (…) den gut und gewissenhaft Arbeitenden im Gesundheitswesen das Leben schwer gemacht. Gegen die Abzocker und Krankenkassen kam sie nicht an!
Sabine Schönfelder
5. März, 2018Was soll man von einem Menschen halten, der ein für ihn und den deutschen Steuerzahler aufwendiges Studium absolvierte und statt dieses ‘ sozial gerecht’ der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen, lieber Tweets bescheidenen Inhalts ins Netz
stellt. – nichts-. Wäre meine Antwort.
Nochn Tipp. Wie wärs denn mit einem Karl-Lauterbach-Verbot? Auch g e i s t i g e r
Feinstaub aus der alten Lauterbachkarosse verschmutzt die mentale Atmosphäre des
Landes.
Markus H.
5. März, 2018Guten Tag Herr Wendt, danke für diesen Artikel! Habe soeben beim Lesen in meiner Mittagspause so laut und anhaltend lachen müssen daß die Kollegen sich wunderten.
Ihre Seite ist immer einen Besuch wert, danke vielmals!
M. H.
Helene
5. März, 2018Man könnte es ja auch andersherum sehen: Da Merkel (fast) alle Ziele der SPD verwirklicht, kann sich die SPD beruhigt zurücklehnen. Und eines Tages vereinigen sich die beiden Parteien zur CSPD.
Sabeth Ebel
5. März, 2018Wie zynisch ist das denn?
Nach dem Mitgliedervotum der SPD sollen die deutschen Wähler mitansehen, wie Merkel wiederum den Amtseid schwört, den sie seit 2015 permanent gebrochen hat, und wiederum wieder und wieder ihn zu verletzen sich LUSTVOLL in Szene setzt.
Und der deutsche Michel lacht noch dazu.
Gerhard Sauer
5. März, 2018Die SPD als Juniorpartner in drei Koalitionen:
Nach der ersten war sie nicht mehr prächtig.
Nach der zweiten ist sie schwächlich.
In der dritten wird sie gebrechlich.
(Nach B. Brecht)
asisi1
5. März, 2018dieses Ergebnis glauben nur die Mitglieder der SPD!
Bernd Lauert
5. März, 2018(…)
Will die SPD sich erneuern muss sie eine andere Politik machen, die Möglichkeiten dazu hatte sie ja lange genug.
Als reiche es alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen wird von jedem, der sich Journalist nennt, die «Erneuerung» als Allheilmittel gegen den Abstieg in die Bedeutungslosigkeit verkauft. Und gemeint ist es immer als Personalfrage, nie als inhaltliche.
Die gleiche abgewählte Politik mit neuen Gesichtern ist doch keine «Erneuerung».
Klar: Nahles, Schulz und Gabriel sind unbeliebt, und das drückt natürlich den Wert der Marke.
Aber sie sind doch nicht unbeliebt wegen ihrer langen Gesichter, sie sind es, weil die Leute ihnen nicht mehr trauen, bzw. ihnen jede Schweinerei zutrauen.
Allein, was rede ich noch? Offenbar hält unsere Journaille Parteien für ‘ne Casting-Show, in der es nur noch um Sympathien geht, niemals um das, was getan wird.
(…)
Eugen Karl
5. März, 2018Et vice versa: die SPD ist die Bundeswehr unter den Parteien.
Lichtenberg
6. März, 2018Morbus Lauterbach: Durch Stickoxid-Intoxikation von Hirn und Nieren induziertes zwanghaftes Twittern unfreiwillig humorvollen Inhalts.