Die ARD, das Hetzopfer Polens
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Nazis in Warschau – die Geschichte einer Hysterisierung
Von Alexander Wendt / / medien-kritik / 21 min Lesezeit
Der Branchendienst Meedia kündigte am Donnerstag schon in seiner Überschrift die Geschichte eines schweren internationalen Konflikts an: Die ARD gegen Polen.
«ARD beklagt Nazi-Hetze der polnischen Politik gegen Korrespondentin Annette Dittert»
Und weiter: „Die ARD-Korrespondentin Annette Dittert sieht sich nach einer kritischen Doku bei Arte Hetze durch höchste Regierungskreise in Polen ausgesetzt.»
Nazi-Hetze der polnischen Politik? Regieren in Warschau nicht mehr Politiker der nationalkonservativen PiS, sondern schon wieder die Nationalsozialisten? Und die wiederum hetzen – gewissermaßen als erste Amtshandlung – gegen eine ARD-Korrespondentin wegen einer Dokumentation bei Arte?
Aber eins nach dem anderen.
In der Dokumentation „Polen vor der Zerreißprobe – eine Frau kämpft um ihr Land“ begleitete die ARD-Journalistin Annette Dittert die oppositionelle EU-Abgeordnete Róża Thun durch ihren Wahlkreis. Bei dem Meedia-Text handelt es sich um eine umgeschriebene ARD-Meldung über die Folgen der Dokumentation, wobei „umschreiben“ hier bedeutet hatte, ihr noch eine Umdrehung hinzuzufügen.
Im Original liest sich die Mitteilung des Senders so:
Stand: 11.01.2018 11:59 Uhr
Im Dezember zeigte arte eine kritische Dokumentation der ARD-Korrespondentin Dittert über Polen. Ein normaler Vorgang – doch seitdem hetzen rechte Polen gegen Dittert und eine polnische Oppositionelle. Der polnische Vizepräsident des EU-Parlaments zog Nazivergleiche.
Es war eine Reportage über die aktuelle Situation in Polen, mit der ARD-Korrespondentin Annette Dittert einen Proteststurm in dem Land auslöste. Der Film «Polen vor der Zerreißprobe – Eine Frau kämpft um ihr Land» lief Ende Dezember auf arte. Dittert – die von 2000 bis 2004 ARD-Korrespondentin in Warschau war – hatte dafür die polnische Europaparlamentarierin Róża Thun auf einigen ihrer Reisen durch den Wahlkreis Kleinpolen begleitet.“
Also keine „Nazi-Hetze“ mehr, sondern nur noch Hetze von nicht näher spezifizierten „rechten Polen“, beziehungsweise ein „Proteststurm“. Das heißt: ein Politiker wird genannt, nämlich der polnische EU-Abgeordnete Ryszard Czarnecki. Ihm missfiel der Dokumentarfilm aus politischen Gründen, er verglich die ARD-Frau Dittert mit Leni Riefenstahl und die polnische EU-Parlamentarierin Róża Thun, die von Dittert begleitet wurde, mit Kollaborateuren während der deutschen Besetzung Polens. Beides ist zweifellos grobschlächtig und abstrus.
Allerdings gehört der EU-Abgeordnete Czarnecki der polnischen Regierung überhaupt nicht an. Es hetzen also erstens keine „höchsten Regierungskreise“ gegen Annette Dittert. Die „Nazi-Hetze“ stellt sich zweitens als einer der auch in Deutschland sehr beliebten Nazi-Vergleiche beziehungsweise Nazi-Beschuldigung heraus. Und bis eben noch qualifizierte sich – gerade in Deutschland, dem Mutterland aller Nazivergleiche – nicht derjenige als Nazi, der andere in Nazi-Nähe rückt. Anderenfalls hätte die SPD mit ihrem stellvertretenden Parteichef Ralf Stegner ein ernsthaftes Problem. Auch kommentierte hierzulande weder Meedia noch sonst irgendjemand: „Nazi-Hetze des ZDF gegen die AfD“, als Jan Böhmermann in einem Tweet sämtliche AfD-Bundestagskandidaten noch nicht einmal mit Nazis verglich, sondern Nazis nannte. Nach dem „Stern“-Titel, der Donald Trump mit Hitlergruß und der Schlagzeile „Sein Kampf“ zeigte, hieß es auch nicht: „Nazihetze von Gruner + Jahr gegen USA“.
Das Nazi-Gerufe eines polnischen Europapolitikers kann man durchaus hysterisch nennen. Aber es wirkt keinen Deut hysterischer als Schlagzeile und Text des Medien-Magazins Meedia.
Und nun zur ARD. „Eine kritische Dokumentation über Polen“ – das klingt schon einmal ziemlich schlecht. Denn es soll ja, wie oben beschrieben, um eine polnische EU-Abgeordnete gehen, die den Kurs der gegenwärtigen polnischen Regierung kritisiert, und nicht darum, das Land in toto einer Kritik zu unterziehen.
Oder doch? Entsteht in deutschen Medien und speziell in den öffentlich-rechtlichen nach dem Vorbild der beliebten Israel- jetzt auch das Genre der Polenkritik? Der Filmtitel «Polen vor der Zerreißprobe – Eine Frau kämpft um ihr Land» macht nicht gerade den Eindruck eines differenzierungswilligen Dokumentarstücks. Zwar gibt es in Polen einen tiefen Konflikt zwischen Anhängern der Regierungspartei und der Opposition, zwischen denjenigen, die notfalls die EU verlassen würde, und denen, die auf jeden Fall bleiben wollen. Aber in seiner Geschichte hatte das Land ganz andere Zustände durchzustehen, bei denen es mehrere Male buchstäblich, also territorial zerrissen wurde. Ein dezenter Hinweis an ARD-Medienschaffende: verantwortlich dafür waren jedenfalls keine innerpolnischen Mächte.
Noch einmal ganz kurz zurück zum Genre „Polenkritik“:
Im Jahr 2016 sendete Extra 3, also der NDR, ein Spottlied nicht nur über die dortige Regierung, sondern ganz Po-Po-Po-Polen, das als dumpfes, frömmelndes Ostland abkonterfeit wurde.
Und in einer vom ZDF übertragenen Karnevalssendung legte der Kabarettist Lars Reichow nahe, PiS-Wähler seien unzurechnungsfähige Wodkasäufer; außerdem hielt er es für spaßig, sich über den Tod von Lech Kazcynski lustig zu machen, den Zwillingsbruder von PiS-Chef Jarosław Kaczyński. Der frühere polnische Präsident war zusammen mit vielen anderen Spitzenpolitikern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.
Vielleicht liegt es an solchen öffentlich-rechtlichen Höchstleistungen, dass manche PiS-Vertreter mittlerweile gereizt auf deutsche Sendungen reagieren.
Der Film Ditterts über die Oppositionspolitikerin Róża Thun ist zwar nicht ganz so dumpf – aber leider auch nicht gut. Denn er erzählt und erklärt sehr wenig. Die Zuschauer hören Thuns Ansichten, diese Passagen gehören noch zu den substanziellsten. In einer Szene zeigt Dittert eine Demonstration von PiS-Anhängern und eine Gegendemonstration. Im Kommentar aus dem Off heißt es dazu, immer wieder würden Teilnehmer von regierungskritischen Demonstrationen festgenommen, obwohl die Versammlungen legal angemeldet seien. Man sieht, wie die Polizei einen älteren Mann wegführt, der etwas an einem Transparent macht, das an einem Gebäude hängt. Hat er es dort angebracht? Oder versucht zu entfernen? Was steht auf dem Stoff? Wer ist der Mann? Davon erfährt der Zuschauer nichts.
Eine andere Aufnahme zeigt eine PiS-Demonstration mit Jarosław Kaczyński an der Spitze, der, wie die Kommentatorin meint, „das Land wieder nach außen abschotten lässt“. Nun kann nach wie vor jeder EU-Bürger nach Polen reisen, auch jeder andere, der im Besitz eines gültigen Visums ist. Das östliche EU-Land nahm hunderttausende Bürgerkriegsflüchtlinge aus der Ukraine auf, weitgehend unbemerkt von den deutschen Medien. Was also meint die ARD-Redakteurin genau mit „abschotten“? Über die Demonstranten im Bild heißt es in vorwurfsvollem Ton: „Brüssel und Berlin werden immer in einem Atemzug genannt“. Was genau ist der Vorwurf? Dittert berichtet außerdem, die Demonstranten würden „raus aus der EU“ skandieren – „und gleich danach die Werte, die für sie von nun an gelten sollen: Gott, Ehre, Vaterland“. Europäische Union einerseits und „Gott, Ehre, Vaterland“ hält sie offenbar für Gegensätze. Wahrscheinlich fällt ihr gar nicht auf, dass sie damit genau so argumentiert wie die PiS-Anhänger – nur mit anderem Vorzeichen. Und wie sie überhaupt den aufgedrehten Tonfall übernimmt.
Wie wäre es eigentlich, wenn die ARD den Text auf ihrer Seite ändern würde, von „Hetze gegen ARD-Reporterin“ in: „Kritik an Arte-Dokumentation über Polen“?
Das wäre eine so genannte vertrauensbildende Maßnahme.
24 Kommentare
Original: Die ARD, das Hetzopfer Polens
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Robert Meyer
12. Januar, 2018Sehr schön.
Hinzufügen möchte man aber schon, dass innerpolnische Kräfte durchaus beteiligt waren an den Teilungen. Wer sich an ausländische Mächte wendet, wenn er sich mit seinen inneren Widersachern nicht einigen kann, ist wohl schon „beteiligt“. Und insbesondere wer sich in seinem Größenwahn auf England verlässt, wenn er sich mit seinem deutlich größeren Nachbarn anlegt – und dabei auch noch im Unrecht ist – ist wohl auch beteiligt.
Hajo Blaschke
13. Januar, 2018Ich Stimme Ihnen zu. Möchte aber bemerken, dass auch das andere einschneidende Ereignis in Polen, die Teilungen des Landes in 18. Jahrhunderts nicht ohne tatkräftiges Mitwirken innerpolnischer Akteure abgelaufen ist.
Katarzyna Sobieski
13. Januar, 2018Hitler wäre im jeden Fall in Polen einmarschiert – es gab keine «innerpolnische Kräfte» , die daran beteiligt waren und dazu beigetragen hatten. Die fünf Millionen Polen wurden von den Deutschen ermordet und nicht von den Polen. Was ist daran so schwer , endlich zu zugeben, dass das falsch war und ein Verbrechen.
Ich bin Polin und gleich gereizt, wenn ich sowas lese.
Der Artikel selbst ist aber sehr gut,vielen Dank dafür.
Robert Meyer
19. Januar, 2018Sie dürfen gereizt sein. Aber die Fakten bleiben nunmal die Fakten. Polen hat seit 1918 bis zu seinem staatlichen Untergang 1939 mit JEDEM seiner Nachbarn blutigen Streit angefangen, meist mit Unterstützung zumindest Frankreichs. Polen hat alle Minderheiten drangsaliert, besonders die Ukrainer und versucht, ethnische Säuberungen zu betreiben. Das wird selbst in britischen Zeitungen der 20er Jahre berichtet. Polen hat versucht, 1933/34 Frankreich dazu zu überreden, gemeinsam das Deutsche Reich zu überfallen. Polen hat sämtliche Gesprächsangebote über die zu über 90% deutsche Stadt Danzig – die auch nicht Polen zugeschanzt wurde, sondern dem Völkerbund unterstand – und einen Korridor hochmütig zurückgewiesen. Polen hat im Frühjahr 1939 gegen das Deutsche Reich mobil gemacht und im Vertrauen auf die englische Garantie Anfang August auch generalmobilgemacht. Wissen Sie, was das damals bedeutet hat? Polen hat im Vorgriff auf den sicheren Sieg Propagandaplakate verteilt mit seinen neuen Grenzen bis zur Elbe.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe nichts gegen «die Polen», ich habe polnische Freunde, mit denen ich mich sehr gut verstehe. Aber Polen als reines Opfer darzustellen, wird der Geschichte nicht gerecht. Zur Ehrenrettung der polnischen Historiker, die Ihnen das offensichtlich in der Schule verschwiegen haben, sei gesagt, dass es zum Beispiel ein polnischer Historiker war, der mutig maßgeblich dazu beigetragen hat, die sogenannte Wehrmachtsausstellung zu widerlegen.
Katarzyna Sobieski
19. Januar, 2018Was für ein Blödsinn, wird das in deutschen Schulen unterrichtet? Alles lüge und Nazi – Propaganda.
Am 22. August 1939, kurz vor dem Überfall auf Polen, erklärte Hitler den auf dem Obersalzberg versammelten Generälen:
«So habe ich für den Augenblick nur meine Totenkopfverbände nach Osten geschickt mit dem Befehl, ohne Mitleid und Erbarmen alle Männer, Frauen und Kinder polnischen Rasse oder Sprache zu töten».
Hören Sie auf die Geschichte zu verfälschen, ich werde auf keinen Fall mit Ihnen darüber weiter diskutieren.
Andrenio
29. Januar, 2018Haben Sie schon etwas vom Einmarsch Polens ins Teschener Industriegebiet gehört? Damit wurde Polen Kriegsgewinnler des Anschlusses der Tschechoslowakei durch Deutschland 1938?
Wie stehen Sie zum Einmarsch in Litauen nach dem Ersten Weltkrieg?
Als Litauer und gleichzeitig Grossneffe des Primas der Katholischen Kirche von Polen würde ich Ihnen raten die Geschichte nach Faktenprüfung zu beurteilen.
Diese stammen im Falle von Herrn Meyer nicht aus Schulbüchern, sind deshalb aber noch lange nicht falsch.
Übrigens: In Katyn sind nicht nur Polen, sondern auch viele Litauer erschossen worden.
Santiago
5. Februar, 2018Wenn Sie schon Geschichtsrecherche betreiben, Herr Andrenio, dann sollten Sie bezüglich des zugegebenermaßen opportunistischen Einmarschs in das Teschener Industriegebiet aber nicht verschweigen, wo denn die tschechoslovakische Armee 1919 einmarschiert ist, als Polen alleingesetzt einem bolschevischen Sturm Einhalt geben musste. 1938 war eine direkte Konsequenz von 1919.
Was Herrn Meyer angeht, so nennt er zwar ein paar Fakten, macht es aber auf eine geschichtsrevisionistisch manipulierte und überzogene Art und Weise, um die barbarische Kriegspolitik des Dritten Reichs zu relativieren. Die Innen- und Aussenpolitik von Polen in den Zwischenkriegsjahren war absolut nicht ideal, aber: «Polen hat seit 1918 bis zu seinem staatlichen Untergang 1939 mit JEDEM seiner Nachbarn blutigen Streit angefangen»
Falsch. Mit Rumänien gab es keinerlei blutigen Streit, es war die Sovietunion, die versucht hat, Polen zu überrollen und es war die Tschechoslovakei, die den Krieg 1919 dazu nutzte, um einen Teil Schlesiens zu annektieren (was auch halbwegs gelang).
Die Drangsalierung von ethinschen Minderheiten war eine Tatsache, aber wenn man vergleicht, wie diese jeweils in Polen und Deutschland aussah, so kann man wirklich nur schmunzeln, wenn jemand hier tatsächlich eine Analogie ziehen will. Das Vertrauen auf englische Garantien war natürlich totaler, katastrophaler Blödsinn. Blödsinn relativiert jedoch nicht die Barbarei eines Vernichtungskrieges, das die «ehrenhafte» deutsche Armee gegen polnische Zivile betrieb.
Franz
14. Januar, 2018Und insbesondere wer sich in seinem Größenwahn auf England verlässt, wenn er sich mit seinem deutlich größeren Nachbarn anlegt –
Es grüßt der deutsche Revisionismus par excellence. Nicht Polen hat sich mit Deutschland angelegt und dann Deutschland braucht Lebensraum im Osten. So wie Muslime heute Lebensraum in Westeuropa brauchen. Übrigens hätte Deutschland nicht ein derart bestialisches Besatzungsregime durchführen müssen. Hat es aber. Damit liegt die Schuld komplett bei Deutschland.
Andrenio
29. Januar, 2018Den Begriff Geschichtsrevisionismus kenne ich aus kommunistischer Zeit.
Interessant wird es doch immer erst dann, wenn ausgeblendete Details aus der Geschichte benannt werden, die nicht ins gängige Bild passen.
So wäre doch eine Gegenüberstellung des Schicksals der polnischen Offiziere nach Aufteilung zwischen Deutschland und der UdSSR interessant. Könnte daraus nicht etwas über die Grundausrichtung abgeleitet werden?(…)
G.Herbst
12. Januar, 2018Ich will gar nichts weiter zu dem wie immer sehr lesenswerten Artikel sagen. An einer Stelle jedoch ist die grenzenlose Unwissenheit oder besser gesagt Dummheit deutscher linksgwirkter «Kabarettisten» oder «Intellektueller» so deutlich wie des Öfteren bei Frau KGE zu spüren (als die behauptete, die «Nazis» hätten Dresden zerstört). An der Stelle, als ein vollkommen verblödeter Kabarettist sich über den abgestürzten Lech Kaczynski lächerlich machte. Dieses Ereignis fand statt auf dem tragischen Flug der halben polnischen obersten Elite nach Katyn, jenem Ort, der jedem Polen seit über 75 Jahren so absolut heilig ist wie die Schwarze Madonna von Tschenstochau, als dort und an zwei anderen Orten (Starobielsk und Ostaschkow) im Frühjahr 1940 die bolschwistischen NKWD-Genickschussmörder auf Befehl Stalins zehntausende polnische Offiziere, Intellektuelle, Wissenschaftler, Priester ermordeten. Der Film von Andrzej Wajda «Katyn» sollte diesen bekloppten «Comedians» so oft gezeigt werden, wie man weiland den Deutschen 1945 die KZ-Filme eintrichterte.
qTrzêsowski
13. Januar, 2018Sehr zutreffend.
Lech
Gebürtiger Pole
Plutonia
12. Januar, 2018Selbst wenn die ARD den Text auf ihrer Seite zum Zwecke einer möglichen „vertrauensbildenden Maßnahme“ ändern würde, könnten die sogenannten „Qualitätsmedien“ bei mir kein Vertrauen mehr aufbauen. Um das zu schaffen, müsste man mir mein Hirn absaugen, erst dann sähe ich eventuell noch eine Chance. Ich habe das erwähnte dokumentarische Filmwerk nicht gesehen, was ich aber nun nach Alexander Wendts differenzierten, anschaulichen Betrachtungen auch keinesfalls als bedauerlich erachte. Vielmehr wurde mein berechtigter Vertrauensverlust gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen nur einmal mehr bestätigt. Frau Dittert könnte ihre „kritische Dokumentation über Polen“ meinetwegen auch noch umbenennen von „Polen vor der Zerreißprobe – Eine Frau kämpft um ihr Land“, z.B. in: „Polnischer Eiersalat – Eine Frau geht seinen Weg“ (frei nach Helge Schneider), aber selbst dann würde ich mir diesen offenkundigen Tendenz-Streifen nicht mehr anschauen.
Charlotte H.
20. Januar, 2018Liebe Plutonia – vielen Dank für Ihren Beitrag, seit langem habe ich nicht mehr so gelacht! Dank des ausgezeichneten Artikels sowie der differenzierten Kommentare werde ich mir die «kritische Dokumentation über Polen» nicht anschauen. Schließlich bin ich für meine Lebensqualität selbst verantwortlich und da gehört auch dazu giftige Produkte zu vermeiden.
Alma Ruth
13. Januar, 2018Im Kritisieren ist D groß. Dabei machen es mehr als genug Sch….e. Das man genauso
kritisieren könnte – zurecht. Nur macht sich keiner die Mühe, denn man weiß, daß D in viel zu vielen Fällen unbelehrbar, faktenresistent, man nenne es wie man will, ist. (Israel, Iran, Flüchtlinge als Beispiele). Mit D meine ich natürlich allen voran die Politik und (etwas weniger voran) die Medien.
lg
Alma Ruth
Heinz Stiller
13. Januar, 2018Einige Deutsche haben es immer noch nicht begriffen, obwohl sich unsere Qualitätsmedien mit engelsgleicher Geduld darum bemüht haben, es uns mit beharrlichen pädagogischen Massnahmen beizubringen: Die einzigen, die berechtigt sind, andere mit Nazi-Vergleichen zu überziehen, sind linke deutsche Politiker und Medien. Sonst niemand. Basta. Kapiert es endlich! Wie könnt Ihr denn glauben, dass Hinz und Kunz und Jaszek das auch dürfen? Wo kämen wir denn hin, wenn hier jeder gegen den Stachel löcken dürfte? Quod licet iovi, non licet bovi. Respektiert endlich die Autoritäten in deutschen Medien und der Politik! Seht Euch doch diese Leute an, und erkennt an, was für wohlmeinende, moralisch höchstqualifizierte, bewundernswerte, vernunftgeschwängerte Intellektuelle das alles sind!
pia-pauline
13. Januar, 2018Köstlich. Ein Lesegenuss.
Wolfgang Smid
14. Januar, 2018(…) Unsere linksdrehende Journalistenkultur merkt gar nicht, wie sehr rassistisch sie sind. Gegenüber den slawischen Staaten und Ungarn wird eine enormes Überlegensheitsgefühl ausgelebt, wirtschaftlich und moralisch.
Als Ostdeutscher kenne ich das, weil die Westdeutschen einen genauso behandelt haben. Natürlich nicht alle, aber man war ja geübt im Lesen zwischen den Zeilen und die Medien transportierten solche Überlegenheitsgefühle. Ich werde dann auch richtig zornig, wenn Westdeutsche erzählen, auf die Einheit hätte man besser verzichten sollen. Einige wie Grass luden ihre Haltung moralisch auf mit Auschwitz. Als wenn Auschwitz ein von Sachsen und Brandenburgern betriebenes KZ gewesen wäre. Und als wenn sich Ostdeutschland freiwillig dafür entschieden hätte, es mit dem Sozialismus noch einmal zu probieren, und Audi und andere Konzerne zu vertreiben. Gott sei Dank gab es die Kohl und die ostdeutschen Wähler. (…)
Cassandra
19. Januar, 2018Als gebürtige Westdeutsche fand ich diese Haltung auch immer ekelhaft.
Peter
29. Januar, 2018Ich kann mich nur schämen, für das, was jetzt den Ost(Mittel?)-Deutschen alles angedichtet wird, genauso den Polen, die pro Kopf mehr Asylbewerber aufgenommen haben als wir. Man wundert sich, dass dort so gut wie alle in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten. Liegt es daran, dass Polen keine Moslems, dafür extrem viele Ukrainer aufgenommen hat?
Tom Hess
13. Januar, 2018Ich finde den Nazi-Vergleich des Polen gar nicht so abwegig. Immerhin positioniert sich die Journalistin klar politisch und erhebt den moralischen Zeigefinger. Schon alleine das würde sich aus historischer Sicht heraus verbieten. Wenn ein/e Deutsche/r Polen dermaßen kritisiert, ist der Nazivergleich nicht so weit hergeholt. Immerhin wusste ja auch Hitler die Moral auf seiner Seite. Und behandelte schon durch seinen Aufteilungspakt Polens mit Stalin ausgesprochen herablassend. Und in diesem historischen Kontext würde ich wahrscheinlich ähnlich auf deutsche Kritik reagieren: was, das Naziland schon wieder?
Dabei wird auch hier wieder die hochanständige linke Moral, die ja gerade in Deutschland so extrem mainstreamig und das Maß aller Dinge ist, herangezogen, um die Innenpolitik eines anderen Landes scharf zu kritisieren. Dabei wird nicht einmal sachlich (wie es für eine Doku sein sollte) vorgegangen, sondern gleich die Meinung mitgeliefert.
Da ich außerhalb Europas lebe, lese und höre ich viele nicht deutsche Nachrichten und Dokus. Wenn Berichte über Deutschland kommen, erfährt man die Geschehnisse. Aber ohne vorgefertigte Meinung, die man zu teilen hätte. Im Gegenteil: jeder kann sich seine Meinung selber bilden.
Genau diese Art von Journalismus ist den Deutschen (Mainstream) abhanden gekommen. Und damit ebenfalls an Propaganda (wie im 3. Reich) näher als einer sachlichen Berichterstattung. Also auch hier: die ARD sollte sich nicht beschweren über solche Vorwürfe, sondern als deutscher Sender mal hinterfragen, ob es vielleicht tatsächlich moralische Überheblichkeit ist …
Es zeigt zudem, dass den Deutschen (Moralpredigern) anscheinend der Kompass abhanden gekommen ist, in welchem historischen Kontext die Diffamierung «Nazi» tatsächlich zutreffend ist. Wenn aber hierzulande jeder, der zu Vorgaben des Mainstreams «ja aber» sagt, gleich eine mit der Nazikeule übergebraten bekommt, ist es nicht verwunderlich, dass die ARD nicht versteht, dass Polen diesen Begriff mit einer ganz anderen Bedeutung belegt haben als deutsche Linksideologen … anders ausgedrückt: sie verstehen noch nicht mal die historisch gewachsene Berechtigung.
Christian Wimmer
13. Januar, 2018«Wie wäre es eigentlich, wenn die ARD den Text auf ihrer Seite ändern würde, von „Hetze gegen ARD-Reporterin“ in: „Kritik an Arte-Dokumentation über Polen“?
Das wäre eine so genannte vertrauensbildende Maßnahme.»
Ich präzisiere und passe an den üblichen Duktus an:
«Heftige Kritik an umstrittener Arte-Dokumentation über Polen»
Wolfgang Smid
14. Januar, 2018Vielen Dank Herr Wendt für diesen kleinen Einblick. Es ist mir auch neu, dass Polen so viele ukrainische Flüchtlinge aufgenommen hat und dabei ist mein Medienkonsum hoch. Die Hochnäsigkeit vieler Deutscher gegenüber Polen war mir immer suspekt und machte mich schon immer zornig. In den aktuellen Debatten merkt man aber, dass Linke vor diesen Ressentiments nicht immun sind. Ein Kollege hat vor einigen Wochen auch über die Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn geschimpft, weil die keine Flüchtlinge aufnähmen, obwohl es von Brüssel so beschlossen worden wäre. Ich dachte, ich höre nicht recht.
(…)
Unsere Linken, die ständig Rücksicht auf Täter nehmen, in deutschen Strafrechtsprozessen wie im Nahen Osten, wenn die Täter Ahmed und Mustafa heißen und sie vergessen dabei, dass der liberalste Mullah im Iran immer noch schrecklicher ist als der konservativste polnische Ministerpräsident. Es wird so non-chalant über die Opfer islamischer Staaten hinweggegangen, aber wenn in Polen die Homo-Ehe nicht erlaubt wird (Homo-Ehe ist kein Grundrecht), dann sieht man schon ein polnisches Nazireich platzgreifen. Das ist so ekelhaft, genauso wie auch die Nazivorwurfe gegenüber Israel. Der Begriff der «Polenkritik» in Analogie zur «Israelkritik» passt bestens. In beiden Fällen «kritisiert» man aus einer vermeintlichen moralisch höheren Position heraus. In beiden Fällen tut man dem Gegenstand seiner Kritik so viel Unrecht. Mir kommt da echt die Galle hoch.
Cassandra
19. Januar, 2018Im Freundeskreis ist es mir unmöglich, auf diese Diskrepanz hinzuweisen. Arabische Länder werden munter bereist, Kritik an den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen ist nicht erlaubt, aber die AfD ist dafür der Gottseibeiuns.
Peter
29. Januar, 2018Polen und Ungarn hat pro Kopf mehr aufgenommen als wir, soweit ich weiß…