Der Mensch hat keine Sinne für Strahlung, wir sind deshalb auf Meßgeräte angewiesen die uns warnen können.
Verfahren
Es gibt zwei Arten von Instrumenten: Zählende und Dosimeter. Die Zählenden bestimmen die spezifischen atomaren Zerfälle in Bq/kg für Feststoffe, Bq/l für Flüssigkeiten, Bq/m3 für Gase und Bq/m2 für Oberflächen. Die Dosimeter ermitteln die Energie der absorbierten Strahlung in Gray.
Beide Meßgeräte bestehen aus einem Volumen und einer Messwerterfassung, die die durch die Strahlung verursachte Veränderung im Volumen erkennt und in ein Signal umwandelt. Das Volumen muß dabei die Photonen oder Partikel überhaupt erfassen können. Dies setzt ein Mindestvolumen und besonders empfindliche Materialien voraus. Wenn entsprechend viele Teilchen und Photonen das Volumen passieren können ohne eine Reaktion zu verursachen, spricht man von geringer Empfindlichkeit (low efficiency).
Methoden
Man unterscheidet technische Verfahren und biologische Methoden. So kann man z.B die durch Strahlung ausgelöste Veränderung von Chromosomen benutzen, um verabreichte Dosen bei Lebewesen nachträglich zu ermitteln. Technische Verfahren geben idealerweise einen linearen Verlauf zwischen Dosis und Wirkung wieder. Bei den biologischen Verfahren liegt eher ein linear-quadratischer Verlauf (chromosome aberrations) vor.
Filmdosimeter sind sehr verbreitet. Das Maß für die empfangene Strahlung ist die Schwärzung des Films. Die Filme werden lichtdicht in Gehäuse eingeklebt. Durch unterschiedliche Materialien kann man sogar unterschiedliche Strahlungen oder (thermische) Neutronen unterscheiden und durch unterschiedliche Empfindlichkeit die Genauigkeit steigern. Sie sind billig in der Herstellung und wirken integrierend über den gesamten Zeitraum, in dem sie getragen werden. Typische Anwendung ist daher der Arbeitsschutz.
Thermolumineszenzdosimeter (TLD) senden nach Erhitzung einen der Dosis proportionalen Lichtschein aus. Sie sind so stabil, daß sie sogar in der Archäologie zur Altersbestimmung genutzt werden. Gerne werden sie auch in der Strahlentherapie eingesetzt. Für den Arbeitsschutz werden meist Kristalle aus Lithiumfluorid verwendet, da ihre Absorption der von Gewebe sehr ähnlich ist. Die Strahlung verursacht Fehlstellen in der Kristallstruktur. Werden sie auf ca. 200 °C erhitzt, bilden sich die Fehlstellen zurück und es wird dabei Licht ausgesendet. Die Menge ist dabei proportional zur empfangenen Strahlung. Über die Lithium-6 Isotope kann man auch empfangene Neutronen erfassen.
Ionisation, bekanntester Vertreter ist das Geiger-Müller Zählrohr. Ionisierende Strahlung erzeugt positive und negative Ionen. Jeder Zerfall löst einen Impuls aus, der verstärkt und z. B. hörbar gemacht werden kann. Das bekannte „Geknatter“ ist ein typisches Maß für die Strahlung. Der Geiger-Müller Zähler zeigt unmittelbar die momentane Strahlung an. Er ist deshalb ein gutes Hilfsmittel, um vor gefährlichen Bereichen zu warnen. Für die Überwachung ist er jedoch ungeeignet, da er nicht die gesamte Dosis die während der (z.B.) Arbeitszeit aufgenommen wurde, registrieren kann. Er liefert keine Information über die Art der Strahlung oder deren Energie.
Scintillation nutz den physikalischen Effekt, daß manche Stoffe auf Strahlung durch das Aussenden von Licht reagieren. Die Intensität des ausgesendeten Lichts ist mit einem Lichtverstärker (photomultiplier) leicht sichtbar zu machen, wobei die „Helligkeit“ für die Energie der γ-Strahlung steht. In Kliniken verwendet man aus Einkristallen aus Natrium-Jod hergestellte Detektoren mit einem Halben Meter Kantenlänge als „Bildschirme“.
Halbleiter erzeugen beim Auftreffen von Strahlung eine elektrische Spannung. Sie ermitteln die Energie sehr genau, sind jedoch nicht besonders empfindlich. Halbleiter auf der Basis von Germanium werden deshalb meist auf -196°C mit flüssigem Stickstoff gekühlt. Sie werden in Labors zur qualitativen und quantitativen Bestimmung von „Isotopen Cocktails“ verwendet.
Freie Radikale werden durch Strahlung erzeugt. Sie reagieren in Flüssigkeiten sehr schnell, sind aber in Feststoffen erstaunlich stabil. Die Anzahl der erzeugten Radikale ist ein Maß für die empfangene Dosis. Eine Methode mit der man z.B. in Zähnen auch noch nach sehr langer Zeit die empfangene Dosis nachweisen kann.
Redox Produkte. Strahlung reduziert durch Aufnahme von Elektronen bzw. oxidiert durch Verlust von Elektronen Moleküle. Damit können gezielt chemische Reaktionen ausgelöst werden, die zu stabilen chemischen Verbindungen führen können. Diese sind dann ein (dauerhaftes) Maß für die empfangene Dosis.
Die Nachweisgrenze
Ein Klassiker in der kerntechnischen Ausbildung ist die Frage, ob man ein einzelnes Gramm Jod-131 noch nachweisen könnte, wenn man dieses gleichmäßig über die gesamte Erdoberfläche verteilen würde. Jod-131 hat eine Halbwertszeit von 8,04 Tagen. Es zerfällt recht schnell und hat damit eine hohe Aktivität. Es ist ein Leitisotop für Reaktorunfälle, da es gasförmig ist und sich besonders in der Schilddrüse anreichert.
Jod-131 ist ein β-Strahler mit einer maximalen Teilchenenergie von 0,606 MeV und sendet gleichzeitig noch γ-Photonen mit einer Energie von 0,364 MeV aus. Letztere kann man gut mit einem Halbleiterdetektor messen und sie wirkt wie ein „Fingerabdruck“ zur eindeutigen Identifizierung auch in beliebigen Isotopengemischen.
Ein einzelnes Gramm Jod-131 besteht aus 4,6 x 1021 Atomen. Das Gesetz über den radioaktiven Zerfall und seine Halbwertszeit ergeben somit eine Aktivität von 4,59 x 1015 Bq. Die Erdoberfläche beträgt ungefähr 5,1 x 1014 m2. Die sich ergebende Aktivität von rund 10 Bq/m2 ist einfach nachweisbar.
Im Februar geisterte eine Meldung durch die Medien, zahlreiche automatische Überwachungsstationen zwischen Norwegen und Spanien hätten Aktivitäten zwischen 0,1 und 5,9 microBq/m3 in der Luft gemessen. Was war geschehen? Tatsächlich hatte es im Forschungsreaktor Halden in Norwegen einen Unfall beim Hantieren mit einem Brennelement gegeben. Wie dieser Vorfall zeigt, entgeht der Fachwelt nichts: Kein illegaler Kernwaffentest und kein noch so kleiner Unfall in einem Reaktor. Gemessen an den Nachweisgrenzen der Chemie, sind die Messmethoden der Kerntechnik geradezu atemberaubend empfindlich. Hinzu kommt, daß man beliebige Isotopenzusammensetzungen messen kann. Bei einer Probe ergibt sich daraus – auch bei kleinsten Mengen – ein „Fingerabdruck“ des Täters.
Dosismessung
Die Aktivität (in Bq) und die Energie (in eV) sind physikalische Größen, die gemessen werden können. Die Dosis ist hingegen die Energie, die im Medium aufgenommen wird. Wir betrachten meist den Menschen. In diesem Sinne ist die Dosis die vom menschlichen Körper aufgenommene Energie der ionisierenden Strahlung. Sie hängt von zahlreichen (biologischen) Faktoren ab. Es ist schwierig, die Absorption von Strahlung im Gewebe zu beobachten. Wie gesagt, es ist nicht das Problem Teilchen oder Photonen zu messen, sondern es ist schwierig, die Energie, die im menschlichen Gewebe absorbiert wurde zu erfassen:
- Man kann die Energie von Röntgen oder γ-Strahlung recht einfach in einer mit Gas gefüllten Ionisationskammer (z.B. Geiger-Müller Zählrohr) messen. Die Maßeinheit Röntgen (1R) ist auf Luft bezogen. Wieviel von der Strahlung absorbiert wird, hängt aber von der Elektronendichte ab. So wird z. B. in Knochen (schwere Atome mit vielen Elektronen in ihren Hüllen) sehr viel mehr Energie, als im Gewebe (besteht hauptsächlich aus Wasser) absorbiert. Das erklärt das Bild einer „Röntgenaufnahme“. Die Dosis für Knochen und Gewebe ist deshalb völlig verschieden, auch wenn die Strahlung exakt gleich war.
- Die Dosis hängt bei menschlichem Gewebe stark von der Eindringtiefe ab. Trägt man die absorbierte Energie über die Wegstrecke auf, ergeben sich konvexe Kurven: Auf den ersten Millimetern ist die absorbierte Energie klein, dann steigt sie steil bis zu einem Maximum an und nimmt dann mit größerer Entfernung wieder ab. Die Dosis ist ortsabhängig. Besonders extrem ist dies bei Teilchenstrahlung. Abhängig von der Art der Ionen, durchdringen diese zig Zentimeter mit sehr geringer Energieabgabe. Wird ein charakteristischer Wert erreicht, wird an diesem Ort (Bragg-peak) fast die gesamte Energie umgesetzt. Die Dosis ist örtlich eng begrenzt sehr hoch.
- Was im Sinne des Arbeitsschutzes nachteilig ist, ist für die Medizin von großem Vorteil. Man will gezielt die Krebszellen belasten und nicht das umliegende gesunde Gewebe. Kennt man die Kurven für die absorbierten Energien in Abhängigkeit von der Strahlungsenergie, kann man über die gewählte Energie der Strahlung die Wirksamkeit (Dosis) sehr genau steuern. Für Tumore, die z. B. in einer Tiefe von etwa 6 cm im menschlichen Gewebe sitzen, muß man eine Röntgenstrahlung von mindestens 20 MeV wählen um optimale Ergebnisse (Kleine Dosis für das durchdrungene gesunde Gewebe, aber eine hohe Dosis im Tumor) zu erzielen.
Wir Eigenstrahler
Kalium ist überall vorhanden: Im Boden, im Wasser, in Pflanzen, in Tieren und am Ende der Nahrungskette in uns selbst. Kalium entspricht 2,4 Gewichtsprozenten aller Elemente der Erde. Die Häufigkeit des radioaktiven Isotops Ka-40 beträgt 0,0118%. Ka-40 hat eine Halbwertszeit von fast 1,3 Milliarden Jahren. Nur deshalb ist es noch überall auf der Erde vorhanden. Beim Zerfall sendet es β- und γ-Strahlung aus. Mit der Nahrung nehmen wir durchschnittlich 2,5 Gramm Kalium pro Tag auf. Dies ergibt rund 75 Bq Ka-40 pro Tag. Kalium ist in allen Zellen unseres Körpers eingebaut. Die Menge unterscheidet sich nach Geschlecht und Alter. Sie schwankt etwa zwischen 75 Bq pro kg Körpergewicht bei jungen Männern und 40 Bq/kg bei einer älteren Frau. Mit anderen Worten: Ein Fußballstadion, voll mit überwiegend jungen Menschen, ist eine ganz schöne „Atommülldeponie“. Jedenfalls verglichen mit den aus den Medien bekannten Wassertanks in Fukushima.
Eine einfache Abschätzung ergibt folgende Daten: Aus dem Zerfallsschema entnimmt man, daß 89,3 % der beim Zerfall entfallenden Energie auf die β-Teilchen entfallen. Da β-Strahlung nur eine sehr kurze Reichweite hat, verbleiben damit im Mittel 429.200 eV im Körper. Bei der γ-Strahlung sieht es etwas anders aus: Man nimmt an, daß nur 50% im Körper verbleiben, die andere Hälfte aber den Körper verläßt. Damit ergibt sich eine Energie von 78.100 eV. für die γ-Photonen. Somit kann man eine vom Körper absorbierte Energie von ungefähr 510.000 eV unterstellen. Pro Becquerel und kg und Jahr ergibt sich eine Energie von 2,6 μGy. Bei 70 Bq/kg ergibt sich somit eine Belastung von 182 μGy pro kg Körpergewicht jährlich. Diese Abschätzung deckt sich gut mit den von UNSCEAR angegebenen 0,165 – 0,185 mSv per year. Da es sich um die aufgenommene Dosis handelt, kann man auch die Einheit mSv verwenden.
Hinzu kommt noch Kohlenstoff-14. Er wird ständig in der Atmosphäre durch die kosmische Strahlung aus Stickstoff gebildet. Pflanzen lagern diesen Kohlenstoff über die Photosynthese ein. Wir wiederum nehmen dieses C-14 direkt über pflanzliche Nahrung oder indirekt über Fleisch auf. Durchschnittlich tragen wir alle etwa 35 Bq pro kg Körpergewicht in uns. C-14 sendet β-Strahlung mit (im Mittel) einer Energie von 52 keV bei jedem Zerfall aus. Das ergibt eine Strahlenbelastung von weiteren 0.01 mGy bzw. 0.01 mSv pro Jahr, die wir uns – ganz natürlich – selbst zufügen.
Hinzu kommen noch – je nach Bodenverhältnissen – die kompletten Zerfallsreihen von Uran und Thorium. Je nach Ernährungsgewohnheiten, Geschlecht und Lebensalter ergeben sich unterschiedliche Mengen die wir vornehmlich in unseren Knochen einlagern. Man setzt nach umfangreichen Analysen und Berechnungen als durchschnittliche Belastung hierfür eine effektive jährliche Dosis von 0,12 mSv an.
Somit setzt man eine durchschnittliche effektive Dosis für diese drei Wege von 310 μSv an. Wichtig dabei ist, nie den langen Weg vom Isotop bis zur Strahlenbelastung des Menschen zu vergessen. Die Energien beim Zerfall eines radioaktiven Elements sind leicht zu messen. Wieviel von diesem Stoff in den Körper gelangt, wie lange es dort verbleibt und wo und wie genau es im Körper wirkt, ist von unzähligen Einflüssen abhängig. Jede Angabe von irgendwelchen μSv (d h. dem millionsten Teil eines Sv) ist daher mindestens mit Gelassenheit zu betrachten.