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Original-Artikel ist hier:
www.nukeklaus.net/2015/12/02/3-d-drucker-und-die-bombe

3-D-Drucker und die Bombe

Seit Erfindung der Steinaxt gibt es das Problem der friedlichen Nutzung und der Anwendung als Waffe. Die Kerntechnik selbst, gilt als das Musterbeispiel für solch doppelte Nutzung. Stets waren aber auch die Erfindung neuer Fertigungsverfahren verantwortlich für die Verbreitung von Waffen.

Was macht den 3-D-Drucker so revolutionär?

Die Bezeichnung „3-D-Drucker“ ist eine umgangssprachlich anschauliche Bezeichnung für das „Additive Manufacturing (AM)“. Seit der Steinzeit stellt der Mensch seine Werkzeuge durch das Zerspanen aus dem vollen Block her. Einzige Ausnahme sind das Umformen (Schmieden, Tiefziehen etc.) und Gießen. Beide Verfahren sind aber eher grob und erfordern zumeist einen weiteren Bearbeitungsschritt. Beim AM geht man nun genau andersherum vor: Es wird ein nahezu beliebig geformtes Teil aus einzelnen Schichten aufgebaut. Es werden viele Schichten aus digital gesteuerten Punkten überlagert. Ganz so, wie bei einem Tintenstrahldrucker. Ein Rechner setzt beispielsweise einen Text in einzelne Punkte in einer Ebene um und der angeschlossene Drucker stellt daraus Punkt für Punkt den gewünschten Brief her. Würde man diesen Vorgang auf dem selben Blatt Papier sehr oft wiederholen, hätte man irgendwann einen gegenständlichen Brief aus räumlichen Buchstaben. Besonders interessant ist dabei, daß man nicht jede Schicht gleich ausführen müßte, sondern durch geringe Variationen auch noch schön verzierten Schrifttypen erzeugen könnte. Zu einem echten Fertigungsverfahren gelangt man, wenn man die „Tinte“ durch beliebige Werkstoffe ersetzen kann und das „Trocknen einer jeden Schicht“ durch ein „verschweißen“ – üblicherweise durch einen Laser oder einen Elektronenstrahl – der jeweiligen Schichten untereinander.

Dies ist alles andere als Science Fiction, sondern bereits Realität. Vielleicht haben schon viele sogar ihr Leben solch hergestellten Bauteilen anvertraut, ohne es auch nur zu ahnen. Alle namhaften Flugzeugbauer verwenden solche Teile bereits in ihrer Produktion. Bemerkenswert dabei ist, daß solche Teile die strengen Zulassungsbedingungen und ausgiebigen Tests der Luftfahrtbehörden voll erfüllen. Sie sind auch nicht aus Plastik, sondern exotischen Werkstoffen, die beständig Temperaturen von über 1600 °C in einem Flugzeugtriebwerk aushalten müssen. Es sind auch keine Prototypen mehr, sondern sie werden in bedeutenden Stückzahlen hergestellt: So sind z. B. in jeder „LEAP engine“ von General Electric 19 Einspritzdüsen eingebaut. Von diesem Triebwerk wurden fast 8000 verkauft. Ursprünglich bestand dieses „gedruckte“ Bauteil aus 20 Einzelteilen, die aufwendig produziert, geprüft und miteinander verschweißt werden mußten.

Die Werkstoff-Frage

In der breiten Öffentlichkeit wird immer noch geglaubt, daß AM nur mit „Plastik“ funktioniert und damit Spielzeug und Modellbau vorbehalten ist. Dies ist aber nur der sichtbare Teil der Anwendung. Durch das Grundprinzip feinste Materialteilchen beliebig anordnen zu können (quasi zu drucken) und sie erst im nächsten Verfahrensschritt mit der bereits erzeugten Struktur zu verbinden (z. B. durch einen Laser- oder Elektronenstrahl), ist auch der Werkstoff nahezu frei wählbar. Diese Tatsache erweitert die Fertigung gegenüber konventionellen Verfahren ganz beträchtlich. Schon ein schnitthaltiger Stahl zur Messerherstellung, der auch in Meerwasser korrosionsbeständig sein soll, läßt sich nicht mehr durch Gießen mit anschließendem Walzen herstellen: Die notwendigen Legierungsbestandteile in dem notwendigen Mischungsverhältnis und der notwendigen Homogenität lassen sich so nicht mehr erzeugen. Man muß schon hier den Weg über Pulver gehen, die anschließend erst zu einem Rohling verbacken (sintern) werden können, aus dem dann anschließend noch das fertige Werkstück durch Fräsen hergestellt werden muß. Hinzu kommt beim AM noch der prinzipiell geringere Materialbedarf für die Herstellung der Teile und man hinterläßt auch keinen (verräterischen) Abfall.

Was macht diese Tatsache nun im Hinblick auf die Weiterverbreitung von Kernwaffen so problematisch? Alle Materialien für den Sprengkopf selbst und auch schon für deren Gewinnung (Anreicherung und Wiederaufbereitung) sind ausnahmslos „exotisch“. Keines kann man beim Baumarkt um die Ecke kaufen. Nach dem Schock durch die indische Bombe (Smiling Buddha) gründete man 1975 die „Nuclear Suppliers Group“ NSG als wirksame Frühwarnorganisation. Immer, wenn weltweit jemand Materialien kaufen will, die man bekanntermaßen bei der Produktion von Kernwaffen braucht, wird stiller Alarm ausgelöst. Bei der „Weiterverbreitung“ von Metallpulvern dürfte dies wesentlich schwieriger sein. Es wird sehr schnell ein immer breiter werdender Markt für die hochreinen Komponenten entstehen. Diese kann man vor Ort mit handelsüblichen Anlagen zu den gewünschten Legierungen vermischen. Welche Mischung man herstellt, ist praktisch nicht mehr nachvollziehbar. Sogenanntes „Dual-Use“ in Reinkultur: Will jemand edle Messerklingen produzieren oder doch Teile einer Pulskolonne zur Gewinnung von waffengrädigem Plutonium? Mit anderen Worten: Der weltweite Handel mit Pulvern ist wesentlich schwieriger zu kontrollieren als der Handel von (großen) Schmiedestücken aus exotischen Legierungen. Bisher kam der Bau einer Kernwaffe der Lösung eines komplizierten Puzzle gleich, bei dem schon die Herstellung der komplizierten und zahlreichen Einzelteile ein hohes Risiko der Entdeckung in sich trug.

Digital geht einfach anders

Um den revolutionären Charakter von AM zu erfassen, ist das Beispiel der Herstellung eines Buches auf dem Computer nicht ungeeignet. Die Hauptarbeit und das ganze Können vollzieht sich am Rechner. Der eigentliche Herstellungsprozeß kann auf einem beliebigen Drucker an einem beliebigen Ort in beliebiger Stückzahl erfolgen. Die schwer zu erlernende, viel Übung und teure Maschinen erfordernde Tätigkeit des Buchdruckers fällt weg. „Erschaffung“ und „Herstellung“ sind räumlich und zeitlich vollkommen entkoppelt.

Diese Eigenart erschwert jegliche Kontrolle erheblich. Wir kennen dieses Phänomen bereits von Raubkopien aus der Unterhaltungsbranche. Man stelle sich vor, die Datensätze für die Fertigung von Zentrifugen verteilen sich einmal im Netz. Die Büchse der Pandora wäre unwiederbringlich geöffnet. Iran brauchte beispielsweise noch weitere 15 Jahre nach dem Erwerb der ersten Zentrifugen bis zur Eigenproduktion der erforderlichen Stückzahl für eine Anreicherungsanlage.

Hier liegt eine weitere Veränderung. Insbesondere, wenn sich AM auch in der zivilen Fertigung weiter durchsetzt, kann man zeitlich parallel an verschiedenen Standorten Teile anfertigen und diese Produktionsstätten ständig verlagern. Für eine Überwachung eine schier undurchführbare Aufgabe. Die Rüstungsschmiede in der Garage. Die „Drucker“ sind nur wenig größer als die herzustellenden Bauteile. Jedenfalls kein Vergleich zu Bearbeitungszentren mit ihren Fundamenten. Die erforderlichen Datensätze kann man beliebig oft kopieren und in der Hosentasche zur Fertigungsstätte tragen. Eine Überwachung des Internets hilft also auch nicht viel weiter.

Diese Entwicklung schreitet mit rasantem Tempo voran. Wieder einmal erscheint der Krieg als Vater aller Dinge. Wer einmal die Logistikflotte hinter einem Flugzeugträger gesehen hat, kann sich ungefähr die erforderliche Ersatzteilhaltung und die Kapitalbindung vorstellen. Zukünftig will man nur noch die entsprechenden Pulver und Datensätze an Bord vorhalten müssen. Ganz nebenbei, erfordert die Kostensenkung über Großserien eine ganz neue Bewertung. Man träumt – noch – davon, auch die für jeden Einsatz notwendige Spezialmunition vor Ort herstellen zu können.

Die Konsequenzen für die Proliferation

Beim Einsatz von AM verlagert sich der wesentliche Teil der Fertigung – man könnte auch sagen, das Gehirnschmalz – fast ausschließlich auf irgendein Team, in irgendeinem Rechenzentrum. Große Fabriken mit seltenen Werkzeugmaschinen, schwierig herstellbaren Halbzeugen und hoch qualifizierten Facharbeitern entfallen. Das Risiko erwischt zu werden verkleinert sich beängstigend. Der eigentliche Produktionsvorgang – das „Drucken“ – kann vollautomatisch ablaufen.

Erfahrungsgemäß scheuen Staaten keine Kosten und Mühen, um ein Kernwaffenprogramm durchzuziehen. Durch den Dual-Use Charakter der Technologie, lassen sich die wahren Absichten leicht durch ein ziviles Entwicklungsvorhaben verschleiern. Hat man sich erst einmal die Datensätze und „Drucker“ beschafft, kann die geheime Fertigung an vielen verschiedenen Orten anlaufen. Ziemlich plötzlich kann man sich dann zum günstigen Zeitpunkt der Welt als neue „Atommacht“ präsentieren. Genau die lange Vorlaufzeit (Iran, Libyen, Syrien, Nord-Korea) war aber bisher für ein politisches Handeln (Abrüstungsverhandlungen, Sanktionen etc.) nötig.

Die Beschaffung der Datensätze ist wesentlich einfacher, als die Beschaffung konventioneller Technik (Werkzeugmaschinen, Halbzeuge etc.). Dabei ist der berühmte „Hacker“ eher die Ausnahme, da man solche Daten ohnehin nicht in das normale Internet stellt. Wie die berüchtigten Disketten über Bankkunden aus der Schweiz gezeigt haben, ist eher der eigene Angestellte das Sicherheitsrisiko. Trifft dieser auf Staaten mit entsprechender Ideologie und krimineller Energie, ist der Handel so gut wie getätigt. Unbegrenzte Geldmittel (Steuergelder) treffen auf einzelne Personen. Das Risiko entdeckt zu werden ist dabei für Fachleute äußerst gering, da die Handelsware kompakt ist und keine Spuren hinterläßt. Damit sind Geheimdienste und Abwehr wieder auf die Methoden vor dem Computerzeitalter zurückgeworfen. Satelliten sind gegen unzählige Produktionsstätten in Garagen ebenfalls machtlos. Ergibt sich auch hier wieder eine neue Asymmetrie?

Die Beschaffung des „Wissens“ gestaltet sich sogar noch vielfältiger. Es reicht ein einzelnes Teil als Muster oder sogar nur ein Modell, um daraus – wiederum automatisch – einen Datensatz zur Steuerung für einen 3-D-Drucker zu erzeugen. Welcher Zollbeamte ist schon in der Lage, ein sensitives Bauteil zu erkennen, wenn es nur aus grellbuntem Plastik besteht? In der Not, reichen sogar ein paar hochauflösende Photos um über „Reverse Engineering“ den nötigen Datensatz zu erzeugen.

Vom technischen Standpunkt aus betrachtet, ist die Gefahr der Weiterverbreitung von Kernwaffen größer denn je geworden. Zur Überwachung sind mehr denn je wieder die klassischen Methoden der Spionage und Abwehr gefragt. Wie erfolgreich – oder beschränkt – die sein können, ist spätestens aus der Entwicklungsgeschichte der ersten Atombombe bekannt. Was Dual-Use in der Praxis bedeutet, spätestens nach dem Bau der indischen Bombe. Das stille, aber plötzliche „Ausschleichen“ aus zivilen Programmen und damit die Zeit zur Reaktion ist noch kleiner geworden. Ob neue Denkansätze, wie das selbstzerstörende File, hilfreich sein können, wird die Zukunft zeigen. Wahrscheinlich ist, daß die Verhinderung der Weiterverbreitung von Kernwaffen eine reine Illusion war, ist und bleiben wird. Insofern gibt es zwischen der einfachen Schusswaffe und der Kernwaffe keinerlei Unterschied.