Bei jeder öffentlichen Diskussion ist der „Atommüll“ der Aufreger schlecht hin. Spätestens an diesem Punkt, kommt meist die Ablehnung jeglicher Nutzung der Kernenergie in Deutschland. Die Propaganda hat hier ganze Arbeit geleistet. Es macht nicht einmal stutzig, daß dies schon in unseren Nachbarländern anders gesehen wird.
Was ist eigentlich Abbrand?
Dieser Begriff hat sich wegen seiner Anschaulichkeit so durchgesetzt. Einen Kernreaktor kann man nur mit der typischen Konzentration von spaltbarem Material – eine übliche Bezeichnung für U235 oder Pu239 – betreiben. Bei Reaktoren mit schwerem Wasser reicht schon Natururan aus, bei Leichtwasserreaktoren ist eine Anreicherung auf 3 bis 5 Prozent nötig und bei schnellen Reaktoren sogar bis zu 20%. Haben die Brennelemente nun eine gewisse Zeit im Reaktor Wärme produziert, würde irgendwann die Kettenreaktion zusammen brechen, wenn man nicht einige Brennelemente auswechseln würde. Angestrebt wird immer ein möglichst hoher Abbrand, was ein anderer Ausdruck für die Spaltung von Kernen ist. Gebräuchliche Maßeinheit hierfür ist MWd/to SM (Megawatt Tage pro Tonne Schwermetall). Wenn man 1gr Uran bzw. Plutonium spaltet, wird ziemlich genau ein MWd – oder 24000 kWh – Wärme frei. Eine gewaltige Menge, mit der man schon mitten in der „Atommüll-Frage“ steckt. 2014 wurde in Deutschland 55970 GWh elektrische Energie durch Windkraft erzeugt. Hätte man diese Strommenge in den Kernkraftwerken erzeugt, hätten dafür rund 7000 kg Uran gespalten werden müssen. Ein Würfel von 72 cm Kantenlänge. Warum also die ganze Aufregung?
Wieso Recycling?
Für den Windstrom wären ungefähr 7 GW Leichtwasserreaktoren (gegenüber 39 GW Windmühlen) nötig gewesen. Dafür hätte man erst einmal über 1000 to Natururan fördern müssen, die nach der Anreicherung zu rund 186 to Reaktorbrennstoff verarbeitet worden wären – der berüchtigte deutsche Atommüll, mit seiner „ungeklärten Entsorgungsfrage“. An dieser Stelle wird schon mal klar, warum „Atomkraftgegner“ monatelang – oft gewalttätig – gegen die einst geplante Wiederaufbereitungsanlage gekämpft haben: 186 to sind mehr als 25 mal so viel, wie 7 to. Gerne wird auch noch das geförderte Natururan dem „zu entsorgenden“ Müll hinzugerechnet und fälschlicherweise behauptet, eine Wiederaufbereitungsanlage würde zusätzlichen Atommüll erzeugen. Flugs ist man nach dieser Zahlenakrobatik auf der Suche nach einem gigantischen Endlager. Erst einmal die Probleme schaffen, die man anschließend vorgibt zu lösen.
An dieser Stelle ist es an der Zeit, die drei grundsätzlichen Möglichkeiten kurz zu betrachten:
- Man verbuddelt alle benutzten Brennelemente in einem „Endlager“. Schon hier gibt es zwei deutlich unterschiedliche Varianten: Die „Schwedische-Lösung“ eines Langzeitlagers hunderte Meter unter Granit. Die Brennelemente werden in Kupferbehälter eingeschweißt und sollen ausdrücklich rückholbar – eventuell erst in Jahrhunderten – eingelagert werden. Die „Deutsche-Endlager-Lösung“ mit dem Anspruch eines „absolut sicheren“ Einschlusses über „geologische Zeiträume“. Wegen dieses Anspruches hat man auch folgerichtig gleich Fachkräfte für Glaubensfragen und nicht Ingenieure mit der Suche betraut.
- Man geht – wie z. B. in Frankreich – den Weg über eine Aufbereitung und Wiederverwendung im vorhandenen System. Ein abgebranntes Brennelement eines Druckwasserreaktors enthält immer noch rund 95% Uran, 1% Transurane und 4% Spaltprodukte. Das Uran wird wieder neu angereichert, das Plutonium zu sog. Mischoxid-Brennelementen verarbeitet und lediglich die Spaltprodukte und minoren Aktinoiden verglast und als „Atommüll endgelagert“. Auch dieser bewußt rückholbar, denn er enthält wertvolle Rohstoffe. Nachteil dieses Weges ist die erforderliche Reinheit von Uran und Plutonium, um sie in vorhandenen Leichtwasserreaktoren wieder einsetzen zu können. Alle minoren Aktinoide werden deshalb den Spaltprodukten zugeschlagen und machen damit diesen Atommüll sehr langlebig.
- Man betrachtet die abgebrannten Brennelemente als Brennstoff für schnelle Reaktoren. Die dort verwendeten metallischen Brennstoffe haben keine besonderen Anforderungen an die Reinheit. Man kann deshalb zu Aufbereitungsverfahren übergehen, die Uran zusammen mit allen Transuranen (also auch Plutonium und den minoren Aktinoiden) abscheiden. Hier liegt umgekehrt das Bestreben, möglichst reine Spaltprodukte zu erlangen. Man hat damit einen relativ kurzlebigen (Gefährdungspotential einiger Jahrzehnte bis Jahrhunderte) Abfall, der automatisch ein sehr wertvolles „Erz“ ergibt. Eine „Endlagerung“ wäre nicht nur unnötig, sondern eher Verschwendung. Zumal die relativ geringen Mengen (siehe oben) einfach und sicher zu lagern sind.
Grundsätzlich gibt es auch noch andere Wege. Verwendung des abgebrannten Brennstoffes in Schwer-Wasser-Reaktoren. An diesem Weg wird zielstrebig in Korea gearbeitet oder die „Entschärfung“ des Atommülls in Beschleunigern (Versuchsanlage in Belgien) und Spallationsquellen (USA). Nur die Politik in Deutschland, hat sich in einer „Endlösung“ mit „Atomausstieg“ verrannt.
Warum soll „Atommüll“ eigentlich gefährlich sein?
Spaltprodukte wandeln sich über sog. Zerfallsketten um und senden bis zum Erreichen ihres stabilen Endglieds Strahlung aus. Das ist eigentlich überhaupt kein Problem, denn man kann die Quelle leicht und wirksam abschirmen (z. B. Castor-Behälter). Niemand ist gezwungen, Atommüll zu essen. Das mag sich flapsig anhören, ist aber wörtlich zu nehmen. Erst wenn radioaktive Stoffe unmittelbar in den Körper gelangen, können sie gefährlich werden. Dabei kommt es nicht nur auf die Menge, sondern auch den chemischen Zustand an. Plutonium ist z. B. rein chemisch betrachtet, ein Knochengift. Die biologische Verweildauer (bis es ausgeschieden ist) ist z. B. entscheidend abhängig von der Wertigkeit, in der es vorliegt und damit seiner Löslichkeit im Körper. Jod wird selektiv in der Schilddrüse angereichert. Strontium ist dem Kalzium verwandt und ersetzt dies gern in den Knochen usw.
Radioaktive Stoffe können überhaupt erst gefährlich werden, wenn sie in die Biosphäre gelangen und letztendlich über die Nahrungskette in den Menschen. Aber auch dann ist noch die Frage der Dosis zu stellen. Wir haben sehr genaue Kenntnisse über Wege und Wirkungen. Es gibt für jeden Stoff einen Grenzwert z. B. für Trinkwasser. Diese sind ausnahmslos sehr konservativ festgesetzt. Wer sich einmal mit dieser Materie beschäftigt, wird feststellen, daß selbst eine zigfache Überschreitung der Grenzwerte noch zu keiner akuten Gefährdung einer durchschnittlichen Person führt. Wer anderes behauptet, glaubt auch an die heilende Wirkung irgendwelcher esoterischen Amulette. Möge ihm sein Aberglaube erhalten bleiben, aber versuche er nicht, sein Unwissen als Wissenschaft zu verkaufen und anderen Menschen Angst einzujagen.
Wären radioaktive Stoffe auch nur annähernd so gefährlich, wie „Atomkraftgegner“ gern behaupten, wäre die Menschheit längst ausgestorben. Man denke nur an die Kinder der fünfziger Jahre. Es wurden Tonnen radioaktiver Stoffe bei den Kernwaffentests in die Atmosphäre freigesetzt. Noch heute kann man diese Belastungen weltweit in den Knochen und Zähnen der Betroffenen messen. Wohlgemerkt messen, nicht nur vermuten. Wir haben zwar keine direkten Sinne für Strahlung, aber unsere Meßtechnik ist so verfeinert, daß immer die „Isotopenzusammensetzung“ helfen muß, wenn andere forensische Verfahren längst versagt haben.
Wieso unterirdische Lager?
Für die Gefährlichkeit der radioaktiven Abfälle gibt es zwei wesentliche Einflüsse: Zeit und Konzentration. Je länger es dauern würde, bis die radioaktiven Stoffe wieder in die Biosphäre gelangen, je weniger gibt es überhaupt noch von ihnen. Der Zerfall ist durch nichts aufzuhalten und er geht immer nur in die eine Richtung – Umwandlung in stabile Atome. Ein typisches deutsches Brennelement (Anfangsanreicherung 3,3%, Abbrand 34000 MWd/tU) enthält nach der Entladung 3,62 % Spaltprodukte. Bereits nach einem Jahr sind 3% in einem stabilen – also nicht mehr radioaktiven – Zustand. Zu den 0,62% radioaktiven Spaltprodukten kommen noch 0,9% Plutonium und 0,72% minore Aktinoide. Nur die beiden letzten Gruppen, sind sicherheitstechnisch von langfristigem Interesse.
Man verglast nun die Spaltprodukte und die minoren Aktinoide. Diese „radioaktiven Glasblöcke“ würden in 100 000 Jahren etwa zu 2% aufgelöst, wenn sie im Wasser stehen würden. Das ist die erste Barriere. Wenn sie sich so langsam auflösen, würde dies zu sehr geringen Konzentrationen im Wasser führen. Umgangssprachlich wäre das Wasser nur leicht radioaktiv. Jetzt müßte es aber noch mehrere hundert Meter durch etliche Gesteins- und Bodenschichten aufsteigen. Dies geht nicht nur extrem langsam, noch erfolgt es in einer Rohrleitung, sondern durch einen „riesigen Ionentauscher“. Es kommt nur sehr wenig von dem, was unten ins Wasser überhaupt rein geht, auch oben an. Umgangssprachlich filtert der Boden fast alles raus.
Damit kein Mißverständnis entsteht: Sicherheitstechnisch ist es überhaupt kein Problem, radioaktive Abfälle in einem speziellen Bergwerk gefahrlos und „für ewig“ zu vergraben. Allerdings muß diese Lösung einem Ingenieur widerstreben. Warum soll man Papier und Plastikbecher aussortieren, wenn man Brennelemente einfach am Stück wegwirft?
Wie gefährlich ist gefährlich?
Die Maßeinheiten in der Kerntechnik sind für Menschen, die nicht täglich damit umgehen, wenig verständlich. Dies wird von der Betroffenheitsindustrie weidlich ausgenutzt. Genüsslich wird mit riesigen Zahlen an Becquerel und Sievert nur so um sich geschmissen. Eigentlich ist der psychologische Trick einfach durchschaubar: So schrecklich viel, muß doch einfach gefährlich sein. Es kann also nicht schaden, die Angelegenheit etwas auf die Ebene der Alltagserfahrungen zurück zu holen.
Fangen wir mal mit der guten alten Maßeinheit der Madame Curie an: 1 Curie (Ci) entspricht 3,7 x 1010. Becquerel (Bq) oder anschaulich 1 Gramm Radium. Radium wurde bis in die 1930er Jahre in Medikamenten, Kosmetika und Leuchtstoff für Instrumente und Uhren verkauft. Bis man seine krebserzeugende Wirkung (in hoher Konzentration) erkannte.
Der Abfall aus der Aufbereitung von Brennelementen aus Leichtwasserreaktoren mit allen Spaltprodukten, minoren Aktinoiden und einem Rest von 0,5% Uran und 0,5% Plutonium (alles bezogen auf den ursprünglichen Gehalt im Brennstab vor der Aufbereitung) hat ein Jahr nach der Entladung ziemlich genau eine Radioaktivität von 106 Ci pro Tonne Schwermetall .(im ursprünglichen Brennstab). Die Radioaktivität der Spaltstoff-Lösung (nicht des Glasblockes!) entspricht also ziemlich genau der von Radium. Entscheidend ist, daß die Radioaktivität der Aktinoide zu diesem Zeitpunkt erst 1% ausmacht. Sie sind halt sehr langlebig und tragen damit noch wenig zur Aktivität bei. Nach etwa 500 Jahren ist der Schnittpunkt erreicht: Die Aktivität der Spaltprodukte entspricht der Aktivität der Aktinoide mit deren Zerfallsprodukten. Die Radioaktivität des Atommülls aus der Wiederaufbereitung ist auf rund 0,01% des ursprünglichen Wertes nach der Entladung abgefallen. Wären keine langlebigen Aktinoide im Abfall enthalten, wäre jetzt die Gefahr faktisch vorbei.
Ein anderer Versuch zur Veranschaulichung ist der Vergleich zwischen der Aktivität des Atommülls mit der ursprünglich zur Energieerzeugung geförderten Uranmenge. Uranerz enthält auch immer „Atommüll“, da durch die spontanen Zerfälle auch Spaltprodukte erzeugt worden sind (z. B. Radon). Diese Belastung mit Radionukliden in Gebieten mit Uranlagerstätten (z. B. Sachsen, Tschechien etc.) ist offensichtlich für den Menschen tolerierbar. Wäre das nicht der Fall, müßten überdurchschnittlich viele Sterbefälle in diesen Gebieten nachweisbar sein. Wirft man komplette Brennstäbe weg, wird diese Aktivität erst nach rund 30 000 Jahren erreicht. Solange hat man also zusätzliche Radioaktivität in die Natur eingebracht. Spaltet man das Plutonium in der Form von Mischoxid-Brennelementen in Leichtwasserreaktoren, wird dieser Zeitraum auf rund 1000 Jahre verkürzt. Ein doppelter Ertrag: Das langlebige Plutonium ist weg und für die damit zusätzlich erzeugte Energie braucht kein zusätzliches Uran gefördert werden.
Ein weiterer Vergleichsmaßstab ist Pechblende. Verbuddelt man komplette Brennstäbe, wird die Aktivität von Pechblende für diesen Atommüll auch nach über einer Million Jahren nicht erreicht. Verbuddelt man den verglasten Abfall nach der Wiederaufbereitung, wird der Wert schon nach etwa 80 000 Jahren erreicht. Entfernt man auch noch die Aktinoiden aus diesem Abfall, nach wenigen hundert Jahren (je nach Reinheit). An dieser Stelle dürfte jedem die Bedeutung der „Entsorgungsfrage“ für Pseudo-Umweltschützer klar geworden sein. Als die Grünen die Wiederaufbereitung in Deutschland gekippt hatten, glaubten sie das Totschlagargument gegen die Kernenergie gefunden zu haben: Die selbsterschaffene Gefahr für geologische Zeiträume, die man angeblich den Nachfahren aufbürdet. Politisch besser zu verwenden, als jeder Hexenwahn im Mittelalter.
Zusammenfassend kann an dieser Stelle noch einmal festgehalten werden:
- „Atommüll“ kann selbst in seiner ursprünglichen Form – als abgebrannte Brennelemente – problemlos und ohne Gefahr für Mensch und Umwelt unterirdisch oder auch oberirdisch in technischen Bauten gelagert werden. Radioaktivität ist natürlich und klingt immer von allein ab (anders als z. B. Asbest oder Quecksilber, die in der Tat „ewig bleiben“). Die Gefahr, die von radioaktiven Stoffen ausgeht, ist somit zeitlich begrenzt. Die „ethische Dimension“ bezieht sich deshalb weniger auf die momentane Gefahr, als auf den Aufwand und die daraus resultierenden Kosten für zukünftige Generationen. Es ist das ewig gleiche Problem, einer jeden Mülldeponie. Kerntechnik ist in diesem Sinne keinesfalls anders, als z. B. Chemie, Landwirtschaft (z. B. Bodenerosion) oder Fischerei (unwiederbringliche Ausrottung ganzer Arten) zu betrachten. Jede Form der Nutzung von „Natur“ verändert diese dauerhaft.
- Die Kerntechnik ist der einzige Industriezweig, der sich von der ersten Stunde an, Gedanken über seine Umwelteinflüsse gemacht hat. Der Gedanke des „Recycling“ wurde überhaupt erst durch sie populär. Man vergleiche dies mal mit anderen Zweigen der Energietechnik, in denen bis heute, nach wie vor, immer nur auf Umweltschäden reagiert wird. Paradebeispiel ist die Windkraft-Industrie (Vögel, Fledermäuse, Schweinswale, Infraschall usw.) im Verleugnen absehbarer Schäden. Kohle- und Ölindustrie sind dagegen bereits zu aktiven Umweltschützern mutiert.
- Kernenergie ist unbestritten der sicherste Zweig der Energieerzeugung (Arbeitsschutz = Menschenschutz). Von Anfang an, war man bestrebt, die Nachteile so gering wie möglich zu halten. In welchem anderen Industriezweig gibt es sonst den Grundsatz, die Auswirkungen stets so gering wie möglich zu halten – unabhängig von den Kosten? Im Strahlenschutz und bei der Abgabe von radioaktiven Stoffen bereits mit absurden Auswirkungen.
Der Vorwurf einer angeblich ungelösten Entsorgungsfrage, ist jedenfalls absurd bis böswillig. Je nach Standpunkt und Bildungsgrad.
Das Purex-Verfahren
Wie der Name schon sagt – Plutonium-Uranium Recovery by Extraction – dient der Purex-Prozeß zur Gewinnung von Uran und Plutonium mit möglichst hoher Reinheit. Alles andere (alle Spaltprodukte ob stabil oder radioaktiv und die minoren Aktinoide) ist Abfall. Günstig, wenn man daraus neue Brennelemente für Leichtwasserreaktoren herstellen will, ungünstig für den „Atommüll“, der dadurch besonders langlebig wird.
Es handelt sich um eine Flüssig-Flüssig-Extraktion: Es wird Wasser und Öl gemischt. Diese beiden Flüssigkeiten trennen sich wieder von allein. Findet man nun ein Stoffpaar mit möglichst unterschiedlichem Lösungsvermögen für den gewünschten Stoff, hat man eine einfache Möglichkeit zur Gewinnung gefunden. Es wird aus dem abgenutzten Brennstoff mittels konzentrierter Salpetersäure eine wässrige Lösung hergestellt. Dieses genau eingestellte „Salzwasser“ (Nitrate) wird nun in einer Pulskolonne intensiv mit dem „Öl“ gemischt. Das „Öl“ besteht aus rund 70% Kerosin, in dem rund 30% Tributylphosphat aufgelöst sind. Dieses „Öl“ löst Uran und Plutonium wesentlich besser als andere Salze. Im ersten Schritt gehen etwa 98% davon von der wässrigen in die organische Lösung über.
Für das Verständnis ist wichtig, daß die Löslichkeit relativ ist. Mit anderen Worten, es geht nie alles Uran und Plutonium von der wässrigen Lösung über, dafür aber auch immer einige Spaltprodukte. Man muß das Verfahren also mehrmals wiederholen (Kaskade). Üblich ist eine geforderte Reinheit von 99,9% bei den Endprodukten Uran und Plutonium. Andererseits geht man von bis zu 0,5% Uran und 0,5% Plutonium (beides auf die ursprüngliche Menge im Brennstab bezogen) im Abfallstrom aus. Man hat also nicht nur die ursprünglichen rund 0,07% minoren Aktinoide (Neptunium, Americium, Curium) sondern auch bis zu 0,05% Uran und 0,0005% Plutonium als langlebige α-Strahler im Abfall. Zusammen mit den rund 3,06% Spaltprodukten. Diese Brühe wird nun aufkonzentriert und später verfestigt (kalziniert) und in Glas eingeschmolzen. Das ist das Produkt, welches z. B. aus England und Frankreich zur Endlagerung als „Atommüll“ nach Deutschland zurück geliefert wird. In diesem „Atommüll“ entspricht der Anteil an α-Strahlern also etwa 4%.
Eine Wiederaufbereitungsanlage ist kein Kernkraftwerk, sondern eine reine Chemiefabrik und erzeugt damit auch keinen „Atommüll“. Dies wird immer wieder fälschlich behauptet. In einer Wiederaufbereitungsanlage werden die bereits angelieferten radioaktiven Stoffe lediglich umsortiert und anders konditioniert (z. B. verglast).
Pyrometallurgische Verfahren
Will man den wiedergewonnenen Brennstoff nicht wieder in Leichtwasserreaktoren, sondern in schnellen Reaktoren verwenden, erhält man ein gänzlich anderes Anforderungsprofil. Die Reinheit von Uran und Plutonium spielt – wegen der generell kleineren Einfangquerschnitte – nur noch eine untergeordnete Rolle. Es wird damit möglich, alle Aktinoiden zusammen abzutrennen und als Brennstoff erneut zu verwenden. Es spielt auch keine Rolle, ob einige Spaltprodukte mit durchrutschen. Viele sehen den Vorteil dieses Brennstoffgemisches im Schutz gegen die Weiterverbreitung von Kernwaffen: Es ist ohnehin für den Bau von Kernwaffen völlig ungeeignet. Darüber hinaus, ist der Transport und die Handhabung wegen der erhöhten Strahlung kaum im Verborgenen zu machen.
Die abgenutzten Brennstäbe werden in geschmolzenem Salz aufgelöst. Dabei trennen sich bereits alle leicht flüchtigen Bestandteile (z. B. Edelgase) ab. In das Salzbad tauchen die Elektroden ein. Die Aktinoiden scheiden sich gemeinsam an der Kathode als eine Art „Metallschwamm“ ab. Die Spaltprodukte bleiben im Salzbad gelöst und reichern sich dort an. Aus ihr werden zwei verschiedene „Abfallformen“ zur Lagerung hergestellt: Eine metallische Matrix, in der alle Edelmetalle eingelagert werden und ein keramisches Produkt, in dem die Spaltstoffe in mineralischer Form (Metalle der I. und II. Gruppe und die Halogene) vorliegen. Beides sehr stabile Formen, die direkt einem unterirdischen Lager zugeführt werden könnten. Man könnte sie dort in Bohrlöchern versenken. Vielleicht sollte man hier noch einmal daran erinnern, daß diese Form des Atommülls nach wenigen hundert Jahren nur noch wie gewöhnliches Uranerz strahlt – also einem Stoff, mit dem Bergleute ohne große Schutzmaßnahmen umgehen können.
Der „Metallschwamm“ der Kathode wird nun unter Schutzgas in einem Induktions-Tiegel eingeschmolzen und üblicherweise mehrere Stunden bei bis zu 1400 °C gehalten. Die Schmelze homogenisiert sich. Es können auch weitere Legierungsbestandteile hinzugefügt werden. Schließlich erfordert jeder Brennstab im Reaktor (idealer weise) eine etwas andere Zusammensetzung. Die Legierung kann auch in Formen aus Graphit zu Barren vergossen werden. Üblicherweise werden aber direkt dünne „Stäbe“ zur Herstellung neuer Brennstäbe abgegossen. Ein Verfahren, ist das Gießen in dünne Rohre aus Quarzglas, die während des Abgusses in einer Zentrifuge rotieren. Durch die Zentrifuge bekommt man besonders hochwertige Stäbe. Das Ausformen ist durch Zerschlagen der Glasröhren besonders einfach.
Die Brennstäbe werden aus Stahlrohren (H9) gebildet, in die nun die gegossenen Stücke eingesteckt werden. Der Querschnitt der Gußstücke beträgt nur etwa 75% der Innenfläche der Rohre, da der Brennstoff durch die Bestrahlung sehr stark anschwillt. Damit überhaupt eine gute Wärmeübertragung zwischen Brennstoff und Hülle stattfinden kann, werden die Stäbe mit flüssigem Natrium ausgegossen. Dies geschieht sehr langsam auf Rütteltischen, damit auch kleinste Gasblasen aufsteigen können. Abschließend werden die Rohre gasdicht verschweißt. Die Rohre sind nicht auf ihrer ganzen Länge mit Brennstoff gefüllt, sondern haben oben einen Gasraum als Puffer, in dem sich später Spaltgase ansammeln können. Dieser Gasraum ist mit einer individuellen Gasmischung gefüllt. Wird ein Brennstab im Reaktor undicht, kann man ihn später durch eine Analyse der Isotopenzusammensetzung des „Abgases“ genau identifizieren. Solche Messmethoden sind für den Betrieb sehr wichtig, da flüssiges Natrium nicht durchsichtig ist, was Inspektionen sehr erschwert.
Man muß sich immer vor Augen halten, daß die Abbrände bei schnellen Reaktoren sehr viel höher als bei Leichtwasserreaktoren sind. Man geht dadurch auch mit wesentlich kleineren Brennstoffmengen (bezogen auf die erzeugte elektrische Energie) um. Eine solche Wiederaufbereitung und Brennstoffproduktion hat gegenüber den klassischen industriellen Anlagen eher den Charakter einer Manufaktur. Die Abschirmung ist kein Problem – es genügen übliche heiße Zellen. Die Handhabung ebenfalls nicht, da es sich um recht überschaubare Vorgänge handelt, die sich leicht automatisieren lassen. Es spricht also nichts dagegen, eine solche Anlage direkt auf dem Gelände des Kraftwerks zu errichten. Transport- und Sicherheitsrisiken werden damit erheblich verringert. Den Abfall könnte man ebenfalls in Bunkern auf dem Gelände lagern. Da die Strahlung recht schnell abklingt, könnte man die Entscheidung zwischen verbuddeln oder nutzen bis zum endgültigen Abbruch der gesamten „Energieerzeugungsanlage“ vertagen. Immerhin sind rund 50 % der Spaltprodukte schon mal seltene Erden.