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Nachrichten aus der Kerntechnik

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Moon
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Original-Artikel ist hier:
www.nukeklaus.net/2015/04/05/p51-und-die-bombe

P5+1 und die Bombe

In den letzten Tagen bin ich wiederholt zu Fragen der Proliferation befragt worden. Anlass scheinen die (ziemlich oberflächlichen) Presseberichte zu den Verhandlungen mit Iran zu sein. Ein Thema, welches offensichtlich viele Menschen bewegt und das schnell zu Kontroversen führt.

Der Weg zur Bombe

Die Frage der „atomaren Bewaffnung“ eines Staates, ist heute nur noch eine rein politische Entscheidung. Kernwaffen ja oder nein, ist die einzig beeinflußbare Fragestellung. Ist ein Staat – auch wenn er so erbärmlich arm wie Nordkorea ist – gewillt, die finanziellen Mittel aufzubringen, wird er kurz oder lang zur „Atommacht“. Der Glaube man könne das Wissen zum Bau geheim halten, war von Anfang an abwegig. Es ist halt nur die Technik der 1940er Jahre nötig.

Die gern aufgetischte Verknüpfung zwischen der friedlichen Nutzung der Kernenergie und Kernwaffen ist schlicht weg Unsinn. Man kann sich Kernwaffen zulegen, ohne jemals ein Kernkraftwerk zu betreiben und man kann Kernkraftwerke bauen und betreiben, ohne jemals „Atombomben“ zu bauen. Es ist eine rein politische Entscheidung welchen Weg ein Staat wählt. Wenn man nur die friedliche Nutzung will, muß man notwendige Transparenz schaffen und einschlägige Kontrollen zulassen (Deutschland, Japan etc.) oder vorab auf Anreicherung und Wiederaufbereitung verzichten (Vereinigte Emirate, Schweden etc.). Wer hingegen eine Grauzone konstruiert (Dual Use), erzeugt zumindest Misstrauen. Wer sogar Kontrollen verweigert oder wenigstens behindert, erzeugt Angst. Es ist zwischen Staaten nicht viel anders, wie im wirklichen Leben: Man kann nicht jedem, der ein Brotmesser besitzt unterstellen ein potentieller Mörder zu sein. Steht jedoch einer mit dem Brotmesser in der Hand vor der Tür des Nachbarn und gibt dauernd kund dessen gesamte Familie ins Meer jagen zu wollen, bekommt sein Besitz eines Brotmessers, schlagartig eine andere Qualität. Wenn er dann auch noch den beleidigten spielt und sich ungerecht behandelt fühlt, weil man ihm sein Messer aus der Hand nehmen will, wird die Angelegenheit unfreiwillig komisch.

Noch einmal ganz knapp: Jeder Staat hat selbstverständlich das Recht zur friedlichen Nutzung der Kernenergie, aber auch die Pflicht gegenüber anderen, die ausschließlich friedliche Nutzung kontrollieren zu lassen. Verweigert er das und versucht darüber hinaus ganz offensichtlich, Aktivitäten zu verschleiern, wird er automatisch zu einem Staat der faktisch „Atommacht“ ist. Wie die Staatengemeinschaft damit umgeht, steht zunächst auf einem anderen Blatt.

Der Tatsachenentscheid

Zum Bau einer Kernwaffe braucht man möglichst hoch angereichertes Uran (mindestens 85 bis 90% U235) oder waffengrädiges Plutonium (möglichst reines Pu239). Das war schon bei den ersten Bomben so und hat sich bis heute nicht geändert. Wenn man also gar keine eigene Anlage zur Urananreicherung besitzt, setzt man sich auch keinem Verdacht aus eine „Uranbombe“ bauen zu wollen. Dies gilt für die Mehrheit der Staaten mit Kernkraftwerken. Man kann Anreicherung auf dem Weltmarkt kaufen und Uran ist einfach und beliebig lange lagerbar. Der Angst vor möglichen Boykotten ist somit einfach zu begegnen.

Wenn man über keinen Reaktortyp verfügt, der in der Lage ist waffengrädiges Plutonium zu erbrüten und parallel keine Wiederaufbereitungsanlage betreibt, setzt man sich auch keinem Verdacht aus eine „Plutoniumbombe“ bauen zu wollen. Mit keinem Reaktor, der nur im Stillstand beladen oder entladen werden kann (z. B. alle Druck- und Siedewasserreaktoren) kann man waffengrädiges Plutonium erzeugen. Andererseits reicht eine einfache „Graphitanordnung“ aus, um waffengrädiges Plutonium billig und in beliebiger Menge zu produzieren. Die (lösbaren) Schwierigkeiten liegen viel mehr in der Wiederaufbereitung und der Konstruktion einer Plutoniumbombe.

Der dritte Prüfstein sind die Trägersysteme. Man muß ja nicht nur eine Kernwaffe bauen, sondern sie auch noch zu seinem Feind hin transportieren. Je primitiver die Bombe ist, desto größer und schwerer ist sie. Die Bomben für Hiroshima und Nagasaki waren größer als ein PKW. Heutige Kernwaffen sind nicht größer als eine Artilleriegranate. Sie lassen sich deshalb mit Raketen mit entsprechender Reichweite ins Ziel schießen. Wer also parallel auch noch solche Raketen entwickelt, verstärkt den Verdacht eine „Atommacht“ werden zu wollen. Weiß man doch schon seit der V2, daß konventionelle Sprengköpfe zwar Angst und Schrecken verbreiten, aber militärisch betrachtet ein äußerst schlechtes Preis- Leistungsverhältnis haben.

Der Unterschied zwischen Abrüstung und Nicht-Benutzung

Aus dem „Kalten Krieg“ sind uns noch Abrüstungsverträge in Erinnerung: Man verhandelte zäh und lang, welche Waffensysteme mit welcher Stückzahl jeder haben darf. Nach der Einigung erfolgte dann die kontrollierte Vernichtung. Raketen wurden mit Bulldozern platt gewalzt, Kernwaffen zerlegt und unbrauchbar gemacht. Das gegenseitige Vertrauen ging dabei so weit, daß Rußland z. B. „Bombenuran“ an die USA als Brennstoff für Kernkraftwerke übergeben hat. Man hatte zu der Zeit nicht genug eigene Kapazitäten zur Vernichtung, wollte sich aber auf keinen Fall dem Verdacht aussetzen, man wollte das Abkommen nicht einhalten und unterlaufen.

In den P5+1-Verhandlungen ist von Abrüstung gar nicht die Rede. Man will ausdrücklich nur die (mögliche) Zeit bis zur Produktion von Kernwaffen hinauszögern. Es soll nichts zerstört, sondern lediglich weggeschlossen werden. So soll die Anzahl der Zentrifugen, die in Betrieb sind, begrenzt werden. Die überschüssigen Zentrifugen dürfen nur als Ersatz für kaputte Zentrifugen eingesetzt werden. Alles äußerst vage und schwer zu kontrollieren und jederzeit bei „Verstimmungen“ einseitig außer Kraft zu setzen.

Das Scheitern

Faktisch sind die Verhandlungen gescheitert. Es ist lediglich eine Liste (Parameters for a Joint Comprehensive Plan of Action regarding the Islamic Republic of Iran’s Nuclear Program) herausgekommen, über das, was man vielleicht im Juni in einen Vertrag gießen könnte. Man hat sich bemüht und will das auch weiterhin tun.

Important implementation details are still subject to negotiation, and nothing is agreed until everything is agreed. We will work to conclude the JCPOA based on these parameters over the coming months.

Ein ödes Stück Papier, damit man die Verhandlungen nicht als gescheitert erklären muß, denn sonst müßte man ja wirklich etwas tun. Gleichwohl ist der Inhalt deprimierend genug und man sollte ihn keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen:

  • Iran soll seine 19000 (!) Zentrifugen in Natranz auf 6104 Zentrifugen verringern, von denen stets nur 5060 gleichzeitig in Betrieb sein sollen. Geradezu erschreckend ist die Begründung für diesen Schritt: Es soll damit die notwendige Zeit für die Produktion von „Bombenuran“ von derzeit zwei bis drei Monaten, auf ein Jahr verlängert werden

Iran’s breakout timeline – the time that it would take for Iran to acquire enough fissile material for one weapon – is currently assessed to be 2 to 3 months. That timeline will be extended to at least one year, for a duration of at least ten years, under this framework.

  • Iran soll seinen Lagerbestand von derzeit 10000 kg LEU (leicht auf 3,7% angereichertes Uran) auf nur noch 300 kg in den nächsten 15 Jahren verringern. Der Gedanke auch hier, ist wieder die „Zeitverzögerung“: Je mehr Uran man von einem Anreicherungsgrad hat, um so schneller und mit weniger Aufwand (z. B. Stückzahl der Zentrifugen!) läßt sich die nächste Stufe zur Bombe erklimmen. Ab einem Anreicherungsgrad von rund 20% geht die Angelegenheit sehr schnell und es bieten sich auch noch andere Verfahren an.
  • Iran soll die Anreicherung nur mit den Zentrifugen der ersten Generation (IR-1) weiterhin durchführen. Die bereits betriebenen 1000 Zentrifugen (IR-2M) sollen abgebaut und eingelagert werden. Die Typen IR-4, IR-5, IR-6 und IR-8 sollen in den nächsten Jahren nicht zur Produktion, sondern nur zur Weiterentwicklung verwendet werden.
  • Der Reaktor in Arak soll umgebaut werden.

The original core of the reactor, which would have enabled the production of significant quantities of weapons-grade plutonium, will be destroyed or removed from the country.

  • Iran soll sich verpflichten, zukünftig alle abgebrannten Brennelemente dieses Reaktors ins Ausland zu überführen.

Im Gegenzug sollen alle verhängten Sanktionen aufgehoben werden. Ausdrücklich auch die bisherigen Sanktion für kerntechnische Materialien und Hilfsmittel aus den USA und der EU.

Die besondere Lage von Israel

Im „kalten Krieg“ wurde viel über „Erstschlag“ und „Zweitschlag“ philosophiert. Man sprach vom „Gleichgewicht des Schreckens“. All diese Überlegungen treffen für die Lage Israels nicht zu. Israel ist mit seiner geringen bewohnbaren Fläche ein geographischer Zwerg – jedenfalls verglichen mit den Weiten der USA oder Russlands. Die Bombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki haben jeweils eine Stadt ausgelöscht, waren für Japan aber eher eine geographische Randnotiz. Die Situation von Israel ist völlig anders. Schon die Explosion nur einer Kernwaffe, würde Israel praktisch komplett auslöschen. Es würden nicht nur tausende Juden, sondern auch die dort lebenden Araber getötet werden. Ein palistinänsischer Staat hätte sich damit wahrscheinlich auch gleich erledigt. Wünschen sich die Palästinenser wirklich einen Atompilz am Himmel von Gaza oder Jerusalem?

Israel kann auf keinen Fall das Risiko eines „Atomkriegs“ eingehen. Wenn ausgerechnet ein Land, das wiederholt mit der Auslöschung des Staates Israel gedroht hat, zur „Atommacht“ wird, bleibt nur der Präventivschlag. Israel muß dem Aggressor die Kernwaffen aus der Hand schlagen. Praktisch um jeden Preis. Ob das den tapferen Diplomaten so genau bewußt ist? Gut gemeint, ist noch lange nicht gut gemacht.

Der Bau einer „Atombombe“ ist ein rein finanzielles Problem. Wenn man die Sanktionen jetzt aufhebt, gießt man nur Öl ins Feuer. Der einzige Grund, warum die Mullahs sich momentan verhandlungsbereit geben, ist die Angst vor dem eigenen Volk. Die wirtschaftliche Lage Irans wird immer schlechter: Sinkende Ölpreise und steigende Kosten für die angezettelten Kriege von Syrien und Irak bis Jemen. Iran ist nicht Nordkorea. Bevor die Iraner für eine „Mullah-Bombe“ hungern, werden sie die „Religionsgelehrten“ in ihre Moscheen zurückschicken.

Die geopolitische Lage

Wenn Iran tatsächlich zur (potentiellen) „Atommacht“ aufsteigt, wird Saudi Arabien in wenigen Monaten folgen (müssen). Saudi Arabien wird bereits jetzt durch Stellvertreteraufstände und Stellvertreterkriege unmittelbar bedroht. Einen größeren Albtraum, als einen mittelalterlich anmutender Religionskrieg mit Kernwaffen, kann man sich kaum vorstellen. Bereits jetzt bildet sich ein sunnitisches Heer für den schiitischen Stellvertreterkrieg im Jemen.

Nun ist aber das sunnitische Lager nicht so einig, daß es sich der Führung einer „Atommacht Saudi Arabien“ unterordnen wird. Die nächsten „Atommächte“ werden dann die Türkei und – höchstens etwas später – Ägypten werden. Spätestens dann, fällt ganz Europa aus seiner Hängematte. Willkommen im 21ten Jahrhundert.